Nobelpreis-Vergabe

China sagt Termin mit Ministerin aus Norwegen ab

Ausland
11.10.2010 14:37
Die von China scharf kritisierte Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo (Bild) zeigt erste konkrete Auswirkungen auf die Beziehungen zu Norwegen. Der norwegische Fernsehsender NRK berichtete am Montag, China habe ein für diese Woche anberaumtes Treffen mit der norwegischen Fischereiministerin Lisbeth Berg-Hansen unter Verweis auf die Nobelpreis-Entscheidung abgesagt.

Trotz scharfer Warnungen aus Peking war der 54-jährige Xiaobo am Freitag vom Osloer Nobel-Komitee für seinen mehr als 20 Jahre währenden gewaltfreien Kampf für Freiheit und Menschenrechte ausgezeichnet worden. Die Führung in Peking hatte mit aller Schärfe auf die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees reagiert. Liu sei "ein Krimineller". Die Vergabe "an solche Leute" sei "eine Schmähung" des Nobelpreises, hieß es in Peking. Der norwegische Botschafter wurde bereits vorgeladen, wie die Regierung in Oslo mitteilte. Zudem habe der chinesische Vertreter in Oslo den "kräftigen Protest" der chinesischen Regierung zum Ausdruck gebracht. 

Komitee steht zu seiner Entscheidung
"Wir wollen den Preis nicht nur an Menschenrechtler in kleineren und vielleicht nicht so einflussreichen Ländern vergeben", sagte Komiteechef Thorbjörn Jagland. Und er fügte nicht nur an die Adresse Pekings hinzu: "Das Nobelkomitee ist komplett unabhängig von Regierungen und Parlamenten." Komitee-Sekretär Geir Lundestad hatte noch kurz vor der Bekanntgabe öffentlich beklagt, dass die chinesische Vize-Außenministerin Fu Ying ihm im Sommer bei einer Oslo-Visite direkt mit einer Verschlechterung der norwegisch-chinesischen Beziehungen gedroht habe.

Liu Xiaobos Frau bestätigt: "Stehe unter Hausarrest"
Unterdessen hat die Ehefrau von Liu Xiaobo per Kurznachrichtenportal Twitter bestätigt, dass sie unter Hausarrest gestellt wurde. "Freunde, ich bin zurück zu Hause. Am 8. Oktober wurde ich unter Hausarrest gestellt", wurde am Montag über die Twitter-Adresse von Frau Liu Xia mitgeteilt. "Ich weiß nicht, wann ich irgendjemanden sehen kann", hieß es weiter. Ihr Handy sei kaputt und sie könne weder Anrufe tätigen noch empfangen. 

Angeblich widmete Liu Xiaobo seinen Nobelpreis den Opfern des Massakers auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989. Das habe Liu seiner seiner Frau gesagt, erklärte die in New York ansässige Organisation Human Rights in China (HRIC). "Dieser Preis ist den verlorenen Seelen vom 4. Juni gewidmet", soll Xiaobo gesagt haben. Die Opfer des Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens hätten ihr Leben "für den Frieden, die Freiheit und die Demokratie" gegeben. Bei dem blutigen Aufstand waren Hunderte, möglicherweise sogar Tausende Menschen ums Leben gekommen.

Polizei verschärft Verfolgung der Dissidentenszene
Die Polizei hält derzeit auch den Dissidenten Qi Zhiyong unter Hausarrest. "Ich wollte rausgehen und feiern, aber die Polizei erlaubte es mir nicht", sagte Qi Zhiyong, der bei dem Massaker vom 4. Juni 1989 ein Bein verloren hatte, telefonisch der Nachrichtenagentur dpa.

Der Bürgerrechtsanwalt Teng Biao berichtete über den Kurznachrichtendienst Twitter, von drei Agenten der Staatssicherheit auf dem Weg zu einem Treffen mit einem Journalisten abgefangen worden zu sein. Er sei in ein Auto verfrachtet und weggebracht worden. Der Aktivist hatte schon vorher die Befürchtung geäußert, dass die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo zu einer verschärften Verfolgung führen werde. "Sie werden die Kontrolle der heimischen Dissidenten noch verstärken", hatte Teng Biao am Freitag der dpa gesagt.

"Langer und gewaltloser Kampf"
Das Nobel-Komitee hatte den 54-jährigen Schriftsteller und Dissidenten am Freitag für seinen "langen und gewaltlosen Kampf" für die Menschenrechte in China mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er gilt als führender Kopf hinter der "Charta 08", einem Aufruf für Demokratie und Menschenrechte in China in der Tradition der "Charta 77" tschechoslowakischer Bürgerrechtler. 2009 war Liu wegen "Untergrabung der Staatsgewalt"zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seit zwei Jahrzehnten ist er ein führender Denker der Demokratiebewegung. Er war auch an den blutig niedergeschlagenen Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 beteiligt und saß bereits vor seiner jetzigen Verurteilung mehrfach in Haft.

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