Ein Jahr Krieg

Wien – Moskau: Wie die Brücken zu Bruch gingen

Politik
04.02.2023 11:54

Lange Zeit galten die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland als rosig - bis 2020, danach verschlechterten sie sich rapide. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist der Tiefpunkt erreicht - mit ein paar Episoden, die in Erinnerung geblieben sind. Etwa der Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beim russischen Präsidenten Wladimir Putin eineinhalb Monate nach Kriegsausbruch …

Österreich war in der Vergangenheit immer um gute Beziehungen zu Russland bemüht. 2014 und damit unmittelbar nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der ukrainischen Krim-Halbinsel wurde Putin in Österreich empfangen, was für einige Kritik sorgte.

„Man weiß, dass Putin die Europäische Union spalten will“, beklagte der damalige schwedische Außenminister Carl Bildt. 2018, als die Mehrheit der EU-Staaten als Reaktion auf den Giftanschlag gegen den Doppelagenten Sergej Skripal russische Diplomaten auswies, zog Österreich nicht mit.

Putin Ehrengast bei Kneissl-Hochzeit
Allein im Jahr 2018 gab es vier Treffen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Putin. Der Kreml-Chef zeigte sich im Herbst 2018 erfreut: „Intensive Kontakte auf höchster politischer Ebene schaffen zweifellos die notwendige Atmosphäre für eine beidseitige Entwicklung der bilateralen Beziehungen.“

Beim Besuch Putins im Juni 2018 in Wien erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, „keine grundsätzliche Vertrauenskrise“ zwischen der EU und Russland zu sehen, was für Aufsehen sorgte. Am aufsehenerregendsten war aber die Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) im Sommer 2018, an der Putin als Ehrengast teilnahm. Das Bild vom Tanz Putins mit der Braut ging um die Welt.

Nord Stream 2
Doch nicht nur politisch, auch wirtschaftlich waren die Beziehungen jahrzehntelang gut. Wichtigstes Importgut war und ist Gas, das schon seit mehr als 50 Jahren aus Russland nach Österreich fließt. Die Energiekonzerne Gazprom und OMV kooperierten bei der geplanten Gaspipeline Nord Stream 2, die Gas aus Russland über die Ostsee nach Europa bringen sollte. Das Projekt wurde mit dem Krieg gestoppt.

Österreich gehört zu jenen Ländern, die sich gegen ein Gas-Embargo als Reaktion auf den Angriff gegen die Ukraine stellten. Mittlerweile konnte Österreich seine Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren. Im November machte russisches Gas rund 41 Prozent aller Gasimporte nach Österreich aus. Im Februar 2022 waren noch 79 Prozent des importierten Gases aus Russland gekommen.

Österreichische Unternehmen weiterhin in Russland tätig
Österreichische Unternehmen sind weiterhin in Russland tätig. Nur wenige folgten dem Ruf der Ukraine, sich aus Russland zurückzuziehen. Fast ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion sind laut Recherchen der Kyiv School of Economics zwei Drittel der Unternehmen aus Österreich weiterhin in Russland aktiv und wollen auch bleiben. Heimische Betriebe sind Russland gegenüber somit deutlich loyaler als Unternehmen aus anderen Ländern. Besonders die weitere Präsenz der Raiffeisen Bank International (RBI) in Russland sorgt für Kritik. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete es als inakzeptabel, dass die RBI russischen Soldaten Kreditstundungen gewähre.

Vertrauen bröckelte wegen Spion
Das Vertrauen zwischen Wien und Moskau hat Ende 2018 zu bröckeln begonnen: Im November 2018 wurde ein ehemaliger Bundesheeroffizier als langjähriger Russland-Spion enttarnt. Die damals eilig einberufene Pressekonferenz von Ex-Kanzler Kurz und Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) sowie die Absage einer Russland-Reise durch Außenministerin Kneissl gefielen Moskau nicht. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf Österreich „Megafon-Diplomatie“ vor.

Österreichs Protest gegen Angriffskrieg
Österreich spart insbesondere seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 nicht mit Kritik an Moskau. Aus Protest gegen das russische Verhalten im Angriffskrieg wurde der russische Botschafter Dmitri Ljubinski und die bei den internationalen Organisationen in Wien akkreditierten Ständigen Vertreter Russlands neunmal ins Wiener Außenministerium zitiert - zuletzt diese Woche am Mittwoch.

Dabei wurde die Ausweisung von vier russischen Diplomaten wegen mutmaßlicher Spionage angekündigt, wie am Donnerstag bekannt wurde. Bereits im vergangenen Jahr waren vier in Wien stationierte russische Diplomaten des Landes verwiesen worden. Moskau reagierte seinerseits mit der Ausweisung von vier Österreichern.

An Waffenlieferungen an die Ukraine beteiligt sich das neutrale Österreich im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern nicht. Österreich hilft der Ukraine humanitär, schickt Helme, Stromaggregate und Einsatzfahrzeuge in das kriegsgebeutelte Land. Österreich helfe im Kampf gegen den russischen Terror, lobte Selenskyj am Mittwoch nach einem Besuch Van der Bellens in der Ukraine.

Ukraine kritisiert Schallenberg
Weniger gefallen der Ukraine Aussagen wie etwa von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der dafür plädiert hatte, gegenüber Moskau „Augenmaß“ zu wahren. „Wir dürfen nicht über das Ziel hinausschießen, indem wir zum Beispiel ein Visaverbot für 144 Millionen Russen einführen. Denn Russland wird immer Teil der europäischen Geschichte und Kultur bleiben“, hatte Schallenberg unlängst in Paris erklärt. Derartige Aussagen „stärken das Gefühl der Straflosigkeit des Kremls und werden ausschließlich als Einladung wahrgenommen, den Völkermord an der Ukraine fortzusetzen“, kritisierte daraufhin das ukrainische Außenministerium.

Kritik an Österreich gibt es aktuell auch, weil mehrere Russen, die mit EU-Sanktionen belegt sind, zur Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien einreisen sollen. Schallenberg sieht sich jedoch aufgrund eines Abkommens mit der OSZE rechtlich nicht in der Lage, der russischen Delegation die Einreise zu verweigern.

Er selbst hatte die Ausladung Russlands von einem OSZE-Treffen in Polen kritisiert. „Wenn man Brücken fahrlässig zu Bruch gehen lässt, wird man es irgendwann bedauern“, meinte Schallenberg am Donnerstag. Brisant ist die OSZE-Tagung in Wien auch, weil sie genau am Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine stattfindet: am 23. und 24. Februar.

Österreich als Vermittler
Österreich versuchte auch zu vermitteln. So reiste Nehammer unmittelbar nach einem Kiew-Besuch bei Selensykj im April 2022 zu Putin nach Moskau.

Unverständnis für Nehammers Initiative gab es im In- und Ausland wie aus den baltischen Staaten und aus Polen. Ein Selenskyj-Berater bezweifelte, dass die Visite notwendig war. „Denn sie zeigt aus russischer Sicht, dass Putin nach wie vor internationalen Respekt genießt“, sagte der ukrainische Wirtschaftsberater Alexander Rodnyansky.

Nehammer selbst erklärte: Es war „kein Freundschaftsbesuch“. Seine Botschaft sei gewesen, dass der Krieg enden müsse, und Putin habe zugesagt, „dass die Gasversorgung gesichert ist“. Wenig später drosselte Gazprom allerdings die Gaslieferungen.

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