Nach Rücktritt

Guttenberg: Ohne Doktortitel in Top-US-Denkfabrik

Ausland
29.09.2011 17:36
Er hat zwar keinen Doktortitel mehr, aber für eine Denkfabrik reicht offenbar sein Renommee als ehemaliger deutscher Verteidigungsminister. Nach länger andauernden Spekulationen hat sich nun bestätigt, dass der wegen eines Plagiatsskandals zurückgetretene Karl-Theodor zu Guttenberg in den USA eine neue Aufgabe gefunden hat: Der frühere Spitzenpolitiker der CSU wird sich in Washington in leitender Funktion dem politischen Forschungszentrum Center for Strategic and International Studies (CSIS) - einem renommierten Think Tank - anschließen.

Zu Jahresbeginn vermuteten noch viele, dass in diesem Herbst dem damaligen Senkrechtstarter der deutschen Politik ein weiterer Aufstieg gelingen könnte. Übernächstes Wochenende steht turnusmäßig die Wahl zum CSU-Chef bevor, und manch einer sah eine Kampfkandidatur zwischen Guttenberg und dem derzeitigen Amtsinhaber Horst Seehofer kommen - mit Guttenberg als Sieger. Viele sahen in ihm auch den nächsten Kanzlerkandidaten der Union. Doch dann lasen sich zwei Juristen die Dissertation des Dr. jur. genauer durch und entlarvten ihn als Täuscher - zwei Wochen später zog sich Guttenberg aus der Politik zurück.

Doch damit ist die Geschichte vom beispiellosen Aufstieg eines nicht einmal 40-Jährigen zum beliebtesten deutschen Politiker und dem folgenden tiefen Fall noch nicht zu Ende. Guttenberg wird in seiner Funktion in Washington an der Spitze eines neuen transatlantischen Dialogforums stehen. Dabei soll es insbesondere darum gehen, Antworten auf die weltweiten Machtverschiebungen zu finden. Das zu den renommiertesten Think Tanks gehörende CSIS begründete die Berufung mit Guttenbergs Leistungen als Verteidigungsminister bei der Bundeswehrreform sowie mit seinem langjährigen Einsatz für die transatlantischen Beziehungen.

Täuscher als "Distinguished Statesman" gepriesen
Als "Distinguished Statesman", je nach Übersetzung "angesehener" oder "herausragender" Staatsmann, wird Guttenberg von dem politisch in der Mitte orientierten CSIS beschäftigt. Er ist nach dem ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak der zweite "Distinguished Statesman", den das Institut beruft. Für das CSIS, in dem der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger im Kuratorium sitzt, ist Guttenberg ein alter Bekannter. Drei Wochen nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister hielt er dort im November 2009 eine Rede zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen. Bei der Begrüßung zeigte sich CSIS-Chef John Hamre damals in launischen Worten über das große Interesse an dem deutschen Gast verwundert - normalerweise würden die Zuhörer dort nach dem vorhergehenden Essen zum Einschlafen neigen.

Nun preist Hamre in einem Brief "Karl-Theodors Energie, Enthusiasmus und tiefe Hingabe zur transatlantischen Partnerschaft" als Gründe für die Berufung. Geld verdienen wird Guttenberg nicht - aber er erhält Zutritt zu einem Netzwerk von unschätzbarem Wert. In den USA sind Think Tanks weit verbreitet und hoch angesehen - gerade die großen Denkfabriken bestimmen die politische Agenda mit.

Think Tanks als beliebte "Parkplätze" für Politiker
Und es sind auch beliebte "Parkplätze" für Politiker und politische Berater: Während in Deutschland die Parteien oder deren Stiftungen Politiker nach einer verlorenen Wahl mit Jobs versorgten, seien es in den USA die Think Tanks, sagt der Berliner Forscher Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dabei gebe es in den USA immer auch die Möglichkeit zur Rückkehr auf politische Positionen.

Guttenberg ist indes nicht der erste bekannte deutsche Politiker, der in die USA ging. Nach einer Affäre um Flugmeilen war der Grüne Cem Özdemir beim "German Marshall Fund of the US" untergekommen, einer bei Weitem nicht so renommierten Denkfabrik wie das CSIS. Ein Jahr später zog Özdemir ins Europaparlament ein, heute ist er Grünen-Chef.

Ermittlungen wegen Plagiatsaffäre gehen weiter
Guttenberg war am 1. März wegen der Plagiatsaffäre um nicht gekennzeichnete Zitate in seiner Doktorarbeit von seinem Amt als deutscher Verteidigungsminister zurückgetreten. Im Sommer zog die Familie in die USA um.

Ob Guttenberg, gegen den in Hof noch immer Ermittlungen wegen des Verdachts auf Urheberrechtsverletzungen laufen, ebenfalls in die Politik zurück will, ist allerdings ungewiss. Bis heute meidet er jedes öffentliche Wort, weshalb eine sechs Monate alte Botschaft an seine Facebook-Freunde seine jüngste öffentliche Äußerung ist: "Wir werden voneinander hören und ich werde mich melden", hieß es da. Danach kam nichts mehr. Nach vielen Gerüchten rund um den USA-Umzug ist jetzt immerhin klar, was er dort machen will.

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