Illegaler Handel boomt

Organraub als Multimilliarden-Dollar-Geschäft

Ausland
27.10.2023 10:41

Die Zahl der Organtransplantationen in China ist Anwälten zufolge zehnmal so hoch, wie die chinesische Regierung offiziell angibt. Rund 100.000 sollen es pro Jahr sein, innerhalb der letzten rund 20 Jahre kontinuierlich mehr.

Dass der Organhandel und -raub in China gut dokumentiert ist, ist unter anderem David Matas‘ (80) Verdienst. Der kanadische Menschenrechtsanwalt begann in den 2000ern gemeinsam mit dem Staatsanwalt David Kilgour mit der Recherche zu dem Thema. Als er und der - mittlerweile verstorbene - Staatsanwalt Kilgour zu recherchieren begannen, sprach China offiziell von 10.000 Organtransplantationen pro Jahr.

Von Spitälern veröffentlichte - und einsehbare - Zahlen aber widersprachen den Angaben der Regierung. „In den Anfangsjahren (unserer Recherche, Anm.) fanden wir heraus, dass es nicht 10.000 Transplantationen waren - es waren 60.000. Später betrug die Zahl nicht mehr 60.000. Es waren 100.000 (pro Jahr, Anm.)“, so Matas im APA-Interview mit Moritz Hell.

An nur einem Tag 25.000 registrierte Spender
Der Bericht „Forced Organ Harvesting Form Living People in China“ der Organisation Doctors Against Forced Organ Harvesting (DAFOH) von 2023 nennt offizielle chinesische Zahlen. So gab es an einem bestimmten Tag im Jahr 2015 einen Zuwachs von 25.000 registrierten Spendern.

Die chinesische Regierung sage, dass alle Organe von Spenden kämen, so Matas. Frage man Behörden, wie die Divergenz zwischen den in Wahrheit niedrigen Spende- und den hohen Transplantationszahlen zu erklären sei, bekomme man zu hören, dass es auch wegen Unfällen verfügbare Organe gebe. „Man kann Transplantationen planen, aber man kann keine Unfälle planen“, entkräftet Matas die Behauptung.

Video: Organhandel blüht auch in Afghanistan

Hepatitis B unter Häftlingen ein „Problem“
China führe auch zum Tode verurteilte Gefangene als Organspender an. Doch diese Behauptung ist für Matas ebenso wenig vertrauenswürdig: „Transplantationen werden weit im Voraus geplant.“ Außerdem sei unter in China inhaftierten Häftlingen Hepatitis B weit verbreitet, was deren Organe unbrauchbar für Spenden mache. Und der globale Druck auf China, die Todesstrafe abzuschaffen, habe dazu geführt, dass es nun schwieriger sei, zum Tode verurteilt zu werden.

Falun-Gong-Bewegung als „Zielgruppe“
Die zahlenmäßig größte Opfergruppe sind laut Matas Falun-Gong-Praktizierende. 1999 gehörten der „Meditationsschule“ bis zu 100 Millionen meist sehr gesunde Menschen an, die über das ganze Land über verteilt gewesen waren. Somit sei die Transportlogistik einfach gewesen. Von 100 Millionen seien heute nur zwei Millionen übrig, so Matas. Falun Gong sei eine „Goldgrube“ gewesen und eine neue „Einnahmequelle“. Organtransplantationen in China seien zu einem „Multimilliarden-Dollar-Geschäft“ geworden.

Gangart noch verschärft
Hier seien zwei „Faktoren“ ausschlaggebend gewesen. Zum einen der finanzielle Aspekt. Zudem sei die Verfolgung politisch motiviert gewesen, denn die Gruppe war populär, aber nicht kommunistisch - und eine potenzielle Bedrohung für das Regime. Eines Tages werde die Bevölkerungsgruppe verschwunden sein. 2017 habe China die Gangart sogar nicht verschärft. Transplantationen seien beworben, Organe verkauft und es sei versucht worden, die Verbrechen zu vertuschen.

Mittlerweile würden einige Spitäler chinesischen Medizinstudenten, die vielfach im Ausland ausgebildet werden, keine entsprechende Ausbildung bezüglich Organtransplantationen mehr geben.

„Österreich nicht zum Komplizen Chinas machen“
Was in China passiere, könne nur China selbst entscheiden. Matas‘ Ansicht nach braucht es nicht einmal einen Machtwechsel in China, um unfreiwilligen Organtransplantationen ein Ende zu setzen. Doch was außerhalb Chinas passiere, könnten die Staaten selbst bestimmen, meint der Anwalt. „Wenn die Österreicher sich nicht zu Komplizen Chinas machen wollen, steht ihnen das frei. Sie müssen Transplantationstourismus nach China nicht erlauben.“

193 Länder haben Abkommen noch nicht unterzeichnet
2015 hat Österreich das Abkommen des Europarats gegen Organhandel unterzeichnet. „Das Abkommen verpflichtet Staaten, ein Gesetz zu erlassen, das die Mittäterschaft bei Organhandel unter Strafe stellt.“ Im Nationalrat sei es seit damals aber nicht ratifiziert worden. Würde Österreich ein solches Gesetz beschließen, könnten seine Staatsbürger nicht auf legale Weise nach China reisen, um ein Organ zu bekommen. Laut Matas haben derzeit 20 Staaten entsprechende Gesetze. „Aber es gibt 193 Länder, es ist also noch ein weiter Weg.“

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