Wiens ÖVP-Chef Mahrer:

„Nicht in Ordnung, wie Sachslehner Partei angriff“

Politik
17.09.2022 06:00

Richtungsstreitereien, die Causa Sachslehner, Zwist mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer. Was ist da los bei der Wiener ÖVP? Parteichef Karl Mahrer im „Krone“-Interview - über „Spaltungsfantasien“, den Klimabonus für Asylwerber, die Wien Energie, über die Frage, ob gesunde Langzeitarbeitslose zu Jobs gezwungen werden sollten und wie der Hausverstand Energie spart. Und: Ein Kaffee ist kein Verbrechen.

„Krone“: Von Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck ist der Satz überliefert: „Mir ist es egal, wer unter mir Wiener ÖVP-Chef ist.“ Herr Mahrer, ist es wurscht, wer Ihren Job macht?
Karl Mahrer: Ich bin der Obmann der Volkspartei in Wien, und Walter Ruck hat ein Problem, denn er hat einen Balanceakt zu meistern. Er ist einerseits Wirtschaftskammerpräsident in Wien, da muss er mit dem Bürgermeister gut auskommen. Aber er ist auch Wirtschaftsbundobmann in der ÖVP, und nur weil er das ist, erhält er das Mandat, um überhaupt Kammerpräsident sein zu können. Ich akzeptiere das, aber ich fordere auch seine Loyalität in der ÖVP ein. Die Gespräche, die ich zuletzt mit ihm geführt habe, lassen mich nicht mehr daran zweifeln.

Nun kam es vor Kurzem zu einer bemerkenswerten Situation. Während die Wiener ÖVP die Hilfszahlungen des Bürgermeisters an die Wien Energie ablehnt, wird Michael Ludwig von Ruck darin unterstützt. Beim Finanzausschuss zu diesem Thema blieben zwei Abgeordnete, die auch Funktionen in der Wirtschaftskammer ausüben, der Abstimmung gegen Ludwig aufgrund ihrer Loyalität zu Ruck und der fehlenden zu Ihnen fern. Ein klarer Affront gegen Sie. Welche Konsequenzen hat dieser Vorfall?
In der Dynamik der Ereignisse hat es das eine oder andere Kommunikationsmissverständnis gegeben. Die Konsequenzen sind Gespräche, die jetzt geführt werden. Und ich kann Ihnen zusichern, dass alle Abgeordneten der ÖVP in Wien gemeinsam das Ziel verfolgen, und das ist die Einsetzung der Untersuchungskommission und eine umfassende Aufklärung des aus meiner Sicht größten SPÖ-Finanzskandals in der Geschichte Wiens rund um die Wien Energie.

Dann wäre da noch die Causa Sachslehner. Nach ihrer schonungslosen Kritik an der eigenen Partei und somit am Bundeskanzler haben sich mehrere Personen Ihrer Partei auf die Seite der ehemaligen Generalsekretärin geschlagen. Sie hingegen fallen durch besondere Karl-Nehammer-Treue und mit Lob für die Bundesregierung auf. Spaltet sich die Partei?
Wenn Sie Spaltungsfantasien entwickeln, ist das Ihre Sache. Die Art und Weise, wie Laura Sachslehner die Bundespolitik und ihr Amt als Generalsekretärin verlassen und die Volkspartei angegriffen hat, ist nicht in Ordnung. Ich habe am Montag im Gespräch mit Laura Sachslehner einerseits mein Missfallen über die Art und Weise ihres Ausstiegs deutlich gemacht, und andererseits haben wir auch festgestellt, dass wir eine einstimmige Haltung zu den Werten der Partei haben.

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Ich bin mit der Lösung Klimabonus für Asylwerber nicht glücklich, aber ich bin auch Pakt-treu.

Karl Mahrer

Sind Sie für oder gegen den Klimabonus für Asylwerber?
Also ich bin mit der Lösung Klimabonus für Asylwerber nicht glücklich, aber ich bin auch Pakt-treu.

Wieso sind Sie damit nicht glücklich?
Weil es für viele Menschen bedeutet, dass da Personen, die in Österreich noch nichts beigetragen haben zum Sozialsystem, eine Leistung erhalten, die in der Zwischenzeit auch von der Summe, von den Beträgen her wesentlich höher ist, als das ursprünglich vereinbart war.

Tausende Tote erhalten den Bonus. Was ist aktuell deren Leistung?
Ich glaube, es ist wichtig für die Menschen, die jetzt das Geld brauchen, dass die Abwicklung unbürokratisch ist. Das Gegenteil zur schnellen Lösung wäre ein mit Juristen über Monate ausgearbeiteter Auszahlungsmodus. Ich glaube, das würde den Menschen berechtigterweise auch nicht gefallen.

Kommen wir zur Causa Wien Energie. Was hätten Sie als Bürgermeister anders gemacht?
Das Wesentliche ist, dass von vornherein Transparenz innerhalb der Koalition, Transparenz zur Opposition und auch Transparenz zur Bundesregierung als wesentliches Stilmittel hätte eingesetzt werden müssen. Im Gegensatz dazu hat man am SPÖ-System „Wir sind wir“ festgehalten. Ich bin überzeugt, die Menschen spüren, dass die SPÖ abgehoben reagiert und längst weg ist von den Menschen.

Keine Gespräche mit der Opposition, keine Gespräche mit anderen Regierungen. Ist diese von Ihnen zitierte Abgehobenheit nicht genau das System Sebastian Kurz?
Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Wir sprechen hier von einem Risiko bis zu zehn Milliarden Euro. Diese Verantwortung hat die SPÖ, und im Übrigen hat sie auch der Koalitionspartner NEOS, die einfach nur ein Anhängsel der SPÖ-Alleinregierung sind. Ich bin zuversichtlich, dass mit den inzwischen eingeleiteten Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Wahrheit ans Licht kommt.

Ein Ermittlungsverfahren ist kein Urteil. Das müssten Sie wissen. Denn die WKStA ermittelt in der Causa Wienwert auch gegen Sie als Beschuldigten. Es soll um Zahlungen an Ihre Frau ohne Gegenwert und „Karls Honorar“ gehen.
Der aktuelle Stand ist, dass ich vor einigen Monaten bereits umfassend meine Sicht der Dinge dargelegt und die haltlosen Vorwürfe entkräftet habe. Aber ich bitte auch um Verständnis, dass ich aus Respekt vor der Justiz vor dem Abschluss der Arbeiten keinen weiteren Kommentar abgebe.

Kaum ist die Causa Wien Energie öffentlich bekannt geworden, wurden neue Chats gegen das türkise System geleakt. Ganz allgemein gefragt: Glauben Sie an Zufälle?
Ich habe mir den Glauben an Zufälle in den letzten Jahren abgewöhnt. Letztlich kommt die Wahrheit immer ans Tageslicht.

Kommen wir zu anderen Themen. Wo in der Stadt fühlen Sie sich nicht mehr sicher?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Viele Wienerinnen und Wiener berichten mir von Unsicherheitszonen zum Beispiel in Favoriten rund um den Quellenplatz, um den Keplerplatz, um die Favoritenstraße. Einige habe ich mir auch selbst angeschaut, etwa im Bereich der U6-Station Josefstädter Straße, aber auch der Station Gumpendorfer Straße im Zusammenhang mit dem dortigen Tageszentrum Jedmayer.

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Letztlich werden wir uns überlegen müssen, Sozialleistungen auch an gewisse Arbeitsleistungen zu binden, wenn diese Menschen gesundheitlich dazu in der Lage sind.

Karl Mahrer

Sollen Langzeitarbeitslose, die nicht arbeiten wollen, aber gesundheitlich dazu in der Lage wären, zu gewissen Arbeiten verpflichtet werden, gerade jetzt in Zeiten des Personalmangels?
Warten wir die Arbeitsmarktreform von Minister Martin Kocher ab. Letztlich werden wir uns aber überlegen müssen, Sozialleistungen auch an gewisse Arbeitsleistungen zu binden, wenn diese Menschen gesundheitlich dazu in der Lage sind.

Wo sparen Sie Energie ein?
Ich spare schon lange Energie ein, indem ich einfach aufpasse, was ich in meinem Haushalt tue. Zum Beispiel, wenn ich sehe, dass Licht in einem Zimmer brennt, obwohl ich nicht drinnen bin. Ich glaube, mit Hausverstand kann man auch vieles zum Energiesparen beitragen.

Zum Abschluss: Ist es wahr, dass Sie mit Finanzstadtrat Peter Hanke von der SPÖ kurz vor Auffliegen der Wien-Energie-Causa in Jesolo auf Urlaub waren?
Nein, wir haben nur einen Kaffee getrunken. Es treffen sich viele Menschen in Jesolo. Im Übrigen war FPÖ-Chef Dominik Nepp auch in Jesolo, nur habe ich das leider zu spät erfahren.

Sie haben Hanke also zufällig in Jesolo getroffen und das, obwohl Sie nicht an Zufälle glauben?
Ich glaube, es muss ausreichen, wenn ich sage, dass ich mich mit einer Person auf einen Kaffee getroffen hab. Das ist kein Verbrechen.

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