„Er kam nicht zurück“

Das rätselhafte Verschwinden eines Managers

Tirol
13.07.2019 06:00

Ein in der Schweiz lebender Oberösterreicher macht mit vier Freunden Urlaub in Tirol, besucht dort ein Jungbauernfest - und verschwindet plötzlich spurlos. Unter mysteriösen Umständen. In der „Krone“ spricht jetzt der Bruder des Vermissten.

Robert Ruhmer sitzt im Wohnzimmer seines gemütlichen Hauses in Neulengbach (NÖ). Vor ihm, auf einem Holztisch, steht ein aufgeklappter Laptop. Immer wieder ruft der 42-jährige Informatiker Google Earth auf, er fokussiert das Gebiet um Laimach in Tirol, zoomt die Luftbilder heran, macht sie größer, macht sie kleiner. Als könnte er dadurch eine Erklärung dafür finden, was mit seinem Bruder Klaus (48) geschehen ist. Seit drei Wochen fehlt von dem IT-Manager jede Spur. Mit vier Freunden war er damals auf einer Motorradreise gewesen, zuletzt hatte die Gruppe in Zell am Ziller Station bezogen.

Stimmung war gut an dem Abend
Was weiß Robert Ruhmer über die Stunden vor dem Drama? „Klaus und seine Urlaubsbegleiter aßen am 22. Juni in einer Pizzeria zu Abend, danach spielten sie in dem Lokal noch ein bisschen Darts.“ Die Stimmung sei gut gewesen. Die Männer hätten zwischendurch mit ein paar Leuten aus dem Ort geredet. „Dadurch erfuhren sie, dass ganz in der Nähe, in Laimach, gerade ein Jungbauernfest stattfand - um etwa 23.30 Uhr fuhren sie dann per Taxi dorthin.“

„Er wollte kurz die Toilette aufsuchen - und kam nicht mehr zurück“
In dem Holzgebäude - einem ehemaligen Gerätelager der Feuerwehr - angekommen, setzten sie sich an eine Bar; drei von ihnen verließen die Feier bald, „nur Klaus und einer seiner Freunde blieben zurück, kurz vor 1 Uhr Uhr bestellten sie noch eine Runde Bier“. Und während die beiden auf die Getränke warteten, „wollte mein Bruder kurz die Toilette aufsuchen. Er stand von seinem Hocker auf, ging los - und kam nicht mehr zurück.“

Klaus Ruhmer soll zum Zeitpunkt seines Verschwindens nicht betrunken gewesen sein. Das Festgelände war von Zäunen umgeben - ein Verirren an das Ufer des Ziller scheint damit quasi unmöglich. Ein Selbstmord wird von seinem Umfeld ausgeschlossen, genauso wie ein freiwilliges Absetzen: „Wirklich: Mein Bruder ist glücklich gewesen, er hatte ein gutes Leben.“

Top-Karriere, privates Glück
Die Familie stammt aus dem Bezirk Freistadt in Oberösterreich. „Bereits in der Jugend zog es Klaus in die Ferne. Gleich nach der HTL-Matura wanderte er deshalb in die USA aus.“ Er arbeitete fleißig in seiner neuen Heimat, absolvierte Ausbildungslehrgänge, machte schließlich eine Top-Karriere bei einer IT-Firma. Und auch privat lief alles bestens: Er heiratete eine Amerikanerin, bekam mit ihr zwei Buben - sie sind heute zehn und sieben.

„Trotz der Entfernung - immer blieben wir mit Klaus in Kontakt. Er rief oft unsere Eltern an, und er kam regelmäßig nach Österreich zu Besuch.“ 2014 wurde seine Sehnsucht nach Europa laufend größer, „und er beschloss, wieder in unsere Nähe zurückzukehren“. Rasch fand der IT-Spezialist eine Stelle bei einem angesehenen deutschen Unternehmen, sein Dienstort war fortan die Schweiz.

„Er war immer schon ein sehr positiver Mensch“
„Er ließ sich mit seiner Frau und den Söhnen in einer hübschen Wohnung in Thun nieder - und schien sich sehr wohlzufühlen.“ Überhaupt - „Klaus ist immer schon ein besonders positiver Mensch gewesen. Sogar, als er 2015 an Hautkrebs erkrankte, operiert und bestrahlt werden musste, wurde er nicht depressiv. ,Ich werde wieder ganz gesund’, beruhigte er uns - und er behielt recht.“ Und jetzt diese Tragödie.

„Zuletzt baten wir sogar Hellseher um Hilfe“
Eine Woche lang suchte die Polizei beinahe rund um die Uhr nach dem Vermissten. Mit Spürhunden, Tauchern, Hubschraubern, Drohnen. Doch alle Einsätze verliefen ohne Erfolg. Seine Familie fuhr nach Tirol, „wir durchstreiften Wälder, gingen zig Male die zwei Kilometer lange Strecke von dem Feuerwehrschuppen zu seinem Quartier ab - und in unserer Verzweiflung baten wir sogar Hellseher um Hilfe.“

Der „Fall Klaus Ruhmer“ - er bleibt rätselhaft. Auch für die Kripo. „Denn wenn mein Bruder ins Wasser gefallen und ertrunken wäre - wieso funktionierte dann bis 9 Uhr morgens sein Handy? Und warum ergab eine nachträgliche Standortbestimmung, dass sich das Telefon - ein Samsung Galaxy Note 3 - um 3.10 Uhr noch im Bereich des Festgeländes befunden hat?“

„Grenze des Ertragbaren“
Ist der Manager einem Unfall zum Opfer gefallen - oder einem Verbrechen? Ist er noch am Leben - oder längst tot? Fragen, „die uns quälen, nicht zur Ruhe kommen lassen“, den Vater, die Mutter, die Frau, die Kinder, die Geschwister und die Freunde des Mannes. „Diese Ungewissheit“, sagt Robert Ruhmer und klappt seinen Laptop zu, „bringt uns langsam an die Grenzen des Ertragbaren.“

Wer hat den Mann nach seinem offiziellen Verschwinden noch gesehen? Die Polizei Zell am Ziller ersucht die Bevölkerung um Hinweise, auf Wunsch auch vertraulich, unter der Telefonnummer 059133/7257.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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