Sohn Drogenabhängig

„Ich rechne jeden Tag mit dem Schlimmsten“

Tirol
13.03.2022 12:00

Es ist bittere Realität: Immer wieder kommen Kinder und Jugendliche in Tirol mit Drogen in Berührung und geraten in eine fatale Abwärtsspirale - die „Krone“ berichtete mehrfach. Der Sohn (17) von Bianca K. (34) ist einer von ihnen. Unverblümt schildert sie, wie der Alltag mit einem seit Jahren suchtkranken Kind aussieht...

Adrian (Name geändert) war immer schon ein ruhiger Typ. Er spielte leidenschaftlich Geige, fand Gefallen an den Sportarten Freerunning und Parkour, hatte einen coolen Freundeskreis. Als er 13 Jahre war, haben sich seine Eltern getrennt. Rund ein halbes Jahr später begann er, sich zu verändern. „Schulisch ist es rapide bergab gegangen. Seine Lehrerin informierte uns, dass er in seiner eigenen Welt sei. Er gab seine Hobbys auf, war plötzlich nicht mehr fähig, in der Früh aufzustehen, und hatte sich auch noch von seinem Freundeskreis abgewandt“, erinnert sich Bianca K., die im Zillertal wohnhaft ist.

„Suchtmittel im Schulbus nach Schwaz angeboten“
Schließlich stellte sich heraus, dass Adrian unter Drogeneinfluss stand. „Er hat uns gesagt, dass ihm das erste Mal Suchtmittel mit 13 Jahren im Schulbus auf dem Weg vom Zillertal nach Schwaz angeboten wurden. Dann lernte er seine erste Freundin kennen. Sie war in seinem Alter und konsumierte nicht nur Joints, sondern auch andere Drogen wie etwa Ecstasy. Mein Sohn hat durch sie mit dem Konsumieren von verschiedenen Drogen begonnen“, schildert die 34-Jährige.

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Zum Schutz seiner drei Geschwister wurde er kurzzeitig in Jugendeinrichtungen untergebracht.

Bianca K.

Schulwechsel halfen nichts
Die Eltern griffen ein, es folgten zwei Schulwechsel. Doch die Lage verschlimmerte sich, Adrian wurde zusehends aggressiver. „Er drehte durch, attackierte uns, zerstörte sein Zimmer. Wir schalteten das Jugendamt ein. Zum Schutz seiner drei Geschwister wurde er kurzzeitig in Jugendeinrichtungen untergebracht. Doch mein Sohn wollte nirgends längerfristig bleiben. Zu diesem Zeitpunkt stand auch fest, dass er ein starkes Drogenproblem hatte - mit 13 Jahren“, betont die Mutter.

Hoffnung auf stationäre Aufnahme
Eines Tages , mit 14 Jahren, sei sein Aggressionsausbruch derart heftig ausgefallen, dass die Zillertalerin die Polizei alarmierte. „Unsere Hoffnung lag darin, dass er in die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall eingewiesen und stationär aufgenommen wird. Doch dort hieß es nur, dass er auf die Warteliste komme. Wie lange es bis zu einem freien Platz dauern würde, könne man nicht sagen“, erklärt Bianca K.

„Zwangseinweisung wäre seine Rettung gewesen“
Gedauert hat dies ein gutes Jahr. Doch auf diesen Platz verzichtete Adrian, da es so schien, als würde er sein Leben wieder in den Griff bekommen. „Er lernte ein Mädchen kennen, das seine Freundin wurde. Sie war anständig, hatte nichts mit Drogen zu tun. Er begann, aufzublühen und hat sogar eine Lehre angefangen. Eineinhalb Jahre lief alles gut - bis seine Freundin die Beziehung beendete. Von einem Tag auf den anderen geriet er wieder in den Drogensumpf und konsumiert seither noch mehr als vorher“, erzählt die Zillertalerin.

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Wir hatten kein Entscheidungsrecht, obwohl wir die Eltern sind und mein Sohn noch dazu minderjährig war.

Die Mutter von Adrian

Kein Entscheidungsrecht für die Eltern
Das Schlimme sei, dass man als Eltern nichts dagegen unternehmen könne. „Er ist zu keiner Therapie bereit, denn er wolle auf die Drogen nicht verzichten. Mittlerweile haben wir ihn mehrfach von der Polizei in Hall einliefern lassen - immer in der Hoffnung, dass sie ihn dort behalten. Wir haben regelrecht darum gebettelt. Doch er durfte laut Gesetz jedes Mal selbst entscheiden, ob er bleiben wollte oder nicht - und das wollte er nie, daher wurde er stets am nächsten Tag entlassen. Wir hatten kein Entscheidungsrecht, obwohl wir die Eltern sind und mein Sohn noch dazu minderjährig war“, ist die 34-Jährige fassungslos, „eine Zwangseinweisung am Anfang mit 13 Jahren wäre seine Rettung gewesen. Dieses Gesetz muss geändert werden.“

Gegenüber Freunden Suizidgedanken geäußert
Selbstmordgedanken habe Adrian gegenüber seiner Freunde immer wieder geäußert. „Sie hatten mir das erzählt. Doch etwa der Notarzt meinte jedes Mal, als er hier war, dass Adrian nichts fehle. Wie kann das bloß sein?“, fragt sich Bianca K. Das Jugendamt habe der Familie anfänglich geholfen, doch als Adrian 16 Jahre alt war, habe es plötzlich die Betreuung eingestellt. „Sie können nichts mehr für ihn tun, hieß es. Deren Rat war, Adrian auf die Straße zu setzen. Ich konnte das kaum glauben“, sagt die Mutter.

Abhängige Kollegin (17) verstarb in seinem Bett
Sie und ihre anderen drei Kinder - eines von ihnen erkrankte wegen der Belastungen an einer Essstörung, gilt aber wieder als gesund - gehen regelmäßig zur Therapie. Adrian erlitt derweil den nächsten herben Rückschlag: Eine ebenfalls drogenabhängige Kollegin (17) verstarb - wie berichtet - kürzlich im Schlaf an einer Überdosis - und zwar direkt neben ihm in seinem Bett.

„Mein Sohn will sich nach wie vor nicht helfen lassen und äußert wieder vermehrt, dass er sich das Leben nehmen wolle. Wir wissen wirklich nicht mehr, was wir tun sollen. Ich rechne jeden Tag mit dem Schlimmsten“, betont die Zillertalerin.

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