Klage abgewiesen

Kaffeekapsel-Krieg: Nespresso erleidet erstmals Niederlage

Ausland
21.02.2011 17:50
In den TV-Werbespots fragt ein Hollywood-Schauspieler selbstsicher "What else?" ("Was sonst?"), doch hinter den Kulissen des Kaffeekapselimperiums von Nestlé wird die Marktführerschaft des Schweizer Lebensmittelkonzerns heftig mit juristischen Feldzügen verteidigt. Immer mehr Drittanbieter drängen mit Nespresso-kompatiblen Produkten auf den Markt. In der Schweiz hat Nestlé nun erstmals eine (allerdings noch nicht rechtskräftige) Niederlage erlitten.

Der Markt, den Nestlé mit dem Kapselsystem hochgezogen hat, ist in den letzten Jahren stetig angewachsen. Mittlerweile setzt der weltumfassende Konzern mit Nespresso jährlich fast zehn Milliarden Euro um. Pro Minute werden weltweit 12.300 Kapseln verbraucht, 2009 waren es noch rund 10.000 Kapseln pro Minute. Nespresso macht fast ein Zehntel des gesamten Konzernumsatzes aus.

"Gegen Konkurrenz haben wir nichts. Sie belebt das Geschäft", meinte Konzernchef Paul Bulcke vor wenigen Tagen bei der Bekanntgabe des Jahresergebnis. Er meinte damit allerdings andere Hersteller, die mit ihren eigenen Systemen, und häufig mit Teebeutel-ähnlichen Pads statt Kapseln, dem Schweizer Konzern Marktanteile abgewinnen wollen. Habe Nestlé jedoch das Gefühl, seine Patente würden verletzt, "dann wehren wir uns".

Damit zielte der Nestlé-Chef vor allem auf den Schweizer Discounter Denner, die amerikanische Sara-Lee-Gruppe und das Schweizer Unternehmen Ethical Coffee ab. Diese Unternehmen produzieren eigene und weit billigere Kaffee-Kapseln, die in Nespressomaschinen passen. Der Vorteil für die Firmen liegt auf der Hand: Sie müssen potenzielle Kunden nicht überzeugen, auf ein eigenes Maschinen-System einzusteigen, sondern können die Millionen von Nespresso-Kunden mit günstigerem Kaffee umwerben.

In den beiden letzteren Streitfällen sind noch Klagen in den USA und Frankreich, wo Ethical Coffee aktiv ist, anhängig, im Fall Denner hat das Zürcher Handelsgericht jetzt gegen Nestlé entschieden.

Trotz einstweiliger Verfügung abgeblitzt
Der Vertrieb von Nespresso-kompatiblen Kaffeekapseln verletze keine Patente, hieß es am Montag in einer Stellungnahme des Zürcher Gerichts. Als Folge der Abfuhr auferlegte das Gericht den Klägerinnen, Nestlé und Nespresso, die Prozessgebühr von 12.000 Franken. Diese können den Entscheid aber noch beim Bundesgericht beeinspruchen, das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Denner hat seine Kapseln als Alternative zu den Original-Nespresso-Kapseln verkaufen wollen, aber zu einem deutlich günstigeren Preis. Am 11. Jänner erließ das St. Galler Handelsgericht eine vorläufige Verfügung: Denner musste seine Nachahmerkapseln umgehend aus den Regalen räumen. Tags darauf reichten Nestlé und Nespresso auch beim Zürcher Handelsgericht eine Klage ein. Sie machten die Verletzung zweier Patente geltend: Direkt verletzten Denner und die Herstellerfirma das Patent zur Beschaffenheit der Kapseln, indirekt jenes für das Verwendungsverfahren. Damit entstehe den Klägerinnen ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil.

Gericht: Denner-Kapsel hat Löcher
Bei den Zürcher Richtern blitzten sie allerdings ab, wie das Handelsgericht am Montag eine Meldung des "Blick" bestätigte. Die Zürcher Handelsrichter nahmen die Denner-Kapseln akribisch in Augenschein. Und sie kamen zum Schluss, sie sei nicht gleich wie die Nespresso-Kapsel und infolgedessen seien auch die "Extraktionsbedingungen" nicht die gleichen. Im Gegensatz zur Nespresso-Kapsel habe die Denner-Kapsel nämlich auf dem Deckel Löcher - exakt "9 im Kreis angeordnete Löcher". Haltbarkeit und Hygiene würden mit Hilfe einer Portionen-Packung gewährleistet. Für das Gericht war "nicht glaubhaft gemacht, dass der Beutel dieselbe technische Wirkung erzielt wie die geschlossene Kapsel".

Ebenso wenig sah das Gericht eine Verletzung des Patentes zur Verwendung - beziehungsweise deren Begünstigung - als gegeben. Hier bezog sich die Klage vor allem auf den "namhaften Teil" an Nespressomaschinen, welche in Unternehmen stehen. Hier würden rund zwölf Prozent der jährlich in der Schweiz verkauften Kapseln eingesetzt. Würden nun Denner-Kapseln verwendet, so stelle dies eine "gewerbsmässige Benutzung" des Patentes dar, welche Denner begünstige und fördere. Hier liegt der juristische Knackpunkt beim Verkauf der Maschinen selbst: Nestlé bzw. Nespresso verkaufte den Unternehmen die Kaffeemaschinen. Und mit dem Verkauf "geht die Erlaubnis zur Verwendung des geschützten Verfahrens einher". Von einer Patentverletzung könne daher keine Rede sein.

Auf die einstweilige Verfügung hat das Zürcher Urteil laut "Blick" zunächst keine unmittelbare Auswirkung, da diese vom Handelsgericht St. Gallen ausgesprochen wurde. Dort beschwerte sich Nestlé bloß über die angeblich von Nespresso kopierte Form der Denner-Kapsel. Das Gericht müsse nächste Woche über die weitere Vorgangsweise in dem Fall entscheiden, so der "Blick".

Mit 1.700 Patenten geschützt
Nespresso ist Vorreiter bei dem in Kapseln portionierten Kaffee und hat das Produkt mit rund 1.700 Patenten geschützt. Das Unternehmen setzt dabei auf ein Luxusimage: Die Kapseln werden nur in eleganten Boutiquen verkauft oder über das Internet an die Mitglieder des "Nespresso Clubs" versendet. Eine Kapsel kostet um die 30 Cent, Maschinen gibt es von 79 Euro an aufwärts.

Für Kritik sorgt seit jeher die geschlossene Struktur des Systems Nespresso. Maschinen für die Kapseln sind relativ günstig zu erwerben, während die Kapseln selbst relativ teuer sind (mehr als das Dreifache einer Tasse Filterkaffee). Außerdem werfen Umweltschützer Nestlé vor, seine Pflichten bei der Entsorgung der aus Aluminium gefertigten Kapseln zu umgehen. In Österreich muss Nespresso zum Beispiel keinen Entsorgungsbeitrag bezahlen, weil seine Kapseln nicht als Verpackung gelten.

Muss Nespresso künftig Billiganbieter dulden?
Ob das Zürcher Urteil möglicherweise eine Richtungsentscheidung darstellt und Nespresso in Zukunft Billiganbieter dulden muss, wollten Experten vorerst nicht unterschreiben. Die Konkurrenz steht jedenfalls in den Startlöchern und setzt dabei nicht nur auf das Preisargument: Die Schweizer Firma Ethical Coffee, die pikanterweise von einem langjährigen Nestlé-Vorstand gegründet wurde, preist ihre Kapsel zum Beispiel als biologisch abbaubar an.

Wie viel Nespresso in Österreich mit seinem Kapselsystem verdient, ist nicht bekannt, weil der Konzern seit 2006 keine Länderzahlen mehr veröffentlicht. Der Umsatz lag damals bei 45 Millionen Euro, die jährlichen Wachstumsraten seither bei 30 Prozent. Für das Jahr 2009 hatte sich Nespresso zum Ziel gesetzt, dass jede fünfte verkaufte Kaffeemaschine in Österreich eine seinige sein muss.

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