BVT-Prozess in Wien:

Haben Beamte syrischem „Foltergeneral“ geholfen?

Österreich
20.04.2023 17:21

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist zwar Geschichte, das mutmaßliche Fehlverhalten einiger Ex-Spitzenbeamter hat allerdings ein ordentliches Nachspiel. Am Donnerstag ist der Amtsmissbrauch-Prozess mit der Einvernahme des damaligen BVT-Direktors Peter Gridling fortgesetzt worden. Die Vorwürfe haben es in sich.

Den Angeklagten wird zur Last gelegt, sie hätten einen syrischen General in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl verschafft. In ihren Befragungen verwiesen die Angeklagten immer wieder darauf, entweder nichts gewusst oder aufgrund ihres Dienstgrades einfach Anweisungen befolgt zu haben. „Wenn ich eine rechtswidrige Weisung bekomme, habe ich darauf aufmerksam zu machen“, so Gridling.

Spannungen und Konkurrenzdenken
Dass Informationen an ihm „vorbei“ direkt zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit gekommen sind, sei nichts Besonderes gewesen. Sein damaliger Stellvertreter sei zwar nicht verpflichtet gewesen, ihn über die Kooperationsvereinbarung zu informieren, „Es wäre aber im Sinne der Verantwortung durchaus notwendig gewesen“.

Dieser Stellvertreter wiederum hätte seine Informationen vom erstangeklagten, aber krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähigen Abteilungsleiter Martin W., bekommen. Zwischen dem Abteilungsleiter und seinem Vorgesetzten, dem stellvertretenden BVT-Direktor, habe es „Spannungen und ein Konkurrenzverhältnis“ gegeben, betonte Gridling. Warum er nicht informiert worden sei, könne er sich letztlich nicht erklären.

Dem syrischen General wird die Mitverantwortung für Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes in einem Gefängnis in Ar-Raqqa vorgeworfen. Mittlerweile ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Wien in Bezug auf die Vorgänge in dem syrischen Gefängnis.

Der damalige Stellvertreter des Martin W. gab an, zur Zeit der Vorwürfe ein „freundschaftliches“ Verhältnis zu seinem Vorgesetzten geführt zu haben. Das habe sich im Zuge des BVT-Verfahrens und der teils „verstörenden“ Dinge, die dort aufkamen, geändert.

Zweifel an Glaubwürdigkeit
Einen zentralen Punkt der Befragung stellte auch die NGO Commission for International Justice and Accountability (CIJA), die im Jahr 2016 ans Justizministerium herantrat und Bedenken hinsichtlich der Vergangenheit des Generals äußerte. „Es ist eine nachrichtendienstliche Tugend, dass man Personen offen gegenüber sein sollte“, betonte P. Die Angaben der CIJA hätten die Verfassungsschützer dennoch versucht zu verifizieren, auch weil sie hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Organisation Zweifel hegten. „Wir wollten wissen, wer ist diese Organisation, welche Interessen vertritt sie und wer steckt dahinter“.

Daran, dass er oder jemand anderes eine Recherche in frei zugänglichen Quellen (OSINT-Recherche) zu der Organisation durchgeführt hätte, könne P. sich aber nicht erinnern. „Eine Recherche, ob die CIJA vertrauenswürdig ist, wäre innerhalb von 30 Minuten erledigt gewesen“, betonte Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer.

„Nehme keine Tonbänder mit“
Anstatt dessen sei eine Mitarbeiterin des BVT im Rahmen der Operation „Red Bull“ in die Niederlande gefahren, um dort auf Anweisung des Abteilungsleiters W. Fotos von dem vermeintlichen Sitz der Organisation zu machen. Der ehemalige Spionagechef P. habe den Auftrag nur weitergegeben. Welche Fragen er ihr danach gestellt habe, wisse er nicht mehr.

Zitat Icon

Ich nehme mir auch keine Tonbänder mit, damit ich später protokollieren kann, was gesagt wurde.

Ehemaliger Spionagechef P.

Bei ausländischen Nachrichtendiensten habe man nicht nachgefragt. „Wenn ich wo anfrage, dann muss ich wissen, dass ich bei dem Partnerdienst auch etwas auslöse.“ Auch ein weiterer Prozess mit BVT-Bezug dürfte vor dem Start stehen. Wie das Magazin „Profil“ am Donnerstag online berichtet, wurde vor kurzem die Anklage gegen einen BVT-Beamten rechtswirksam, der nebenher für private Ermittlungen Geld von einer deutschen Nachrichtenhändlerin mit Stasi-Vergangenheit erhalten haben soll. Ein Verhandlungstermin in St. Pölten steht noch nicht fest.

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