„Hier endete Karriere“

Regenrohr als Gedenkstätte für Orban-Freund

Ausland
08.12.2020 13:35

Die Nachricht schlug in Ungarn ein wie eine Bombe: Ein prominenter EU-Abgeordneter des Landes und enger Vertrauter des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist in Brüssel bei einer Sex-Party mit Homosexuellen erwischt worden - trotz der rigiden Corona-Beschränkungen. Der 59-jährige Jozsef Szajer trat zurück und aus der Regierungspartei Fidesz aus. Für Orban bedeutete das Attacken der Opposition und Spott in der Presse bzw. in den sozialen Medien. Jenes Regenfallrohr, über welches der konservative Politiker vor der Polizei flüchten wollte, ist mittlerweile berühmt und zu einer Gedenkstätte geworden.

Regierungskritische Auslandsungarn haben wenige Tage nach Bekanntwerden der Skandalnacht eine Plakette auf dem Rohr angebracht, worauf Folgendes zu lesen ist: „Hier endete die politische Karriere des Fidesz- und EU-Abgeordneten Josef Szajer, der über dieses Rohr vor den Behörden zu fliehen versucht hatte. Er wollte in der Nacht zum 27. November den Schauplatz einer illegalen Orgie während der Covid-19-Pandemie verlassen.“

Blutige Hände und Ecstasy-Pillen im Rucksack
Doch die Flucht ist bekanntlich misslungen. Die Polizei konnte den 59-jährigen laut eigenen Angaben mit blutenden Händen aufhalten. Szajer dürfte sich bei seinem Fluchtversuch verletzt haben. In seinem Rucksack wurden obendrein Ecstasy-Pillen gefunden. Der Politiker betonte in einer Stellungnahme später, diese hätte nicht ihm gehört. Er wisse aber auch nicht, wie sie in seinen Rucksack gelangt seien. Die belgischen Behörden ermitteln seither wegen Drogenbesitzes.

Nach langem Schweigen verurteilte Orban das Verhalten von Szajer am Mittwoch als „inakzeptable und nicht zu rechtfertigende Handlung“. „Was unser Vertreter, Jozsef Szajer, getan hat, hat in den Werten unserer politischen Familie keinen Platz“, ließ der sich gern als Law-and-Order-Mann präsentierende Orban über seinen Sprecher mitteilen. Szajer musste aus der Fidesz-Partei austreten, die er mit gegründet hatte.

Viktor Orban (Bild: AP)
Viktor Orban

Die Affäre ist für die nationalkonservative Regierungspartei auch deshalb besonders peinlich, weil sie als Verfechterin traditioneller Werte auftritt und die Ehe als „Bund zwischen Mann und Frau“ in der Verfassung verankert hat. Die Partei wollte damit eigenen Angaben zufolge „christliche Werte“ schützen. Der Jurist Szajer, verheiratet mit einer Richterin, spielte bei der Ausarbeitung der Verfassung von 2011 eine Schlüsselrolle. Derzeit soll in die Verfassung auch noch eingefügt werden, dass „die Mutter eine Frau, der Vater ein Mann“ ist; eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare soll verboten werden.

Szajer als neue „Ikone der Schwulenszene“
Mancherorts wird Szajer bereits als neue „Ikone der Schwulen“ gefeiert. So gestaltete eine italienische Street-Art-Künstlerin in Rom ein Bild, auf dem das Fidesz-Logo und der 59-Jährige in einem Leder-Outfit zu sehen sind. Über dem Kopf des zurückgetretenen Politikers stehen mehrere nackte Männer, die offenbar an sich herumspielen.

Für Orban ist der Skandal übrigens auch auf EU-Ebene mehr als misslich. Erst kürzlich hatte er den Abschied zweier Europa-Experten verschmerzen müssen. Er kann sich Analysten zufolge künftig nicht mehr darauf verlassen, Informationen aus Brüssel von dem EU-Abgeordneten György Schöpflin und seinem Berater Peter Gottfried zu erhalten. Mit Szajer hat er einen weiteren wichtigen Mann in Brüssel verloren.

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