"Kriminalfall Ötzi"

Tödliche Pfeilspitze wurde im Süden der Alpen erzeugt

Wissenschaft
04.10.2011 11:19
Im "Kriminalfall Ötzi", um den vor rund 5.300 Jahren durch einen Pfeilschuss in den Rücken getöteten Gletschermann, gibt es neue Erkenntnisse durch den Vergleich der noch immer im Körper steckenden Pfeilspitze mit Tausenden anderen derartigen Fundstücken. Demnach wurde sie südlich der Alpen erzeugt. Der Täter muss aber nicht zwangsläufig von dort kommen, erklärte der früher am "Eismann-Projekt" beteiligte deutsche Geoarchäologe Alexander Binsteiner.

Von der Pfeilspitze gibt es sehr genaue Computertomographie-Aufnahmen. Demnach handelt es sich um eine 2,8 Zentimeter große Steinklinge, die für Fachleute charakteristische Merkmale aufweist. So hat sie einen sogenannten Schäftungsdorn an der Basis der Pfeilspitze. 

Das Material dürfte laut Binsteiner aus den Monti Lessini nördlich von Verona stammen. Wegen der Art der Bearbeitung kann das Projektil der südlich des Gardasees angesiedelten sogenannten Remedello-Kultur zugeordnet werden.

Nicht zwingend Hinweis auf den Täter
Das schränkt aber den Kreis der Täter, die für den tödlichen Schuss auf Ötzi infrage kommen, nicht ein. Der Schütze muss nicht unbedingt aus dem Süden stammen, gibt Binsteiner zu bedenken. Denn er hat in den vergangenen Jahren Tausende Klingen analysiert, die bei Ausgrabungen in zeitgleichen Siedlungen der Mondsee-Kultur nördlich der Alpen entdeckt wurden.

Alle wurden ohne den charakteristischen Schäftungsdorn und aus anderem Material gefertigt - mit zwei Ausnahmen: Pfeilspitzen, die in Ainring im Berchtesgadener Land und in Seewalchen am Attersee gefunden wurden. Sie stammen ebenso aus den Monti Lessini. Die Klingen aus dem Süden waren demnach nicht nur dort, sondern auch nördlich des Alpenhauptkammes in Gebrauch.

Kupfer-Beil stammt aus Österreich
Zusammen mit dem bei Ötzi gefundenen Kupfer-Beil, das zwar ebenfalls der Remedello-Kultur zugeordnet werden kann, aber aus "Mondsee-Kupfer" aus Erz vom Mitterberg südlich von Bischofshofen im Pongau hergestellt wurde, ergibt sich für Binsteiner folgendes Bild: In der Steinzeit hat es Handelszüge aus dem heutigen Oberitalien nach Salzburg und Oberösterreich über die Alpen gegeben. Der Eismann könnte in leitender Funktion einer derartigen "Kupfer-Expedition" angehört haben, die mit Rohkupfer beladen auf dem Rückweg war. Doch auf dem für einen Überfall günstigen Similaunpass lauerten Wegelagerer seiner Gruppe auf und griffen sie an. Sie wurden abgewehrt, aber Ötzi wurde von einem Pfeil in die linke Schulter tödlich getroffen und an Ort und Stelle beigesetzt.

Die Gletschermumie wird Mitte Oktober im Mittelpunkt eines wissenschaftlichen Kongresses stehen. Der 2. Bozner Mumienkongress wird unter dem Titel "Mummies from the Ice" vom 20. bis zum 22. Oktober in der Südtiroler Landeshauptstadt über die Bühne gehen. Dabei sollen Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte rund um den Eismann, sein Leben sowie seine Todesumstände präsentiert werden.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt