Neuer Rekord droht
Ärmelkanal: Zahl gefährlicher Überfahrten nimmt zu
Die gefährlichen Überfahrten von Migranten über den Ärmelkanal sind ein wichtiges Gesprächsthema beim aktuellen Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Großbritannien. Seit Jahresbeginn haben bereits mehr als 21.000 Einwanderer den Ärmelkanal illegal überquert. Bis Jahresende könnte eine neue Höchstzahl erreicht werden.
In Großbritannien gibt es keine Personalausweise, es besteht keine Ausweis- oder Mitführpflicht. Dies macht es Migranten ohne Bleiberecht leichter, sich in Großbritannien aufzuhalten und dort schwarzzuarbeiten. Frankreich fordert von Großbritannien, schärfer gegen Schwarzarbeit vorzugehen, um die Attraktivität des Landes für Migranten zu senken.
Tatsächlich spielen in vielen Fällen andere Faktoren eine Rolle. Viele Migranten sprechen Englisch und haben bereits Verwandte oder Freunde in Großbritannien.
Überfahrt auf Lkw wird immer schwieriger
Bis 2018 hatten sich Migranten in erster Linie in Lastwagen versteckt, die auf Güterzüge verladen werden und so den Eurotunnel durchqueren. Seitdem Frankreich die Zufahrt zum Eurotunnel immer weiter abgesichert und die Lkw-Kontrollen verschärft hat, haben die Schlepper das Geschäft mit den Schlauchbooten ausgebaut.
Rettungsweste kostet extra
Das Geschäft mit den Überfahrten ist in der Hand international organisierter Schlepperbanden. Sie besorgen Schlauchboote, die für höchstens zehn Passagiere gedacht sind, und verkaufen Plätze für 50 bis 60 Menschen. Eine Überfahrt kostet mehrere Tausend Euro. Wer eine Rettungsweste will, zahlt mehr.
Ein Teil der Gruppe sitzt rittlings auf der Bootswand, die übrigen befinden sich in der Mitte. Da die Boote völlig überladen sind, kommt es häufig vor, dass das Boot voll Wasser läuft und kentert oder der Holzboden einbricht. Es kommen auch Menschen ums Leben, weil Panik ausbricht und sie erdrückt werden. Etwa 80 Prozent der Todesfälle geschehen in Küstennähe.
Briten zahlen Frankreich Geld für Maßnahmen
Großbritannien zahlt Frankreich seit dem Sandhurst-Abkommen 2018 Geld dafür, die Zahl der Überfahrten einzudämmen – ohne großen Erfolg. „Wir zahlen den französischen Polizisten ihre Buggys, Geländewagen und Drohnen, und die Migranten kommen trotzdem weiterhin“, kritisierte kürzlich das britische Boulevardblatt „The Sun“.
Faktisch ist es schwierig, ein Boot von der Abfahrt abzuhalten. Grundsätzlich ist es nicht illegal, an der Küste ein Schlauchboot zu besteigen. Sobald das Boot auf dem Wasser ist, dürfen Sicherheitskräfte nach internationalem Seerecht nur eingreifen, wenn es sich in Seenot befindet.
Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau will die Einsatzmöglichkeiten der französischen Sicherheitskräfte ausweiten. Künftig sollen sie bis zu 300 Meter vor der Küste eingreifen und Boote von der Weiterfahrt abhalten können. Kritiker befürchten, dass dies auf Migrantenbooten zu Panik und zu noch mehr Unfällen führen könnte.
Kurz vor Macrons Staatsbesuch zeigte der britische Sender BBC, wie französische Polizisten – in Anwesenheit eines britischen TV-Korrespondenten – ins Wasser waten und ein mit Migranten voll besetztes Schlauchboot aufschlitzen. Es sah sehr nach einer Inszenierung aus, zumal ein britischer Regierungssprecher das Vorgehen der Franzosen ausdrücklich lobte.
Darauf könnten sich Paris und London einigen
Nach Angaben britischer Medien verhandeln die beiden Seiten über ein Abkommen, wonach Frankreich Migranten zurückzunehmen soll, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangen. Im Gegenzug soll Großbritannien dieselbe Anzahl von Migranten aufnehmen, die im Zuge eines Familiennachzugs legal einreisen dürften.
Frankreich fordert, die von Großbritannien zurückgewiesenen Migranten auf mehrere europäische Länder zu verteilen. Ob ein solches Abkommen bereits während des Staatsbesuchs verkündet werden könnte, war zunächst nicht absehbar.
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