5 Jahre Benedikt XVI.
Von “Wir sind Papst!” bis zum Missbrauchsskandal
Die "Bild-Zeitung" zeigte ihre Begeisterung über den deutschen Papst vor fünf Jahren durch die legendäre Schlagzeile "Wir sind Papst!", während sich britische Boulevardblätter mit "From Hitler Youth to Papa Ratzi" einen Nazi-Hinweis nicht verkneifen konnten. Sein Auftritt am Kölner Weltjugendtag im Sommer 2005 vor einer Million Gläubigen nahm auch viele Menschen für ihn ein, die nie einen anderen Pontifex als seinen 27 Jahre lang im Amt befindlichen charismatischen Vorgänger Johannes Paul II. gekannt hatten.
Missbrauchsfälle vertuscht?
Fünf Jahre später ist die öffentliche Begeisterung für Benedikt XVI. verflogen. Stattdessen dominieren nun Schlagzeilen über den Missbrauchsskandal in zahlreichen Einrichtungen der katholischen Kirche die internationalen Gazetten. Der 83-Jährige steht im Kreuzfeuer: Er habe als Erzbischof von München und dann als Glaubenspräfekt gegenüber schuldig gewordenen Priestern zu viel Nachsicht gezeigt, gar Missbrauchsfälle vertuscht, heißt es.
Seine Verteidiger - wie zuletzt der "New York Times"-Kolumnist Ross Douthat - zeichnen allerdings ein anderes Bild: Ratzinger habe sich in seiner Zeit als Präfekt nachgewiesenermaßen für eine effiziente Aufklärung der Fälle eingesetzt. Zu diesem Zweck habe er 2001 alle Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche in die Zuständigkeit der Glaubenskongregation übernommen - während sich zuvor Kirchengerichte oft nur sehr langsam und über viele Jahre damit auseinandergesetzt hatten.
Bendikt XVI. traf Missbrauchsopfer
Der im März veröffentlichte Brief an die irischen Katholiken, in der Benedikt den Bischöfen und schuldig gewordenen Geistlichen die Leviten liest, wird als weiteres Beispiel genannt, dass der Papst sehr wohl gewillt ist, das Übel des Missbrauchs in der Kirche zu bekämpfen. Zudem ist Benedikt XVI. der erste Pontifex, der persönlich Missbrauchsopfer getroffen hat - nämlich 2008 bei seinen Besuchen in den USA und Australien.
Bereits früh in seiner Amtszeit musste der Papst oft heftige Kritik einstecken. Ein Satz aus seiner eher wissenschaftlich gehaltenen Ansprache über Religion und Vernunft an der Universität Regensburg im September 2006, in dem er verurteilende Worte des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos über den islamischen Propheten Mohammed zitierte, führte zu schweren Protesten und Ausschreitungen in der muslimischen Welt. Erst mit seinem Besuch in der Türkei zwei Monate später, wo er in der Blauen Moschee von Istanbul einige Gebetsmomente einlegte, konnte Benedikt die Gemüter wieder beruhigen.
Exkommunikation von Holocaust-Leugner aufgehoben
Anfang 2009 erschütterte erneut eine PR-Schlappe den Vatikan, als der Papst die Exkommunikation der vier Bischöfe der ultrakonservativen Piusbruderschaft aufhob. Fast gleichzeitig sendete ein schwedischer TV-Sender nämlich ein Interview mit dem britischen Pius-Bischof Richard Williamson, in der dieser freimütig den Holocaust leugnete. Obwohl die Aufhebung der Exkommunikation eigentlich auf eine Versöhnung mit der seit 1988 von der katholischen Kirche abgespaltenen Gemeinschaft hinzielte, räumte der Papst in einer Botschaft im März 2009 ein, der Vatikan hätte bei seinem Vorgehen besser auf die "im Internet zugänglichen Nachrichten" über Williamson achten müssen.
Stiller Intellektueller und Bestseller-Autor
Bei all diesen medialen Debatten gerät die eigentliche Gestalt von Benedikt allerdings etwas ins Hintertreffen: Jene eines stillen Intellektuellen und Theologen, der sich besonders mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft auseinandersetzt und gleichzeitig "die Freundschaft mit Jesus Christus" in den Mittelpunkt seiner Predigten und Ansprachen stellt. Mit seinem Buch "Jesus von Nazareth", dessen zweiter Band in den nächsten Monaten erscheinen soll, konnte der Papst 2007 gar einen internationalen Sachbuch-Bestseller landen.
Seine bisherigen Auslandsreisen haben Benedikt XVI. auch schon nach Österreich geführt: Im September 2007 pilgerte er zum 850. Jahrestag von Mariazell in den steirischen Wallfahrtsort. Auch der Hauptstadt Wien und dem Stift Heiligenkreuz im Wienerwald stattete er einen Besuch ab.
Für das heurige Jahr sind Visiten in Portugal und Großbritannien geplant - wo sich im Übrigen derzeit die atheistischen Aktivisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens für eine Verhaftung des Papstes wegen der Missbrauchsskandale einsetzen.
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