„Kultur im Lockdown“

Lyrik-Schwestern: „Aus der Not das Beste gemacht“

Tirol
08.03.2021 20:00
Für die Lyrikerinnen Rebecca Heinrich und Siljarosa Schletterer waren Nichtstun und Jammern im Pandemiejahr zu keinem Zeitpunkt eine brauchbare Option. Stattdessen fanden sie beispielsweise zahlreiche Formen der Lyrik-Vermittlung, die auch ihrer Doppelrolle als Schreibende und Forschende gerecht wurden.

Nur am Anfang standen dezent-düstere Lyrik-Tagebücher. „Natürlich waren die Tage nach dem ersten Lockdown bedrückend“, erzählt Schletterer dazu. Rasch habe man aber aus der „Not das Beste gemacht“, ergänzt Heinrich, mit der Schletterer die „einzige Lyrik-Lesebühne in Österreich“ betreibt, wie beide betonen. Den Anfang der fast unüberblickbaren Aktivitäten der beiden, die sich selbst gerne auch als „Lyrik-Schwestern“ bezeichnen, machte eine Online-Lesung über die Plattform „Kultur-Quarantäne“.

„Nicht für die Schublade schreiben“
„Für uns war nämlich sofort klar, dass es gerade in dieser Zeit unbedingt Lyrik braucht“, sagt Heinrich diesbezüglich. „Damit war nicht zuletzt auch gesichert, dass wir nicht für die Schublade schreiben“, fügt Schletterer hinzu. Dabei beließen sie es aber natürlich nicht. Schnell war ein Anthologie-Projekt zur Hand, das mit Crowd-Funding finanziert wurde.

Entstanden ist mit der Beteiligung von Schletterer und Heinrich daraus das Buch „Fragmente: Die Zeit danach“ sowie der Film „Arbeit statt Almosen“, der von Marlen Schachinger realisiert wurde. Außerdem soll im Frühsommer ein 35-seitiger Aufsatz das Licht der Welt in einem Sammelband erblicken. „Bei diesem versuchen wir eine Kartografie des Unfassbaren“, gibt Heinrich Einblicke. Es werde jedenfalls um „österreichische Gegenwartslyrik“ gehen, konkretisiert sie. Auch online wolle man Ergebnisse dieser „Online-Lyrikkartografie“ präsentieren, sagt Schletterer.

„Insta-Lyrik und Twitteratur“
Dazu kamen noch Online-Schreibseminare, die Heinrich gab, und ein gemeinsamer Online-Vortrag bei der Jahrestagung der „AG Populärkultur und Medien“ mit Sitz in Bonn. „Wir beschäftigen uns generell viel mit Themen wie Insta-Lyrik und Twitteratur“, erklärt Heinrich in diesem Kontext. „Wir sehen uns schließlich als Lyrik-Vermittlerinnen und auch als Wissenschaftlerinnen“, schiebt Heinrich nach, die aktuell an der Universität Freiburg an ihrer Dissertation arbeitet und dort auch wissenschaftliche Mitarbeiterin ist. Auf der Haben-Seite des Aktivitäten-Protokolls ist außerdem der Band „Nackte Gedichte“ von Heinrich zu verbuchen, für den sie unter anderem ein Arbeitsstipendium des Landes Tirol zugesprochen bekommen hat. Schletterer wiederum ist Teil eines großen Projektes, das sich dem Thema Angst widmet, und bringt im Frühjahr sogar einen Gedichtband heraus.

„Mit Tränen dagesessen“
In der sommerlichen Kulturlockdown-Pause gab es die Lyrik-Lesebühne im August in Hall in Tirol außerdem live zu erleben. „Wir sind beide mit Tränen dagesessen“, betonen die Lyrikerinnen unisono. Ein Erlebnis, das sie bald wiederholen möchten: „Wir planen eine Real-Lesung“. Ob es möglich sein wird, wisse man allerdings noch nicht. Nur eines ist gewiss: Fad wird ihnen in nächster Zeit so oder so nicht werden. Schletterer stellt eine „Ausstellung“ in Innsbruck in Aussicht während Heinrich ihr andauerndes Engagement beim „Fem-Slam“ im Haller Stromboli ins Rennen schickt.

Markus Stegmayr, Kronen Zeitung

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