Nur ein Zeuge kam

Dorfvorsteher in Türkei ermordet – Prozess vertagt

Tirol
07.10.2010 12:45
Der Schwurgerichtsprozess gegen einen türkischstämmigen Tiroler, der 2006 an einem Mord an einem Dorfvorsteher in Ostanatolien beteiligt gewesen sein soll, ist am Donnerstag erneut vertagt worden. Ein Rechtshilfeersuchen an das türkische Justizministerium zur Auslieferung mehrerer Zeugen blieb weitgehend wirkungslos. Lediglich ein Zeuge, ein türkischer Kriminalist, erschien zu der Verhandlung - seine Aussage lieferte aber keine neuen Erkenntnisse.

Der 42-jährige Mann, der seit 2000 österreichischer Staatsbürger ist und dem erneut eine Dolmetscherin zur Verfügung gestellt werden musste, soll laut Anklage im Juni 2006 gemeinsam mit seinen drei Brüdern das mit seiner Familie verfeindete Opfer mit Fleischerbeilen und Messern vorsätzlich getötet haben. Die erste Verhandlung war wegen der Ladung weiterer Zeugen vertagt worden. Die Mittäter wurden laut Staatsanwaltschaft bereits teils in der Türkei, teils in Deutschland verurteilt. 

Wollen Zeugen nicht aussagen?
Jetzt soll eruiert werden, ob die Zeugen in der Türkei die Ladung möglicherweise nicht erhalten haben, oder ob sie in dem österreichischen Verfahren nicht aussagen wollen, sagte der Vorsitzende Richter Josef Geisler (Bild). Außerdem soll festgestellt werden, ob der in Deutschland seine Haftstrafe verbüßende Bruder des Angeklagten weiterhin "nicht aussagebereit" sei.

Der zum Prozesstermin am Donnerstag erschienene 40-jährige Polizist ist laut Aussage zwar mit dem Fall betraut gewesen, habe aber keinen der Beteiligten direkt vernommen bzw. die Protokolle nicht selbst geschrieben. Der Verdacht gegen den Beschuldigten habe sich damals dadurch erhärtet, dass er das beim Verbrechen in Tatortnähe beobachtete Fahrzeug ausgeliehen habe. Zudem sei er gemeinsam mit seinen Brüdern unmittelbar vor dem Mord eingereist.

Streit über Hirtengelder
Laut Staatsanwältin Karin Schiffmann habe es zwischen einem in der Türkei lebenden Bruder des Angeklagten und dem Dorfvorsteher seit 2005 ein Streit über Hirtengelder gegeben. In weiterer Folge sei es zu Feindseligkeiten, einem Streit und einer Familienfehde gekommen. Der Vater der vier Söhne habe beschlossen, den Dorfvorsteher zu töten. Der 42-Jährige und seine damals in Deutschland lebenden Brüder reisten daraufhin in die Türkei, um dem Willen des Vaters Folge zu leisten.

Der bisher unbescholtene Angeklagte hatte sich in der ersten Verhandlung zu den Vorwürfen nicht schuldig bekannt. Während der rund 45-minütigen Fragestellung von Richter Josef Geisler hielten sich die Antworten des fünffachen Familienvaters in Grenzen: "Ich will darauf nicht antworten, weil ich meine Brüder nicht belasten möchte. Ich sage nichts dazu, weil ich mich dadurch selber belasten könnte." Er wolle "keine ergänzenden Aussagen" machen.

Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt
Verteidiger Paul Delazer hatte sich zu Prozessbeginn gegen ein Verlesen der Zeugenaussagen und eine Anhörung des Datenmaterials aus der Türkei ausgesprochen: "Die Zeugen müssen hierher gebeten werden." Man müsse Fragen stellen können. "Mein Mandant hat das Recht auf ein faires Verfahren," forderte er. Daher wurde ein Rechtshilfeersuchen gestellt. Dieses blieb laut Geisler bis heute jedoch unbeantwortet. Der Prozess wurde erneut auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Angeklagte bleibt weiterhin auf freiem Fuß.

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