Siebentes Studioalbum

Bullet For My Valentine: Zurück zur alten Härte

Musik
20.10.2021 06:00

Irgendwo auf dem Weg an die Metalfestival-Spitze haben die Waliser von Bullet For My Valentine in den letzten Jahren zusehends die Spur verloren. Mit dem selbstbetitelten siebenten Studioalbum sollte Matt Tuck und Co. aber die Kehrtwende gelingen. So aggressiv, offensiv und brachial klang das Quartett seit den Frühtagen der Band nicht mehr. Frontmann Tuck erklärt uns im Interview, wie es dazu kam.

(Bild: kmm)

Als Musiker kann man sich prinzipiell sehr viel erlauben, doch man sollte es tunlichst vermeiden, sich mit den eigenen Fans anzulegen. Zumindest einen großen Teil derer verprellten die walisischen Metalcore-Megaseller Bullet For My Valentine im Laufe der letzten Jahre, der künstlerische Verfall war sukzessive bemerkbar. Schon das 2015er Werk „Venom“ war allzu sehr auf Kalkül und Gewöhnlichkeit gebürstet, mit dem drei Jahre später folgenden „Gravity“ hat sich Frontmann und Bandchef Matt Tuck für ein Gros seiner Anhänger endgültig zu stark vergaloppiert. Zähflüssige Clean-Vocals (die ohnehin schon immer sehr umstritten waren), elektronische Experimente und klangliche Zugeständnisse an gängige Mainstream-Trends, die selbst bei einer ohnehin schon seit jeher gen Zeitgeistigkeit nachhechelnden Band wie den Walisern einen Zacken zu viel war. Das Resultat war der größte Chartbauchfleck seit dem Debütwerk mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass BFMV damals noch gänzlich unbekannt waren.

Nötige Kehrtwende
Beim „Krone“-Interview im Zuge ihres Auftritts beim Nova Rock Encore im September in Wiener Neustadt verteidigte der Frontmann das Werk aber mit Zähnen und Klauen. „Es ist immer eine Sache des jeweiligen Blickwinkels, aber für mich war der Schritt damals absolut in Ordnung. ,Gravity‘ hatte eine ganz eigene Form von Aggressivität, die eben etwas anders klang. Meiner persönlichen Meinung nach habe ich dort die mitunter besten Songs in meiner Karriere geschrieben und das neue Album würde definitiv nicht so klingen, hätte es ,Gravity‘ direkt davor nicht gegeben.“ Den zweiten Teil des letzten Satzes kann man zumindest als stillschweigendes Zugeständnis dafür sehen, dass die Band damals falsch abgebogen ist, denn ansonsten wäre „Bullet For My Valentine“, wie man das siebente Album selbstbewusst nennt, nicht derart brachial ausgefallen. Dem Quartett gelingt damit nicht nur die Rückbesinnung auf alte Tage, es zeigt in seinen 40ern so klar wie seit den „Scream Aim Fire“-Tagen nicht mehr, dass noch immer genug Feuer aus den Bandrohren schießen kann.

„Wir haben das Album nach uns benannt, weil es ein absolutes Statement ist“, bekräftigt Tuck, „wir sind wieder aggressiver, technischer und selbstsicherer geworden. Die Zeit ist reif, dass wir der Szene unseren Stempel aufdrücken.“ In Großbritannien sind Bullet For My Valentine längst auf den Headliner-Positionen bei den dortigen Metalfestivals angekommen, auf dem europäischen Festland scheitert man dahingehend kontinuierlich an den alten Hasen, die den Thron unaufhörlich besetzen. Dass Bullet mehr wollen, das macht der nicht gerade bescheiden auftretende Tuck schon seit längerer Zeit recht unmissverständlich klar. Doch Musikfans wissen - gerade in den härteren Gefilden lassen die Staffelübergaben lange auf sich warten. Mittlerweile sind die Bullet-Musiker selbst schon partiell ergraut, kämpfen aber unaufhaltsam weiter. Doch nicht nur die diversen Reaktionen auf das Vorgängeralbum waren für die Härte des neuen Werks verantwortlich - auch die kurzfristige Perspektivenlosigkeit durch die Pandemie hat viel dazu beigetragen.

Einmal ganz von vorn
„Wir hatten immer geplant, 2020 am Album zu arbeiten und ich bin irrsinnig froh darüber. Ansonsten wären wir mental wohl in düstere Gefilde abgedriftet, aber so hatten wir immer einen Antrieb und waren motiviert.“ Songs wie „Parasite“, „Knives“, „Bastards“ oder „Shatter“ lassen schon im Titel klar herausklingen, dass dieses Mal kein Platz für die Handbremse war. Obwohl eigentlich alles ganz anders begann. „Wir hatten 2019 während der Tour schon sechs bis acht Wochen an Songs geschrieben, waren uns aber nicht sicher. Dann hatten wir unsere erste Single ,Knives‘ und uns war sofort klar, dass alle bisherigen Ideen sofort in die Tonne müssten. Der Song war roh, intensiv und aggressiv. Er hat sich stark und richtig angefühlt. Ich gehe nach der Prämisse, dass von zehn geschriebenen Songs es nur einer wert ist veröffentlicht zu werden. Mit diesem haben wir uns selbst viel vorgelegt, aber er war ein verdammt guter Markstein, um es endlich richtig anzugehen.“

Bullet For My Valentine hatten von einem Tag auf den anderen ihr Feuer wiedergefunden und der Wut im Bauch Platz zur Entfaltung gegeben. „Bis ,Knives‘ hatten wir neun Songs, die alle weggeworfen wurden. Nach ,Knives‘ kamen noch 15 neue dazu, von denen jeder einen Platz am Album verdient hätte. In einer Songwritingperiode von nur zwei Wochen entstanden nacheinander ,Parasite‘, ,Paralysed‘ und ,My Reverie‘. Wir waren so beflügelt und es war fast wie Magie. Die Ideen schossen nur so aus uns raus. Wir waren so gut drauf, dass wir wohl noch ein Album hätten schreiben können, aber irgendwann musst du das Projekt zu einem Ende bringen.“ Nicht nur die polternde Härte, die sich aus Metalcore, Thrash- und einzelnen Death-Metal-Versatzstücken zusammensetzt, überzeugt vollends, auch die schiere Riffgewalt ist auf „BFMV“ so ausgeprägt wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. „Ich hätte die Formel des Songwritings gerne niedergeschrieben, sodass wir immer wieder darauf zurückgreifen können, aber leider funktioniert es im Leben nicht so einfach. Wir haben den Moment aber gespürt und ihn genutzt.“

Wohin jetzt?
Vom Kitsch- und Popfaktor der letzten Jahre bleibt auf dem neuen Album wenig übrig. Das wird nicht allen, aber einen Großteil der langjährigen Fans definitiv gut zu Gesicht stehen und auch die Chancen auf die Eroberung eines Festivalthrons bei den großen Genreevents wieder steigern. Auch wenn Tuck seine Stärken des umstrittenen „Gravity“-Albums unaufhaltsam ins rechte Licht gerückt sehen möchte. „Die zwei neuesten Alben sind für mich mit großem Abstand die besten, die wir bislang gemacht haben. Sie sind beide neue Marksteine für die Karriere der Band und für mich als Songwriter. Man muss als Musiker ehrlich zu sich selbst sein und nach so vielen Jahren weiß ich gut genug, dass wir nicht jeden glücklich machen können. Ich liebe es als Songwriter Unerwartetes zuzulassen und die die Palette zu erweitern. Schon in den Frühtagen der Band haben sich die Alben und Songs teilweise drastisch unterschieden.“ Die Fans können ob der bisherigen Diskografie nun selbst entscheiden, ob Tucks Abschlusssatz mehr nach Drohung oder Freude klingt: „Ich bin jetzt schon gespannt, wie denn unser nächstes Album klingen wird.“

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