Acht „Mass Shootings“
48 Stunden zeigen Ausmaß von US-Waffenepidemie
Die USA haben ein besonders blutiges Wochenende hinter sich. Acht „Mass Shootings“ erschüttern das Land. Doch der Gipfel der Waffenlobby NRA zeigt: Die USA werden in naher Zukunft wohl „Waffenweltmeister“ bleiben - koste es, was es wolle.
Wieder einmal sind die USA geschockt. Wieder einmal wurden Menschen erschossen. Doch dieses Mal in einer Frequenz, die ihresgleichen sucht. Am vergangenen Wochenende mussten US-Polizisten besonders häufig zu Amokläufen oder größeren Schießereien ausrücken. Das unabhängige Gun Violence Archive zählte acht sogenannte Mass Shootings, also Schießereien, bei denen vier oder mehr Personen verletzt oder getötet wurden - den Schützen nicht mitgezählt.
In keinem anderen Industrieland ist die Gefahr so groß, bei alltäglichen Tätigkeiten getötet zu werden, wie in den USA. Im Küstenort Biloxi im US-Bundesstaat Mississippi wurden beispielsweise fünf Personen nahe einer Strandpromenade angeschossen. In Louisville, Kentucky, endete ein Ausflug in einen Stadtpark für zwei Menschen tödlich. Vier Personen wurden zudem teils schwer verletzt. Der oder die Täter sind flüchtig.
Amoklauf bei Geburtstagsfeier sorgt für Aufsehen
Für internationale Schlagzeilen sorgte der Amoklauf während der Geburtstagsparty eines 16-jährigen Mädchens in Dadeville, Alabama. Mindestens vier Menschen verloren ihr Leben, zudem gebe es 28 Verletzte, von denen einige in Lebensgefahr seien, erklärte Jeremy Burkett von der örtlichen Polizei. Eines der Todesopfer soll der ältere Bruder des Geburtstagskinds sein.
In Phoenix, Arizona, wurden vier Personen auf einem Parkplatz einer Bar angeschossen. In Northridge, Kalifornien, wurde ein Mann beim Übermalen von Gang-Graffiti an der Hauswand eines Geschäfts getötet. Umstehende Menschen wurden ebenfalls verletzt, da der flüchtige Täter nach Polizeiangaben mit einer Uzi um sich geschossen haben soll. Und in Kansas City, Missouri, wurde einem 16-Jährigen in den Kopf geschossen. Sein Vergehen: Er hatte sich in der Tür geirrt. Seine Eltern haben ihn der Polizei zufolge gebeten, seine Geschwister in einem Haus in der „115th Terrace“ im Nordosten der Stadt abzuholen, doch er sei stattdessen zu einem Haus in der „115th Street“ gefahren. Der Junge kämpft aktuell ums Überleben.
Fakten
Der Besitz von nach 1986 gebauten automatischen Waffen ist in den USA verboten. Vor 1986 gebaute automatische Waffen bleiben legal in Umlauf. Wobei halbautomatische Waffen mithilfe von Zubehör einfach umgebaut werden können, sodass sie ein Schnellfeuer wie bei Maschinengewehren ermöglichen. Der Besitz von halbautomatischen Waffen ist legal.
Dieses Wochenende - so blutig es auch war - ist jedoch nur ein Symptom eines größeren Problems. Amokläufe und Schießereien gehören in den USA zum Alltag. In den Vereinigten Staaten sind mehr Waffen im Umlauf als irgendwo sonst auf der Welt.
Ohne substanzielle Gesetzesverschärfungen sehen Experten keine Chance auf einen Rückgang der Waffengewalt in den USA. Um die durchzusetzen, wären US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten allerdings auf Kooperationsbereitschaft der Republikaner im Kongress angewiesen - und die ist bei diesem Thema nicht in Sicht.
Ich möchte Ihnen versichern, dass sie bereits eine Schrotflinte und ein Gewehr hat, und sie hat auch ein kleines Pony namens ,Sparkles‘.
Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota
Viele in der Partei stehen der mächtigen Schusswaffenlobby-Organisation National Rifle Association (NRA) nahe und sind mitunter von deren Wahlkampfspenden abhängig. Als die NRA - ironischerweise - am Wochenende zu ihrer Jahresversammlung in Indianapolis zusammenkam, traten dort auch prominente Republikaner wie Donald Trump und Mike Pence auf.
Im Rahmen der Veranstaltung plauderte etwa die Gouverneurin von South Dakota aus dem familiären Nähkästchen. Kristi Noem prahlte in ihrer Rede, dass ihre „beinahe“ zweijährige Enkelin bereits mit Waffen eingedeckt sei. „Little Miss Addie“ werde die Waffen bald brauchen. „Ich möchte Ihnen versichern, dass sie bereits eine Schrotflinte und ein Gewehr hat, und sie hat auch ein kleines Pony namens ,Sparkles‘. Das Mädchen ist also gerüstet“, fügte die konservative Politikerin hinzu.
Die Redner des Waffengipfels äußerten sich auch zu jüngsten Amokläufen. Zu hören waren bekannte Argumente der Lobby: Die Lösung des Problems seien nicht weniger, sondern mehr Waffen.
Es bräuchte „mehr gute Kerle mit einer Waffe als schlechte“. Das Problem sehen viele Kongressredner „nur“ im Geisteszustand der Schützen. Mit Waffen hätte das nichts zu tun. Sogenannte Background-Checks, zur Überprüfung von Käufern, werden aber abgelehnt. Das könnte sich negativ auf den Umsatz auswirken, meinen Kritiker, die der NRA Heuchlerei vorwerfen.
Bereits mehr als 5300 Tote durch Waffengewalt
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das Gun Violence Archive zählt für 2023 bereits 162 „Mass Shootings“ und knapp 5300 Todesopfer von Waffengewalt. Wenn Suizide inkludiert werden, beläuft sich die Ziffer auf atemberaubende 12.360 Tote.
Biden reagierte entsetzt auf das neuerliche Blutvergießen vom Wochenende und forderte erneut schärfere Waffengesetze in den USA. „Was ist aus unserem Land geworden, wenn Kinder nicht mehr ohne Angst zu einer Geburtstagsparty gehen können? Wenn Eltern sich jedes Mal Sorgen machen müssen, wenn ihre Kinder zur Schule, ins Kino oder in den Park gehen?“ Und so läutet der Präsident den bangen Blick auf die nächsten 48 Stunden ein.
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