Maskenbefreiung

Grazer (48): „Man fühlt sich da wie aussätzig“

Steiermark
13.11.2020 07:30

„Mörder!“ „Corona-Leugner!“ „Volksgefährder!“ - Beschimpfungen solcher Art hat ein Grazer, der krankheitsbedingt maskenbefreit ist, schon oft gehört. „Es ist ein Spießrutenlauf.“

Thomas W., heute 48 Jahre alt, hatte schon keinen guten Start ins Leben. „Ich bin mit einem Wasserkopf zur Welt gekommen“, erzählt der Grazer offen. Mehrere Operationen, der Säugling musste sich schon in den ersten Wochen nach der Geburt ins Leben kämpfen. „Ich hatte kurz nach der Geburt eine OP, bei der eine Pumpe in meinen Kopf transplantiert wurde. Für meine Eltern war das auch ganz schwer, sie mussten mit der Pumpe regelmäßig das Wasser aus meinem Kopf bekommen.“

Ein Jahr später war dieser Albtraum vorbei - eine riesige Narbe an seinem Hals zeugt heute noch vom schwierigen Lebensstart des sympathischen Grazers. Und auch die gesundheitlichen Folgen tun es, „ich habe bei allen möglichen Krankheitsbildern erhöhtes Risiko“. Und demnach eine ärztlich bestätigte Befreiung vom Mund-Nasen-Schutz.

„Ich habe versucht, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen“
„Glauben Sie mir, ich habe versucht, ihn zu tragen. Aber nach kürzester Zeit bekomme ich alle Zustände. Schweißausbrüche, Atemnot, einen Druck im Kopf, dass ich glaube, er explodiert gleich. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn die paar Lebensmittel von meinem Einkaufszettel ablesen oder finden.“ Versucht hat er das Maskentragen auch deswegen, weil er die Notwendigkeit des Schutzes gar nicht infrage stellt - und auch nicht negativ auffallen möchte in der Menge der Maskenträger.

Schockiert ist der Steirer von verbalen Angriffen: „Mir wurde schon alles Mögliche entgegengeschrien - Mörder, Covidiot, Aluhut-Träger! Eine Kundin hat sich so aufgeregt über mich, dass sie selbst gebeten wurde, den Laden zu verlassen.“ Ein weiterer Tiefpunkt: „Security-Kräfte haben mich aus einem Flohmarkt unter freiem Himmel rausgeschmissen. Jede Erklärung war zwecklos.“

„Bin der Letzte, der Corona nicht ernst nimmt“
Ob er die Sorge von Mitmenschen verstehen kann, dass er jemanden ansteckten könnte? „Ich bin der Letzte, der Corona nicht ernst nimmt - schon allein wegen meines eigenen Risikos. Das heißt, ich halte meterweite Abstände ein, und ich rede nicht einmal, wenn ich nicht muss.“

Und, trauriger Nachsatz: „Ich geh gar nicht mehr raus, wenn ich nicht zwingend muss. Das Leben ist für mich zu einem einzigen Spießrutenlauf geworden.“ Mittlerweile geht er auch in Geschäften direkt zu einem Verkäufer, zeigt seine Narbe, sein Attest - und fragt höflich, ob er überhaupt erwünscht ist. 

Thomas W. mag sich nicht aufregen oder stressen, aber einmal, „da hat es mich schon ausgehängt. Da hat mich einer in einem Supermarkt sehr vulgär beschimpft - als Trottel, als Idiot, was weiß ich alles. Dem hab ich dann zugebrüllt: ,Nehmen Sie meine Krankheit, dann nehme ich Ihre Maske!‘ Bei uns wird ein Handicap wohl nur anerkannt, wenn es weithin sichtbar ist.“

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