Weißhaidinger in Quali

In Tokio soll Schluss sein mit der Zitterpartie

Olympia
28.07.2021 09:58

Respekt? Ja! Sorge oder gar Angst? Nein! Sicher ist Lukas Weißhaidinger - wie auch die anderen Werfer auf der Welt - kein Freund von der oft nervenaufreibenden Qualifikation bei Großveranstaltungen. Bei den letzten drei Top-Events stieg er als Zehnter (WM 2017), Elfter (EM 2018) oder gerade noch als Zwölfter (WM 2019) in den Vorkampf der besten 12 auf. Mit einer solchen Zitterpartie in den drei Quali-Würfen soll in Tokio in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Schluss sein. Trainer Gregor Högler: „Volles Risiko von Anfang an.“ Luki: „Und dann am liebsten gleich weiter!“

Warum auch nicht? Der Oberösterreicher hat sich in dieser Saison weiter in der Weltspitze etabliert. Mit seinem heuer in Eisenstadt am 9. Juni erzielten Rekord von 69,04 m ist er Vierter der aktuellen Weltjahresbestenliste. Er ist so konstant, dass er die Qualifikation doch souverän überstehen müsste! Da es noch keine Einteilung für die Quali-Gruppen A und B gibt, ist noch ungewiss, wann Weißhaidinger am Freitag (2.45 oder 4.20 Uhr MESZ) wirft.

Interessant ist im Zusammenhang mit der Qualifikation, mit welcher Leistung bei Olympischen Spielen seit Tokio 1964 der letzte Athlet gerade noch den Aufstieg in den Vorkampf der Top 12 (aus dem dann die Besten fürs Achter-Finale ermittelt werden) geschafft hat. Die größte Weite war dabei in London 2012 erforderlich. Da benötigte der Holländer Erik Cadée 63,55 m, um die Qualifikation zu überstehen. Ansonsten waren dafür nur dreimal Weiten über 62 m gefragt - 62,68 m in Rio 2016, 62,72 m in Sydney 2000 und 62,22 m in Atlanta 1996.

Quali-Aufregung in Doha 2019
Aber um die 63,50 m, die wohl reichen sollten, müsste der bei Olympia (Sechster 2016), WM (Dritter 2019) und EM (Dritter 2018) schon erfahrene Oberösterreicher sicher werfen können! Allein heuer hat er schon 15 Mal über 64 m geworfen. Das stärkt den Rücken. Die Zitterpartien der vergangenen Jahre sollten der Vergangenheit angehören. Wobei die ärgsten Minuten bei der WM 2019 zu überstehen waren. Sein „Einser-Diskus“ wurde bei der letzten Überprüfung der Scheibe kurz vor der Qualifikation wegen eines Formfehlers nicht zugelassen. Mit einem verzweifelten Gesicht wandte er sich damals an Coach Gregor Högler. Keiner der beiden wusste Rat, keiner wusste zunächst, warum sein Diskus zur Quali nicht aufzufinden war. Aber egal, selbst mit einem fremden Diskus warf er in Doha als Zwölfter 63,31 m - und gewann tags drauf die Bronze-Medaille.

Auch bei der EM in Berlin 2018 war es für ihn in der Qualifikation eng, als er mit 62,26 m Elfter wurde - dann holte er am folgenden Tag Bronze. Schließlich war er bei der WM in London 2017 mit 63,57 m Quali-Zehnter, verpasste dann aber im Vorkampf als Neunter das Finale der besten Acht. Am besten macht es Luki so wie in Rio de Janeiro: Da war er als Zweiter souverän aus der Qualifikation weitergekommen und am Ende großartiger Sechster geworden. Wobei heuer natürlich eine Medaille das Ziel ist.

Daniel Stahl scheiterte 2016
Wie eingangs gesagt, so wie Lukas Weißhaidinger mögen auch alle anderen Werfer keine Qualifikation. Da hat es schon böse Überraschungen gegeben. Selbst Daniel Stahl, in den vergangenen Jahren die klare Nummer 1 im Diskusring und auch in Tokio als Weltjahresbester mit 71,40 m logischer Gold-Favorit, scheiterte vor fünf Jahren in Rio in der Quali. Da schied er mit 62,26 m (60,78 - x - 62,26) als Gesamt-14. aus. Ein Favoritensterben hat es in der langen Geschichte der Olympischen Geschichte natürlich immer wieder mal in den Qualifikationen gegeben ...

Häufig geänderte Quali-Regeln
Freilich hat nicht immer die heutige Regel gegolten, nach der in zwei Qualifikationsgruppen geworfen wird und daraus die besten Zwölf ermittelt werden. Anders als heute war es zuletzt 1980 in Moskau, als die Qualifikation in nur einer Gruppe mit 18 Athleten ausgetragen wurde und daraus die besten Zwölf aufstiegen. Auch bei früheren Spielen hat es häufig nur eine Quali-Gruppe gegeben (etwa 1948, 1956 oder 1964). Und nicht immer haben nur zwölf Athleten den Vorkampf bestritten. Da waren auch mal 14 (1972), 15 (1976), 17 (1952) oder 22 Werfer (1960) zugelassen.

Kuriosum in Paris 1900
Die kurioseste Geschichte beim olympischen Diskuswurf der Männer passierte freilich 1900 in Paris. Damals wurden die Qualifikationsweiten auch in das Gesamtresultat übernommen. So gewann Rudolf Bauer aus Ungarn mit seiner in der Quali erzielten Weite von 36,04 m, nur zwei Athleten konnten sich damals noch gegenüber der Qualifikation steigern. Grund war, dass die guten Disken aus der Qualifikation spurlos verschwunden waren und das Finale mit deutlich schwereren Scheiben geworfen wurde. Diese Disken blieben oft in den angrenzenden Bäumen hängen…

Über das Ergebnis von Paris 1900 kursieren bis heute unterschiedlichste Ergebnisse. Was auch den Österreicher Cornelius von Lubowiecki betrifft. In den meisten Berichten (auch im offiziellen Olympia-Report) kommt er nicht vor. Aber laut Wiener Tagblatt vom 1. August 1900 hat er wegen eines Spaziergangs die Qualifikation versäumt, durfte aber angeblich trotzdem im Finale seine Würfe nachliefern. Davon ist aber kein Ergebnis bekannt. Im Wiener Sportblatt vom 4. Dezember 1937 wird diese Story noch einmal glaubhaft erzählt. Volker Kluge, einer der weltbesten Olympia-Historiker, hält diese für sehr denkbar und führt Lubowiecki deshalb als Teilnehmer 1900 auf. Die olympische Geschichte der Frühzeit steckt voller kleiner Geheimnisse und Kuriositäten…

Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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