Theater an der Wien

Fräulein Theodora – gar nicht röstfrisch

Kultur
20.10.2023 17:39

Mit der szenischen Aufbereitung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Theodora“ geht auch die zweite große Saisonproduktion des Theaters an der Wien im Museumsquartier ziemlich schief. Warum Direktor Stefan Herheim in seiner Regie das frühchristliche Drama ins Café Central verlegt, erklärt sich nicht. Auch musikalisch gerät die Sache weit unter dem einst gewohnten Niveau.

Wenn ein Punschkrapferl in der Tortenvitrine des Cafés Central umfällt, hat das wohl dieselbe Wirkung wie Händels „Theodora“ jetzt im MQ. Es ist die zweite Saisonproduktion im Ausweichquartier des Theaters an der Wien. Regie hat Direktor Stefan Herheim geführt und das Oratorium in den Nachbau des Wiener Touristenhotspots Café Central verlegt. 

Theodora im Café Central: David Portillo (Septimius), Arnold Schoenberg Chor (Bild: © Monika und Karl Forster/Theater an der Wien)
Theodora im Café Central: David Portillo (Septimius), Arnold Schoenberg Chor
Evan Hughes (Valens), Jacquelyn Wagner (Theodora), Christopher Lowrey (Bild: © Monika und Karl Forster/Theater an der Wien)
Evan Hughes (Valens), Jacquelyn Wagner (Theodora), Christopher Lowrey

Wo bei Händel Theodora vom römischen Statthalter Valens für ihren Glauben zur Prostitution gezwungen, letztlich mit ihrem Geliebten Didymus hingerichtet wird, erlebt man bei Herheim ein Gerangel unter der Servierkörperschaft. Valens ist Oberkellner und offenbar sexuell fluider Sadist. Er piesackt Piccolo Didymus und Kollegen. Ganz besonders aber Theodora, sodass sie sich nach Dienstschluss die Haare abschneidet und auf dem Billardtisch verzweifelt. Der Chor ist immer dabei, schlürft gierig aus Tassen, wie eine nach Röstfrische süchtige Sekte. Doch niemand kann das Café verlassen. Herheim versteht das tatsächlich als Anspielung auf Buñuels legendären Film noir „The Exterminating Angel“. Warum das alles? Antworten bleibt er in seiner rätselhaften, belanglosen Personenregie jedoch schuldig. Statt Hinrichtung werden Theodora und Didymus am Ende gefeuert, treten ab und haben ums Eck wohl sofort den nächsten Gastro-Job. Das Café Central versinkt langsam, darüber tanzt ein Kitsch-Engel mit weißen Flügerln.

Evan Hughes (Valens), Arnold Schoenberg Chor (Bild: © Monika und Karl Forster/Theater an der Wien)
Evan Hughes (Valens), Arnold Schoenberg Chor
David Portillo (Septimius), Jacquelyn Wagner (Theodora), Julie Boulianne (Irene), Christopher Lowrey (Didymus), Evan Hughes (Valens) (Bild: © Monika und Karl Forster/Theater an der Wien)
David Portillo (Septimius), Jacquelyn Wagner (Theodora), Julie Boulianne (Irene), Christopher Lowrey (Didymus), Evan Hughes (Valens)

Herheims Vorgänger Roland Geyer hat mit Könnern, wie etwa dem Freiburger Barockorchester, Les Arts Florissants, Les Talens Lyrique oder dem Concentus Musicus, mit ersten Dirigenten und Solisten Barockmaßstäbe gesetzt. Jetzt spielt ein „La Folia Barockorchester“. Countertenor Bejun Mehta, diesmal dirigierend, träumt davon, die Partitur „abheben“ zu lassen. Es gelingt ihm nicht. Dafür gerät der prächtige Arnold Schoenberg Chor unter ihm ein paar Mal schön ins Schwimmen. Die Theodora singt Sopran Jacquelyn Wagner nett emotionsbefreit. Der aparte Countertenor Christopher Lowrey (Didymus) ist die Leuchte in einem Tiefpunkt barocken Musiktheaters an der Wien.

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