Für nächste Pandemie

Covid-Bilanz: „DIE Lehre ist, vorbereitet zu sein“

Politik
01.05.2022 12:57

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie hat die „Krone“ 18 verschiedene Fachleute befragt, was Österreich bisher aus der Krisenzeit lernen kann. Der Tenor war trotz der Vielfältigkeit der Teilnehmer - vom Minister bis zur Hotelleriefachfrau - klar: Die Krise lehrte uns ein geeintes Auftreten, dass Föderalismus nicht immer das Wahre ist und dass wir für das nächste Mal besser vorbereitet sein müssen.

1. Gesundheitsminister Johannes Rauch: „Corona hat gezeigt, dass wir aktuelle Krisen nur gemeinsam bewältigen können. Ob in der Pandemie, im Krieg oder in der Klimakrise: Stark sind wir dann, wenn wir als ein geschlossenes und geeintes Europa auftreten - weltoffen und zukunftsorientiert. Wenn wir auf die Wissenschaft hören, mit einer Stimme nach außen sprechen und eine friedliche und nachhaltige Zukunft als gemeinsames Ziel haben. Diese Einstellung müssen wir uns bewahren.“

2. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier: „Eines sollten Politiker gelernt haben: Ein Zickzackkurs in der Krisenkommunikation und sich selbst dauernd zu widersprechen, geht furchtbar schief. Leider ist genau das passiert und hat einen Vertrauensverlust der Politik bewirkt: vom Versuch, uns Angst zu machen, über das allzu lange nicht darüber Reden, dass die nächste Welle droht, bis zur falschen Erklärung, wir hätten die Pandemie gemeistert. Ja, der frühere Gesundheitsminister und ein Landeshauptmann waren sich ja in zeitgleichen (!) Pressegesprächen im letzten Herbst nicht einmal einig, ob es einen Lockdown gibt und wenn ja, für wen. Was immer also die besten Maßnahmen gegen künftige Virusvarianten sind, es braucht parallel dazu eine einheitliche und in sich logische Regierungskommunikation.“

3. Epidemiologe Gerald Gartlehner: „Österreich hatte im Vergleich zu anderen EU-Ländern relativ strenge Maßnahmen. Es steht aber trotzdem nicht besonders gut da, wenn man den Rückgang der Lebenserwartung in der Pandemie und die Übersterblichkeit betrachtet. Das sollte uns zu denken geben und sollte wissenschaftlich aufgearbeitet werden, nur dann kann man wirklich Lehren daraus ziehen.“

4. Virologin Monika Redlberger-Fritz: „Die Wissenschaft hat es vorgemacht: Nur gemeinsam ist man stark. Wissenschaftler haben sich in kürzester Zeit international vernetzt und neue Erkenntnisse wurden ohne Zeitverzögerung sofort geteilt, sodass andere auf diesem Wissen aufbauen konnten. Es war nicht die Zeit von Einzelgängern, sondern von Zusammenarbeit. Noch niemals in der Geschichte der Menschheit wurde so schnell so viel über einen neuen Krankheitserreger gelernt und das Gelernte auch angewandt.“

5. Umweltmediziner Hans Peter Hutter hat für die „Krone“ mit einem Schuss Ironie gleich „sieben glorreiche Lehren“ gezogen: Welche das sind, lesen Sie hier:

6. Virologe Andreas Bergthaler: „Die wichtigste Lehre scheint mir, dass so eine Krise nur gemeinsam zu bewältigen ist. Das betrifft in meinem Bereich der Wissenschaft die intensive Zusammenarbeit über die Grenzen verschiedenster Fachgebiete. Das betrifft den solidarischen Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung und eine wertschätzende Kommunikation zwischen Personen mit unterschiedlichen Ansichten. Und das betrifft nicht zuletzt auch die Politik, die versuchen sollte, klare und nachvollziehbare Ziele zu kommunizieren, um das Vertrauen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Diese Lehre ist nicht spezifisch für Corona, sondern lässt sich auch auf zukünftige Krisen anwenden.“

7. Komplexitätsforscher Peter Klimek: „Für mich besteht die wichtigste Lehre darin, dass die Pandemie klargemacht hat, wie wichtig Wissenschaft und insbesondere die Grundlagenforschung ist, um damit globale wie lokale Krisen lösen zu können. In Österreich haben wir dazu gesehen, dass hier mehr getan werden muss - und zwar von vielen Seiten: Forschern, Politik, Medien ... - um den Wert von Wissenschaft in der Bevölkerung klarer darzustellen. Und damit Wissenschaft gut funktionieren und nützliche Ergebnisse liefern kann, braucht sie qualitativ hochwertige Daten. Dass in der sinnvollen Datennutzung in Österreich Nachholbedarf besteht, wurde dabei auch mehr als deutlich.“

8. Pharmakologe Markus Zeitlinger, EMA-Experte: „Es gibt ein paar Lehren. Menschlich: Die Pandemie hat viele Menschen demaskiert und die Charakterzüge extrem stark hervortreten lassen. Das betrifft Stärken und Schwächen gleichermaßen. Kommunikativ: Die (sozialen) Medien haben auch in Österreich enormen Einfluss und damit auch Verantwortung. Leider sucht sich jeder das raus, was sie oder er hören will. Gesellschaftlich und politisch: Wir lernen rasch, nur vergessen wir noch schneller. Wir müssen für die nächste Pandemie medizinisch, logistisch und politisch besser vorbereitet sein, sie kommt bestimmt.“

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Die Pandemie hat viele Menschen demaskiert und die Charakterzüge extrem stark hervortreten lassen.

Markus Zeitlinger

9. ÄK-Präsident Thomas Szekeres: „Zentrale Lehre ist, dass der Föderalismus, der in vielen Aspekten sicher seine Berechtigung hat, in einer derartigen Krisenlage ein großes Hindernis ist. Kein Mensch konnte und kann verstehen, warum neun verschiedene Impf- und Teststrategien oder Maßnahmenkataloge notwendig sind. Zur effizienteren Antwort auf künftige Pandemiesituationen brauchen wir eine Zentralisierung bei Steuerung und Entscheidung über die Maßnahmen. Auch bereits bestehende Kompetenzen, etwa im Gesundheitsministerium, müssen besser genutzt werden. Zudem hätte man von Beginn an stärker auf wissenschaftliche Expertise setzen müssen, um die Maßnahmen klar, ehrlich und transparent argumentieren zu können. Das hätte sicherlich zu größerem Verständnis in der Bevölkerung geführt.“

10. Walter Hasibeder, Präsident Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation & Intensivmedizin: „Wir haben viel gelernt über Schwächen unseres Gesundheitssystems - und Stärken, z.B. was Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen in der Lage waren zu leisten. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig und hilfreich die gute Ausstattung mit intensivmedizinischen Ressourcen ist. Und sie lehrt uns, dass wir alles tun müssen, um ausreichend ärztliches und Pflegepersonal im Fachbereich Anästhesie und Intensivmedizin sicherzustellen.“

11. WKÖ-Hotellerie-Obfrau Susanne Kraus-Winkler: „Die Folgen der Corona-Ausnahmejahre sind noch lange nicht überwunden, da ist die Branche durch den Krieg und die Inflation mit neuen, großen Herausforderungen konfrontiert. Viele der direkten und indirekten Auswirkungen können wir heute noch gar nicht einschätzen. Fest steht: Wir befinden uns am Beginn eines Strukturwandels. Herkunftsmärkte von vor 2019 verändern sich gerade. Businessreisen dauern länger, Aufenthalte werden immer kurzfristiger gebucht, die Kombination aus Arbeit und Freizeit verändert die Gästeansprüche.“

12. WKÖ-Gastro-Obmann Mario Pulker: „Die Gastronomie zählte zweifellos zu den von der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen. Als größtes Problem herausgestellt hat sich dabei die mangelnde Planungssicherheit durch die sich ständig ändernden Maßnahmen, die oft überfallsartig verkündet wurden. Hier hätten wir uns seitens der Politik mehr vorausschauendes Handeln und Besonnenheit gewünscht.“

13. WKÖ-Reisebüro-Obmann Gregor Kadanka: „Durch die Beschränkungen der Reisefreiheit und Hotelschließungen war die Reisebranche lange Zeit mit einer Art Berufsverbot konfrontiert. Erschwert wurde die Situation durch die oft überfallsartig verhängten und nicht abgestimmten Maßnahmen und Einreiseregelungen in den einzelnen Ländern. Die Folge war ein europäischer Fleckerlteppich an Maßnahmen. Hier hat uns die Krise vor Augen geführt, dass globale Probleme am besten gemeinsam im europäischen/internationalen Gleichklang bewältigt werden können.“

14. Silvia Hruska-Frank, Bereichsleiterin Soziales in der Arbeiterkammer: „In der Corona-Krise hat unser Sozialstaat gezeigt, was er kann - aber auch, wo wir ihn verbessern müssen. Für die AK sind Stärkung und Ausbau des Sozialstaates in vielen Bereichen unerlässlich. Die Bundesregierung hat viele Bereiche viel zu lang vernachlässigt. Wir brauchen dringend mehr Personal und Geld in der Gesundheit und Pflege, in den Kindergärten, in den Schulen, im Kampf gegen die Klimakrise - und wir müssen die Not, die durch die Teuerung entsteht, lindern.“

15. Elisabeth Potzmann, Präsidentin Gesundheits- und Krankenpflegeverband: „DIE Lehre aus der Pandemie ist, vorbereitet zu sein. Das waren wir nicht. Deshalb war und ist die Bewältigung der Pandemie, ganz besonders für die professionelle Pflege, eine enorme Kraftanstrengung. Das darf uns nicht noch mal passieren! Deshalb wünschen wir uns so dringend die Pflegereform.“

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DIE Lehre aus der Pandemie ist, vorbereitet zu sein. Das waren wir nicht. Das darf uns nicht noch mal passieren!

Die Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes

16. Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack: „Die Abschaffung von Armut. Armut ist in der Pandemie ein doppelter Risikofaktor: Zum einen können sich arme Menschen aufgrund ihrer Lebensumstände schlechter vor Infektion und Krankheit schützen. Zum anderen haben sie ein größeres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs, weil sie im Durchschnitt häufiger Vorerkrankungen haben. Die Abschaffung von Armut und die Reduktion sozialer Ungleichheiten bringen uns nicht nur besser durch die nächste Gesundheitskrise, sondern stärken uns allgemein als Gesellschaft.“

17. Die Impfabteilungsleiterin im Ministerium, Maria Paulke-Korinek: „Die Pandemie hat gezeigt, wie effektiv Hygiene- und Präventionsmaßnahmen sein können und wie wichtig eine wirksame Impfung ist. Der extreme Rückgang an Fällen auch bei anderen Infektionskrankheiten, wie etwa der Influenza oder Mittelohr- und Lungenentzündungen, war für viele Experten schwer beeindruckend. Ich hoffe daher, dass wir gelernt haben, zukünftig besonders Hygienemaßnahmen und Schutzimpfungen den notwendigen Stellenwert einzuräumen.“

18. Die Direktorin für Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich: „Die Pandemie hat uns gelehrt, wie wichtig eine gut funktionierende öffentliche Gesundheitsversorgung und der Öffentliche Gesundheitsdienst ist. Gerade beim Thema Impfen zeigt sich, dass eine kontinuierliche und verlässliche Wissensbasis, die über Jahre als fester Bestandteil unserer Gesundheitskompetenz entwickelt werden kann, von Vorteil ist. Sie stellt sicher, dass sich alle Menschen in Österreich informiert schützen können, vom Boden- bis zum Neusiedler See. Diese öffentliche Versorgung und den Aufbau unserer Gesundheitskompetenz gilt es in den nächsten Monaten und Jahren zu stärken.“

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