Vom Westen abgelehnt

Landen IS-Kämpfer nun vor irakischen Gerichten?

Ausland
21.02.2019 13:52

Sie zogen los in den Dschihad und landeten im juristischen Niemandsland: Hunderte ausländische Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat sitzen derzeit in Syrien in Gefangenschaft. Ihre Lage ist schwierig. Ein Prozess im Kriegsland Syrien ist keine Option, und die meisten Heimatländer scheuen sich, die unliebsamen Staatsbürger nach Hause zu holen, weil sie als Sicherheitsrisiko gelten. Ein Ausweg kristallisiert sich nun offenbar langsam heraus: Die irakische Justiz soll sich um die Gefährder kümmern. Tatsächlich sind bereits zahlreiche von syrischen Kurden festgenommene IS-Kämpfer an die Behörden des Nachbarlandes übergeben worden. Erst in den vergangenen Tagen sollen es an die 150 Personen gewesen sein. Dies behauptet zumindest eine Kurdenmiliz.

Angehörige und Menschenrechtler warnen aber, dass die Abgeschobenen keinen fairen Prozess erhielten. „Im Irak drohen ihnen Folter und ungerechte Verfahren“, sagt die Menschenrechtsexpertin Belkis Wille von Human Rights Watch. Nach irakischem Recht ist es möglich, Dschihadisten zu verurteilen, selbst wenn sie nicht im Irak gekämpft haben, sagt der irakische Experte Hisham al-Hashemi. Für eine Verurteilung reiche es, wenn sie über den Irak nach Syrien gereist seien.

Geschäft mit IS-Häftlingen?
Auf dieser Grundlage könnten Hunderte ausländische IS-Mitglieder aus Syrien verurteilt werden, sagt Hashemi, der ein guter Kenner der irakischen Sicherheitspolitik ist. Von der irakischen Justiz oder Regierung ist dazu nichts zu hören, doch laut Hashemi wurde auf höchster Ebene bereits eine geheime Vereinbarung in diesem Sinne getroffen. Auf diese Weise vermieden die Heimatländer die unpopuläre Entscheidung, unliebsame Dschihadisten nach Hause zu holen, weiß Hashemi. Der Irak erhielte im Gegenzug „ultramoderne Waffen und wichtige militärische Ausrüstung“ - ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Und das ist ein Geschäft mit dem Tod, denn im Zweistromland sind bereits Hunderte ausländische IS-Mitglieder in Schnellverfahren verurteilt worden. Rund hundert Todesurteile sollen ebenfalls gefällt worden sein.

Nach der Forderung von US-Präsident Donald Trump, westliche Staaten sollen ihre eigenen in Syrien inhaftierten Staatsbürger übernehmen, läuft derzeit eine große Debatte über die Möglichkeiten, inwiefern man dieser Forderung entsprechen sollte bzw. welche Gründe dagegen sprechen. Einige Staaten wie Großbritannien, Belgien, Schweden und die Niederlande sprechen sich gegen Rücknahmen aus. Andere Staaten - darunter auch Österreich - wollen Einzelfälle prüfen und unter bestimmten Voraussetzungen aufnehmen. Hier nennt Bundeskanzler Sebastian Kurz vor allem Frauen und Kinder von IS-Kämpfern.

Bosnien prüft Übernahme von IS-Kämpfern
Vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass Bosnien-Herzegowina offenbar ebenfalls bereit ist, IS-Kämpfer und deren Familien wieder zurückzunehmen. Wie die Belgrader Tageszeitung „Politika“ berichtete, arbeiten derzeit bosnische Behörden an einem entsprechenden Plan. Sicherheitsminister Dragan Mektic bestätigte gegenüber dem Blatt, dass derzeit „bestimmte Gespräche und Korrespondenz“ geführt würden. Die bosnische Tageszeitung veröffentlichte ein Schreiben von drei bosnischen Frauen, die sich samt Kindern derzeit im syrischen Flüchtlingslager Roj befinden und um die Rückkehr in die Heimat bemüht sind. Wie Mektic für die Belgrader Tageszeitung erläuterte, sei die Übernahme der Frauen und Kinder möglich, falls sie die bosnische Staatsbürgerschaft besäßen. Die in Syrien geborenen Kinder hätten diese allerdings nicht.

Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Kosovo führten ab 2015 relativ strenge Gesetze gegen Menschen ein, die sich Terrororganisationen wie dem IS angeschlossen haben. Rückkehrer werden seitdem meist zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Zum Westen gibt es einen gravierenden Unterschied: die IS-Kämpfer stammen nicht aus muslimischen Einwanderergesellschaften, sondern aus ansässigen muslimischen Bevölkerungen. Insofern gibt es die Debatte über den Entzug der Staatsbürgerschaft nicht. 845 der „Foreign Fighters“ in Syrien und im Irak stammen laut der New Yorker Forschungsstelle The Soufan Center aus der Balkan-Region.

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