Hahnenkammrennen 2021

Gespenstischer Streifzug durch Geisterstadt Kitz

Tirol
24.01.2021 09:39

Geräusche, die im jährlichen Hexenkessel nie zu hören sind, und ganze neun Begegnungen in einer Stunde - ein trauriger Lokalaugenschein in der einstigen Feierzone…

Völlige Stille - nein, nicht ganz. Der Kanal! Es gluckert im Gully, es ist die einzige Geräuschkulisse nach einer Kitzbühel-Abfahrt um 21 Uhr. Wann hat man so etwas je in einer der früheren Partynächte gehört? Jetzt schlägt die Kirchturmglocke zur vollen Stunde, es ist fast schon ein Dröhnen in den leeren Gassen.

Menschen? Ein einsames Paar schaut in die Schaufenster, doch selbst wenn man wollte, könnte man die Stiefel bei Nobelschuhhändler Haderer für 890 Euro derzeit nicht kaufen. Und auch nicht den vergoldeten Kugelschreiber beim Juwelier Schroll um 1500 Euro. „Wir wollten die Geisterstunde sehen“, verraten die beiden Oberösterreicher. Schlafen in Kitz? Nein, unmöglich, noch in der Nacht geht es wieder nach Hause.

Letztes Standl musste vor Rennen schließen
Vor dem Jimmy’s liegt noch Schnee auf den gestapelten Stühlen. Das benachbarte Kiachl-Standl des Café Kortschak war bis Donnerstag eine einsame Oase der Verköstigung - ab Freitag musste man ebenfalls schließen. Kein Fan sollte auch nur irgendeinen Anreiz haben, an diesem Wochenende in der Stadt zu sein und feiern zu wollen.

Vorbei geht’s am Hof der BH, hier tobten einst die Massen zu DJ Ötzis „Hey Baby“ - nun Totenstille. Am Jochberger Tor kreuzt ein einsamer Fußgänger unseren Weg. Ein ängstlicher Blick, schnelle Schritte, er verschwindet um die Ecke.

Minuten vergehen, kein einziger Mensch. Irgendwann ein Polizeiauto, das im Schneckentempo durch die Stadt fährt. Es ist für die Beamten niemand zu sehen, den man fragen könnte, warum er im Lockdown unterwegs ist. Kurzes Gespräch mit dem „Krone“-Team. Wir haben uns schon am Vortag vergewissert, dass für die berufsbedingte Reportage ein kurzer Stadtrundgang erlaubt ist. Mit Abstand - und wir wurden in sechs Tagen Kitzbühel dreimal negativ getestet.

Einsame Begegnungen - es wird wieder gegrüßt
Beim Lokal Fünferl stehen üblicherweise Nachtschwärmer Schlange und debattieren mit dem Türsteher. Dass ein Weißgespritzter 10 Euro kostet, hielt niemanden ab. Diesmal ist alles dunkel, trostlos. Ebenso wie die benachbarte Stiege, die zum Take Five hinabführt - für Normalbürger ohne Reservierung oft ein unerfüllter Ausgehtraum. Dann sind doch drei junge Leute mit einem 6er-Tragerl Bier zu sehen. „Hallo!“ Und die erstaunliche Erkenntnis dieser einsamen Begegnungen: Es wird wieder gegrüßt im nächtlichen Kitzbühel!

Freundlich, trotz frustrierender Monate, ist vor den Toren der Stadt auch Taxifahrer Martin. Seit 20 Jahren erlebte er in den Nachtschichten alle Facetten des turbulenten Nachtlebens. Heuer ist sein Funk meist still. Niemals im Leben hätte er damit gerechnet, dass seine Schicht vor Mitternacht enden wird. Weil fast alle längst im Bett sind . . .

Jasmin Steiner und Andreas Moser, Kronen Zeitung

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