Zeit wird knapp
Riesige Felsmassen bedrohen Dorf – Evakuierung
Zwei Millionen Kubikmeter Fels rutschen derzeit mit wachsender Geschwindigkeit einen Hang oberhalb des Schweizer Bergdorfes Brienz hinab. Die Lage hat sich bereits derart zugespitzt, dass die gut 50 Einwohner noch bis Freitag, 18 Uhr umsiedeln müssen.
Das Dorf liegt rund 25 Kilometer Luftlinie südwestlich von Davos (Graubünden) auf etwa 1100 Metern Höhe und ist nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Brienz unweit von Interlaken am Brienzersee. Oberhalb des Dorfes seien bis zu zwei Millionen Kubikmeter Felsmaterial in Bewegung, berichtete der Leiter des Frühwarndienstes, Stefan Schneider.
Die Gesteinsmassen bewegen sich nach den Messungen mehr als doppelt so schnell wie noch vor wenigen Wochen. Die SRF-Nachrichten zeigten ein eindrucksvolles Zeitraffervideo, in dem die Bewegung der riesigen Felsmassen zu sehen war.
Das Video zeigt ab Minute 10.50, wie sehr sich die Felsmassen bereits Richtung Tal bewegt haben:
Menschen „an das Rumpeln des Berges gewohnt“
Die Region ist seit Jahrhunderten in Bewegung. Das Dorf selbst rutscht seit 20 Jahren mit rund einem Meter pro Jahr Richtung Tal. Dass der Felsbereich namens „Insel“ oberhalb des Dorfes gefährlich ist, war seit Jahren bekannt. Die Einwohner wussten schon lange, dass eine Räumung droht.
Dass es nun tatsächlich so weit ist, sorge für betrübte Stimmung, wie Daniel Albertin, Gemeindepräsident von Albula, dem SRF erklärte. Die Meschen seien „seit Jahrzehnten an das Rumpeln des Berges gewohnt - und jetzt ist die Situation anders“. All jene, die sich selbst keine Bleibe arrangieren können, bekommen daher vorerst von der Gemeinde eine Wohnung zur Verfügung gestellt.
Wetter verschärft Situation
Dass die Entscheidung jetzt fiel, habe auch mit der Wetterprognose zu tun, sagte Simon Löw, emeritierter Professor für Ingenieurgeologie an der Universität ETH Zürich, im Schweizer Fernsehen. Bis Sonntag seien jeden Tag Niederschläge vorhergesagt, das könne die Rutschgeschwindigkeit noch erhöhen.
Im extremsten Fall droht Bergsturz
Unklar ist, ob Schutt und Geröll das Dorf treffen. Das sei zwar unwahrscheinlich, sagte Löw, „aber im extremsten Fall kann es einen Bergsturz geben. Das ist etwas, wobei mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 200 Kilometern in der Stunde der Hang herabdonnert, in 30 Sekunden im Dorf ist und das Dorf zerstört.“
Der Klimawandel macht Felsstürze in manchen Gegenden wahrscheinlicher, etwa dort, wo Permafrost auftaut, Schutt und Geröll Halt verlieren oder Wasser in Felsspalten eindringt und der Druck Felsstücke absprengt. In Brienz spielt dies nach Angaben von Löw aber keine Rolle. Es gebe keinen auftauenden Permafrost und es sei kein Zusammenhang zwischen den jährlichen Niederschlägen und der Fließgeschwindigkeit des Geländes festgestellt worden.
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