Das Urteil im Mordprozess um das Callgirl Anamaria D. (23) - das geschlagen, erwürgt und erstickt wurde - war eine rasche Entscheidung: Nach nur drei Stunden Beratung entschieden sich die Geschworenen einstimmig für Mord. Der Täter muss lebenslang ins Gefängnis - das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Um kurz vor 13.30 Uhr schloss Richterin Dagmar Geroldinger das Verfahren und schickte die acht Geschworenen zur Beratung. Die Hauptfrage, die zu beantworten war: War es Mord? Der Staatsanwalt sagte „Ja“ und sah eine Tötungsabsicht, der Verteidiger erkannte die Tötungsabsicht nicht. Das Gericht stellte auch weitere Möglichkeiten zur Wahl: Totschlag, Vergewaltigung mit Todesfolge, sexueller Missbrauch einer Wehrlosen mit Todesfolge, absichtlich schwere Körperverletzung oder nur „normale“ Körperverletzung mit Todesfolge oder gab es gar eine Notwehrsituation?
Jedenfalls war immer weiter zu entscheiden, ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war oder vielleicht in „absoluter Berauschung“ auch nicht wusste, was er tat. Und schließlich war noch die Frage zu klären, ob es eine „Störung der Totenruhe“ gab.
Anwalt Andreas Mauhart hielt ein gut halbstündiges Plädoyer, in dem es darum ging, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass Alexander M. den Tod der illegalen Sexarbeiterin nicht wollte oder wissentlich in Kauf nahm - und daher der Mordvorsatz weg wäre. Am Ende war der Angeklagte am Wort - er holte Notizen hervor, las unter Tränen vor: „Es tut mir leid, was ich der Frau D. angetan habe, ihren Angehörigen und auch meiner Familie, vor allem meiner Tochter“, und: „Frau D. konnte nichts dafür und hat es nicht verdient. Ich werde dafür geradestehen.“
Urteil mit sieben „Ja-Stimmen“ gefällt
Um 16.47 Uhr kamen die Geschworenen (fünf Frauen und drei Männer) und der dreiköpfige Richtersenat zurück - rund eine Stunde dauerte die Rechtsbelehrung, in der restlichen Zeit berieten die Geschworenen alleine - und die Vorsitzende Dagmar Geroldinger verkündete das noch nicht rechtskräftige Mordurteil, das mit sieben „Ja-Stimmen“ und einer „Nein-Stimme“ gefällt worden war: Lebenslang. Notwehr und Unzurechnungsfähigkeit wurden einstimmig verneint. Vom Vorwurf der Störung der Totenruhe wurde er freigesprochen.
Die Richterin sprach in ihrer Urteilsbegründung von einer „bestialischen Tat“, dem „Vernichten des Opfers“ und einer Tat, die „ihresgleichen sucht“. Es sei keine Tötung gewesen, die in irgendeiner Form nachvollzogen werden könne, daher könne es nur das Urteil „lebenslange Haft“ geben.
Keinen Grund für Unzurechnungsfähigkeit gesehen
Im Verlauf des zweiten Prozesstages kamen zwei Gutachten zu Sprache, die sich mit der Zurechnungsfähigkeit und dem Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten beschäftigten. „Er ist psychisch präsent, kann zielgerichtet vorgehen“ - die Psychiaterin sieht keinen Grund für eine Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag. Denn er konnte die Prostituierte zu sich bestellen, hätte auch eine Lösung parat gehabt, als es wegen des fehlenden Geldes zum Streit kam - nämlich zum Bankomat zu gehen. Warum er sich an die Tat nur noch bruchstückhaft erinnere: „Das ist medizinisch nachvollziehbar. Man will sich an problematische Situationen nicht erinnern, schiebt diese weg.“ Weil er während des Missbrauchs noch bewusst Sonnenblumenöl als Gleitmittel holte und überlegte, ob er ein Kondom benutzt, sei er immer „in der Situation orientiert gewesen“.
Der Grad der Alkoholisierung sei nicht mehr exakt nachvollziehbar. Eine gewisse „Einschränkung“ sei zwar möglich, aber kein Grund für gänzliche Unzurechnungsfähigkeit. Und er selbst gab bei der Untersuchung an, dass er bei der Tat „abgesehen vom Alkohol keine Drogen konsumiert habe“.
„Frau ist stellvertretend für eine andere gestorben“
Für die Motivation der Tat konnte die Psychiaterin keine exakte Aussage treffen. Doch es sei möglich und denkbar, dass „die Frau stellvertretend für eine andere gestorben ist“. Konkret, stellvertretend für die Mutter seiner Tochter, auf die er einen „unbändigen Hass“ entwickelt habe, weil sie die Tochter, die für den Angeklagten der „wichtigste Mensch im Leben ist“, nicht gut behandelt habe. Der Konflikt mit der ehemaligen Partnerin sei nie „bereinigt worden“. Und es könnte sich womöglich ein Hass generell auf Frauen entwickelt haben, der sich am Tattag gegen die Prostituierte auslud.
Was immer Herr M. konsumiert hatte, er war am Tattag immer in der Situation präsent. Es gab einen ausgesprochenen Vernichtungswillen.
Adelheid Kastner, forensische Psychiaterin
Laut Adelheid Kastner sei Alexander M. an sich nicht gefährlich und daher eine Unterbringung in einer Anstalt nicht möglich oder denkbar.
Dennoch spielte der Drogenkonsum im Prozess weiter eine Rolle spielen, denn dieser ist für den Angeklagten wie ein Strohhalm, an den er sich klammerte. Anwalt Andreas Mauhart beantragte zum Ende des ersten Verhandlungstages eine Haar-Analyse seines Mandanten. Dieses soll den Drogenkonsum von Alexander M. belegen. „Die Haarlänge ist ausreichend, um den Nachweis zu erbringen“, sagte Mauhart und spielte auf den Pferdeschwanz des Angeklagten an.
Soll sich Psycho-Pilze eingeworfen haben
Denn Alexander M. meinte, sich erinnern zu können, dass er am Tattag vor sieben Monaten nicht nur etwa 28 Halbe Bier getrunken, sondern auch noch Psycho-Pilze eingeworfen hatte. Und die Mischung von „Magic Mushrooms“ mit Alkohol sei fatal und vielleicht sogar ein Grund für eine Schuldunfähigkeit.
Der Staatsanwalt gab dazu am Montag noch keine Erklärung ab, er wollte der Analyse des Toxikologen Andreas Keller nicht vorgreifen. „Vielleicht ergibt sich daraus schon, ob die Analyse Sinn macht“, so Wilfried Kondert. Am zweiten Verhandlungstag gab der Toxikologe Andreas Keller gleich eine abschlägige Antwort: „Es ist durch die Haaranalyse nicht möglich, zu sagen, wann genau welche Substanz konsumiert wurde. Maximal den Monat kann man womöglich eingrenzen.“ Im Blut des Angeklagten, das am Tag nach der Tat abgenommen wurde, fanden Experten jedenfalls außer Alkohol keine anderen Drogen oder Medikamente. Wenn man den „Nachtrunk“ nicht miteinberechnet, kann während der Tat von einer Alkoholisierung zwischen 2,49 und 4,69 Promille - je nach Abbaugrad pro Stunde - ausgegangen werden. Generell wird bei dem Angeklagten eher der höhere Promillewert vermutet.
Anwalt Andreas Mauhart hielt aber an dem Antrag auf eine Haaranalyse fest und forderte auch eine „Begleitstoffanalyse“, um den Nachtrunk nachzuweisen, beziehungsweise zu beweisen, dass der Angeklagte die meisten Biere schon vorher getrunken hatte. Der Staatsanwalt forderte die Abweisung der Beweisanträge. Das Gericht wies am Mittwoch die Anträge ab.
Stranguliert, geschlagen und malträtiert
Bekanntlich war das Opfer stranguliert, geschlagen und so lange malträtiert worden, bis es am eigenen Erbrochenen erstickt war. Der Angeklagte, der sich noch an der Leiche sexuell vergangen haben soll, gab an, dass er den Tod der Frau nicht bemerkt habe.
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