Tausende nachgemeldet

Chaos: Wo kommen die vielen „neuen“ Toten her?

Österreich
23.04.2022 15:02

Österreich hat über 3000 Corona-Tote mehr als bisher angenommen. Das zeigen Nachmeldungen nach Datenabgleich einzelner Meldestellen. Über eine zentrale Meldestelle lässt sich aber offenbar streiten.

Und plötzlich waren es 3412 Corona-Todesfälle mehr: kommentarlos nachgemeldet am Dienstag nach einem Datenabgleich der Todesursachenstatistik der Statistik Austria und dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS). Damit stieg die Gesamtzahl der mit bzw. an Corona Verstorbenen am Dienstag auf 19.851. Nicht ohne dass untertags die verschiedensten Zahlen dazu herumgeisterten – etwa weil die Stellen unterschiedliche Monate verglichen hatten.

Das Chaos zog sich die ganze Woche weiter. Immer wieder wurden Corona-Todesfälle „gefunden“, je nach Datenbank unterschieden sich die Zahlen um 2000 Fälle. Differenzen gab es auch zwischen den Zahlen der AGES und dem Datensatz von Innen- und Gesundheitsministerium, der auf den Einmeldungen der Bundesländer basiert. Grund sei, weil erst „sukzessive die Zahlen aus den Bundesländern nachgemeldet werden“, hieß es. Das solle dieser Tage aber dann vollständig erledigt sein. Jedenfalls: Die Gesamtzahl betrug letztlich mehr als 21.000 Todesfälle.

Zu viele Köche verderben den Datenbrei
Aber was ist die Wurzel des Problems? Das ortet Statistiker Erich Neuwirth bei der Dateneingabe und deren Kontrolle. Denn die EMS-Eingabe erfolgt nicht – wie von verschiedenen Seiten gefordert – zentral, sondern von Mitarbeitern der einzelnen Bezirkshauptmannschaften bzw. wird der Vorgang von dort ausgelagert.

Da fällt natürlich viel menschliches Fehlerpotenzial an. Zusätzlich dürften wohl auch nicht alle Stellen immer nach der gleichen Definition eines „Corona-Toten“ eingemeldet haben. So hatten Insider zwar schon immer mehr Fälle angenommen, das hohe Plus überraschte aber doch.

Zitat Icon

Die Datenqualität liegt an der Eingabe und an den Kontrollen der Eingabe. Ohne gute Daten sind gute Analysen schwierig.

Statistiker Erich Neuwirth

Lieber Krankheitsanalyse statt Chaos-Prüfung?
Die Regierung äußerte sich nicht groß zum Chaos. Auf „Krone“-Anfrage hieß es aus dem Gesundheitsministerium, das EMS fungiere ja als zentrale Stelle. Qualitätssicherung bei den Daten sei wichtig, deshalb würden sie abgeglichen. Und dass hinter jedem Verstorbenen ein persönliches Schicksal und trauernde Angehörige stünden: „Daher muss es uns ein Anliegen sein, die Ursachen für schwere Covid-Erkrankungen zu analysieren, um für die Zukunft die richtigen Schlüsse zu ziehen.“

Zitat Icon

Durch den Datenabgleich reduzieren wir Dunkelziffern und bekommen einen besseren Überblick über die Todesursachen.

Gesundheitsministerium

„Lange bekannt, war nur jedem Minister egal“
Die Opposition hat zum Zahlenchaos schon mehr zu sagen: SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sieht darin „vollkommenes Versagen“, es brauche endlich „ein zentrales Krisen- und einheitliches Datenmanagement“. Man mache schon lange darauf aufmerksam, dass sich die Stellen auf unterschiedliche Daten bezögen, sagt auch NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker dem ORF: „Das war dem Ministerium ja bekannt. Es war nur jedem Minister egal.“

Und FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak erklärt in der „ZiB“, entweder gäbe es so viele Tote, dann hätte das Management versagt, oder die Daten seien echt so schlecht, dann könnten sie aber auch nicht als Basis für Entscheidungen dienen.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt