Tumulte, Festnahmen

Wien: Hunderte Anzeigen nach Corona-„Spaziergang“

Wien
31.01.2021 22:31

Während im Wiener Volksgarten die einzige für den Sonntag bewilligte Corona-Demo friedlich und ohne Vorkommnisse verlaufen und seitens der Polizei kein Einschreiten nötig war, hat sich die Lage beim sogenannten „Spaziergang“ gänzlich turbulenter dargestellt. Masken- und Abstandspflicht wurden zumeist nicht eingehalten. Es kam schließlich zu Tumulten, die Polizei musste massiv eingreifen. Mehr als 850 Anzeigen nach dem COVID-Gesetz und Hunderte weitere wegen anderer Delikte sowie mindestens zehn Festnahmen und vier verletzte Polizisten zählte man am Ende. Unter den Festgenommenen befand sich auch Martin Rutter, einer der Rädelsführer der „Querdenker“-Bewegung. Einem Augenzeugen zufolge soll Rutter während einer Amtshandlung sofort die Polizisten angegriffen haben. Daraufhin sei er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen worden.

An den eigentlich untersagten Corona-Demonstrationen am Sonntag in der Wiener Innenstadt haben rund 10.000 Demonstranten teilgenommen. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Wiens Polizeichef Gerhard Pürstl zogen am Sonntagabend eine erste Bilanz. „Dieser Einsatz war für die Polizisten alles andere als ein Spaziergang“, sagte der Innenminister. Erst gegen 19.30 Uhr war der Einsatz vorbei. Insgesamt habe sich ein „verheerendes Bild gezeigt“. An den Versammlungen haben Hooligans, Personen aus der rechtsradikalen Szene, aber auch Familien teilgenommen. Die Polizisten hätten gute Arbeit geleistet, betonte Nehammer.

Pürstl: „Polizei schritt massiv ein“
Eskalationen und Ausschreitungen wurden vermieden, bilanzierte Pürstl. Bei dem „herausfordernden Einsatz“ haben die Polizei die Balance gehalten. Die Polizei habe den Einsatz nicht unterschätzt, man habe gewusst, „wenn viele Demonstranten kommen, wird es schwierig sein“, sagte der Polizeipräsident, der den Einsatz selbst geleitet hatte. Es sei klar gewesen, dass man den Demonstranten „nachgeben und Raum bieten“ müsse. Immerhin seien auch Mütter mit Kindern im Kinderwagen unter den Teilnehmern gewesen. Zumindest zum Schluss sei die Exekutive doch noch „sehr massiv eingeschritten“, sagte Pürstl. Zum „Spaziergang“ gekommen waren u.a. auch Identitäre rund um Martin Sellner oder der Neonazi Gottfried Küssel samt Mitstreitern. 

Tumulte, Festnahmen
Die zunächst friedliche Stimmung wurde rasch zunehmend aggressiver und gipfelte am frühen Nachmittag in Tumulten. Auch wurden einzelne Teilnehmer aus der Menge festgenommen und abgeführt. In der Folge formierte sich ein Demo-Zug, der entlang des Rings in Richtung Parlament zu marschieren begann. Die Polizei postierte sich daraufhin, um den Demo-Zug zu stoppen - und sperrte wenig später auch die Route in Richtung Oper ab, als die Menge weiter in diese Richtung ziehen wollte.

Mehrere Demo-Züge
Der Aufforderung, den Ring in Kleingruppen zu verlassen, kamen die „Spaziergänger“ zunächst nicht nach, sie zogen weiter am Ring hin und her. Immer wieder waren aggressive Ansagen der Regierungs- und Maßnahmen-Gegner auch Richtung der einschreitenden Polizei zu hören. Schlussendlich teilten sich die Demonstranten in mehrere Züge auf. Ein größerer Zug wanderte zunächst neben dem Kunsthistorischen Museum im Kreis, in der Folge unter polizeilicher Aufsicht.

Danach zog der Zug auf den Ring Richtung Rathaus entlang und weiter zum Schottentor, bog bei der Universität dann in Richtung Votivkirche ab und zog weiter in Richtung Landesgericht, entlang der Zweier-Linie, weiterhin begleitet von zahlreichen Beamten. Auch an der Spitze führten Polizisten den Zug an und steigerten nach und nach das Marschtempo, sodass die Protestteilnehmer sogar fast joggen mussten. Die meisten Teilnehmer dieses Zuges wahrten jedoch Abstand zueinander, zudem blieb es friedlich. Parolen wurden jedoch immer wieder skandiert.

Wortgefechte zwischen Rechts und Links
Laut und teilweise in aggressiver Stimmung bewegte sich hingegen ein großer Zug Richtung Schwedenplatz - angeführt von Parolen schreienden Hooligans und mit Vertretern des rechten Randes, der Identitären, und sogenannten Querdenkern in den Reihen. Immer wieder stellten sich linke Gegendemonstranten in den Weg, aber es blieb bei Wortgefechten. Auch in der Mariahilfer Straße bezog die Polizei aufgrund zahlreicher Demonstranten Stellung.

Teilnehmer strömten am Nachmittag nach und nach ab
Am frühen Abend waren noch einige Hundert Demoteilnehmer unterwegs, ihnen werde ein „gewaltfreies Auseinandergehen ermöglicht“, sagte ein Sprecher der Polizei. Gegen 17 Uhr waren die Teilnehmer die Wienzeile stadtauswärts unterwegs, dort hatten sich zuletzt zwei Demozüge hinteinandergereiht. Immer wieder strömten Protestteilnehmer ab.

FPÖ: Innenminister trägt „volle Verantwortung“
Für etwaige Eskalationen bei den heutigen Protesten trage Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) „die volle Verantwortung“, hatte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl im Vorfeld in einer Videobotschaft auf Facebook gewarnt. „Das Innenministerium hat der sonst so besonnen agierenden Polizeiführung ‚befohlen‘, die für Sonntag angemeldete Groß-Demo, unsere Kundgebung und weitere Demonstrationen zu untersagen“, hieß es darin. Nehammer „und Co.“ hätten „mutwillig und aus rein parteipolitischen Gründen geradezu provoziert“.

Seitens der Landespolizeidirektion Wien folgte am späten Sonntagnachmittag eine Reaktion auf die Vorwürfe: So sei die Untersagung der Groß-Demo durch die Polizei „aus rein sachlichen Gründen“ erfolgt, wurde betont. Hingewiesen wurde erneut auf die „deutliche Gefahr der erhöhten Übertragbarkeit des Coronavirus bei Massendemonstrationen ohne Einhaltung des Abstandes- und Schutzmaßnahmengebots“.

„Bemühungen zur Reduktion von Neuansteckungen wären konterkariert“
„Die gesamtstaatlichen Bemühungen zur Reduktion der Neuansteckungen wären konterkariert“, erklärte die Exekutive weiter. „Daher hat die Landespolizeidirektion Wien nach sorgfältiger Abwägung aller Interessen dem Schutz vor Gefahren für die Gesundheit den Vorrang gegeben und die Versammlungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen untersagt. Parteipolitische Überlegungen haben dabei keinen Platz zu finden.“

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