Ungeeigneter WM-Ort

Fehlende Infrastruktur und unverschämte Preise!

Sport-Mix
14.07.2022 09:17

Eugene, wo vom 15. bis 24. Juli die 18. Leichtathletik-Weltmeisterschaften steigen, ist eine verschlafene, 180.000 Einwohner zählende US-Kleinstadt. Allein 20.000 davon sind Studenten der University of Oregon. Nur diese Schüler bringen Leben in die Stadt. Im Herzen des Uni-Geländes liegt das schmucke, eigens für diese WM komplett neu erbaute „Hayward Field“. Die Arena ist wunderschön, das Städtchen ganz lieb. Aber alles zusammen ist Eugene vollkommen ungeeignet für eine Leichtathletik-WM…

Grund: Eugene selbst hat nicht die Infrastruktur für eine Mammutveranstaltung dieser Größenordnung. Es fehlt vor allem an Hotels. Alle Athleten sind auf dem Campus in den Studentenheimen mit seinen äußerst kargen Zimmern untergebracht, Toiletten und Duschen auf dem Gang. Manchen Sportlern macht das nichts aus, andere sind sauer, weil sie von den großen Meetings Fünf-Sterne-Hotels gewohnt sind. Der einzige Vorteil ist, dass die Athleten in unmittelbarer Nähe, in ein paar Gehminuten vom Stadion untergebracht sind. Funktionäre haben sich noch die besten Hotels unter den Nagel gerissen. Fans aber müssen bis auf 150 Kilometer entfernte Unterkünfte zurückgreifen. Und das zu maßlos überteuerten Preisen. 400 bis 500 Dollar pro Nacht waren häufig gefragt.

Über die unverschämt hohen Unkosten stöhnten auch die Medien. Wirklich gute Hotels waren für sie für circa 300 bis 400 Dollar zu bekommen. Und das in einer Zweit, wo viele Verlage kein Geld für Auslandsreisen mehr haben. Viele Kollegen haben deshalb von Beginn auf diese WM verzichtet. Bis hinauf an die Spitze. Selbst Gianni Merlo, Präsident der AIPS, der weltweiten Vereinigung der Sportjournalisten, hatte frühzeitig abgesagt, auch wegen der Auflage eines in manchen Ländern nur schwer zu erhaltene Journalisten-Visums. US-Reporter, die in San Francisco, also in relativer Nähe zu Eugene, leben, wollten von Anfang nichts von Eugene als WM-Ausrichter wissen und meiden Eugene jetzt zwei Wochen lang großräumig. Böse Zungen behaupten gar etwas überspitzt, der Veranstalter sei froh über jeden Journalisten, der abgesagt hat. Denn es gibt im Stadion und in der Stadt einfach zu wenig Platz. Zu wenig Platz für alles und alle.

Hier ein paar Eindrücke aus Eugene:

Der Mini-Flughafen von Eugene allein konnte die WM-Familie (allein 1900 Athleten) natürlich auch nicht verkraften. Portland, rund 180 km entfernt, war deshalb für viele Gäste die erste Zieladresse.

Dass Eugene dennoch den Zuschlag als Ausrichter erhalten hatte, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder auf mögliche Korruption zurückgeführt. Was gar nicht abwegig ist, schließlich wurde Eugene auserkoren unter dem früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack, der erwiesenermaßen in unzählige Skandale und Bestechungen verwickelt war. Eugene verdankt zudem seinen Ruhm als „Track Town“ dem legendären Bill Bowerman, Trainer und Co-Gründer von „Nike“. Der Neubau von „Hayward Field“ wurde fast komplett von „Nike“ übernommen. Die Arena als Grundlage für die erstmalige Austragung einer Freiluft-WM der Leichtathletik in den USA.

Bisher hatte Eugene zwar regelmäßig das nach dem legendären Läufer Steve Prefontaine benannte Diamond League-Meeting ausgetragen. „Nike“ half auch, zahlreiche US-Trials und die U20-WM 2014 nach Eugene zu holen. Ein-Tages-Meetings wie die Diamond League passen gut nach Track Town. Aber diese WM ist eine Nummer zu groß.

Die Fans in der weiten Leichtathletik-Feld werden die Probleme nicht oder nur geringfügig mitbekommen. Die TV-Übertragungen werden bei angekündigtem Kaiserwetter traumhafte Bilder von wohl herausragenden Leistungen ins Haus liefern. All das wird der Weltverband dann als großen Erfolg verkaufen. Dabei hatte die IAAF vor einem Jahrzehnt die Weltmeisterschaften nur noch in Weltstädte wie Tokio, Paris, Berlin oder London vergeben wollen. Verglichen mit New York oder Los Angeles findet die WM jetzt auf dem Land statt.

Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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(Bild: KMM)



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