Seniorin erinnert sich

Drogenkranken Sohn damals auf die Straße gesetzt

Tirol
10.04.2022 09:00

Die „Krone“-Berichte über drogenabhängige Jugendliche hat nun eine weitere Tirolerin (78) dazu bewogen, ihre Erlebnisse zu schildern. Auch sie hatte vor mehr als 30 Jahren mit einem suchtkranken Sohn zu kämpfen und schildert, wie sie es schaffte, ihn zu retten.

„Vor allem der Artikel über die Zillertaler Mutter mit ihrem abhängigen Sohn Mitte März hat Erinnerungen in mir hervorgerufen. Denn ich habe mit meinem Kind dasselbe durchgemacht und weiß, wie hilflos man in so einer Lage ist“, schildert die 78-jährige Pensionistin, die anonym bleiben möchte. Das Erlebte liegt zwar mehr als 30 Jahre zurück, doch ihre Erinnerungen daran sind präsenter denn je.

„Mein Sohn begann eine Installateur-Lehre und mit 18 Jahren bestand er auch den Führerschein. Doch dann geriet er auf die schiefe Bahn“, erzählt die Tirolerin. Er sei auf eine Geburtstagsparty eingeladen gewesen, dort dürften in einem seiner alkoholischen Getränke illegale Substanzen gewesen sein, wie seine Mutter vermutet.

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Obwohl er ein begnadeter Fußballer war, trat er plötzlich aus seinem Verein aus. Er wandte sich auch von seinem Freundeskreis ab, fand neue Freunde und kam tagelang nicht nach Hause.

Die betroffene Mutter

„Mein Sohn hatte einen extremen Rausch. Ab diesem Zeitpunkt veränderte er sich komplett. Obwohl er ein begnadeter Fußballer war, trat er plötzlich aus seinem Verein aus. Er wandte sich auch von seinem Freundeskreis ab, fand neue Freunde und kam tagelang nicht nach Hause. Seine Abschlussprüfung absolvierte er nicht. Niemand ist mehr zu ihm durchgedrungen.“

„Er verkaufte Sachen, um an Geld zu kommen“
Dann habe eines Tages zu Hause die Stereoanlage gefehlt. „Ich fand heraus, dass mein Sohn alle Gegenstände verkauft hatte, um an Geld zu kommen. Auch mich bettelte er regelmäßig um Geld an. Ich gab auch nach, da ich die Befürchtung hatte, dass er sonst irgendwo Geld stehlen würde. Doch zurückbekommen habe ich meistens keinen Cent“, sagt die Frau.

Mit Geld der Mutter ins Casino
Es folgte ein einschneidendes Erlebnis: Ihre jüngste Tochter besuchte mit ihrem Bruder ein Nachtlokal. „Mama, du wirst erschrecken, aber jetzt erfährst du, was los ist“, sagte tags darauf die Tochter zu ihr. „Zuhause, wenn dein Sohn Geld benötigt, bist du die ,liebe Mutti’. Doch in der Disco vor den anderen bist du nur ,die Alte’. Zudem geht mein Bruder mit dem Geld, das du ihm leihst, ins Casino. Hör also bitte auf, ihm Geld zu geben, denn den Typen, mit denen er zusammen ist, bist du es nicht.“

Der Pensionistin sei damals bewusst geworden, dass es reiche: „Ich gehe doch nicht hart arbeiten, damit mein Sohn mein Geld im Casino einfach so verspielen kann.“

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Es kam der Punkt, an dem mein Sohn entschieden hatte, freiwillig einen Entzug zu machen.

Die betroffene Mutter

Harte Entscheidung zeigte schließlich auch Wirkung
Die 78-Jährige fasste einen harten Entschluss: Sie setzte ihren Sohn vor die Tür. „Ich habe das Schloss austauschen lassen und habe ihm gesagt, dass er auf eigenen Beinen stehen muss“, betont die Mutter, „das zeigte Wirkung, denn es kam der Punkt, an dem mein Sohn entschieden hatte, freiwillig einen Entzug zu machen. In Summe verbrachte er mehr als ein Jahr in einer Einrichtung. Schließlich hat er geschafft, clean zu werden“, schildert die Seniorin.

Als ihr Sohn 28 Jahre alt war, habe er sich bei seiner Mutter bedankt: „Er meinte, dass das einzig Gute gewesen sei, dass er von zu Hause habe gehen müssen. Denn sonst hätte sich nichts an der damaligen Situation verändert“, erzählt die Tirolerin.

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Ich wurde dazu gezwungen, habe sozusagen in Notwehr gehandelt.

Die betroffene Mutter

„Andere Mütter sind daran zugrunde gegangen“
Es klinge hart, sein eigenes Kind auf die Straße zu setzen. „Doch ich wurde dazu gezwungen, habe sozusagen in Notwehr gehandelt“, verdeutlicht die 78-Jährige und fügt hinzu: „Menschen, die unter Drogeneinfluss stehen, gehen meist bis zum Letzten. Erst kurz bevor sie völlig zusammenbrechen, wissen sie, was sie tun müssen, um sich zu helfen. Da geht ihnen sozusagen ein Lichtlein auf“, berichtet die Frau, „jene Mütter von anderen suchtkranken Kindern in meiner damaligen Umgebung, die ihren Kindern stets geholfen und sie unterstützt haben, sind daran wahrlich zugrunde gegangen und teilweise krank geworden.“

Ihr Sohn, der mittlerweile knapp 60 Jahre alt ist, habe zweimal geheiratet, beruflich Fuß gefasst und gutes Geld verdient. Die Pensionistin selbst unterziehe sich seit Jahren einer Therapie, die ihr helfe, das Erlebte zu verarbeiten. Kontakt haben die zwei keinen mehr: „Mir ist das mittlerweile auch lieber“, betont die Tirolerin.

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