War damals erst 17

Ehemaliger KZ-Wächter (93) muss vors Jugendgericht

Ausland
17.10.2019 16:45

In Hamburg hat am Donnerstag der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wächter des Konzentrationslagers Stutthof begonnen. Dem heute 93-jährigen Bruno D. wird vorgeworfen, zwischen August 1944 und April 1945 in 5230 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben, da er „die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt“ habe. Kurios: Die Verhandlung findet vor einem Jugendgericht statt, da der Angeklagte zur Tatzeit erst 17 bzw. 18 Jahre alt war.

Der 93-Jährige bekannte sich zu seiner Vergangenheit als SS-Wachmann. Er sei im Sommer 1944 als 17-Jähriger zur Wehrmacht eingezogen worden und habe dann, weil er nicht kriegsverwendungsfähig war, den Marschbefehl nach Stutthof bekommen, sagte sein Verteidiger am Donnerstag in Hamburg. In der Erklärung, die sein Anwalt vortrug, betont D., dass er „nicht freiwillig“ in die SS eingetreten sei. Er habe sich den Dienst im Konzentrationslager auch nicht ausgesucht.

Überlebende treten als Nebenkläger auf
Nach Angaben des Sprechers sind zwölf Verhandlungstage bis zum 17. Dezember vorgesehen. Die Prozesstage werden nicht länger als zwei Stunden dauern, weil der Angeklagte gesundheitlich angeschlagen ist. Rund 25 Überlebende des KZ treten als Nebenkläger auf. Sie kommen aus Polen, Israel, den USA, Australien, Kanada und Litauen.

65.000 Menschen systematisch getötet
Im KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg rund 65.000 Menschen. Während der Wachtätigkeit des Angeklagten sei es zur systematischen Tötung von Lagerinsassen gekommen, teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit. „Häftlinge wurden überwiegend durch Genickschuss im Krematorium des Lagers oder durch Verabreichung von Giftgas getötet.“ Zudem seien zahlreiche Personen durch gezielten Nahrungs- und Wasserentzug sowie Verweigerung medizinischer Versorgung ums Leben gekommen.

Überlebende warteten jahrzehntelang auf Prozess
Der Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, erklärte, die Nebenkläger hätten auf „diesen und die wenigen anderen NS-Prozesse in Deutschland“ Jahrzehnte gewartet. „Dass nur ein Bruchteil der NS-Täter jemals vor einem deutschen Gericht gestanden ist, bleibt für die Überlebenden ein fortwährender Skandal in der deutschen Justizgeschichte und ist Ausdruck dafür, wie erfolgreich SS-Täter in die Gesellschaft zurückgekehrt sind, aus der sie nach Stutthof, Auschwitz oder Dachau aufgebrochen waren“, so Heubner.

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