Album und Wien-Konzert

Boyband Backstreet Boys: Die letzten Überlebenden

Musik
24.01.2019 07:00

Mehr als 25 Jahre nach ihrer Gründung gehen die Backstreet Boys mit dem brandneuen Album „DNA“ auf ihre größte Tour seit Ewigkeiten. Das Konzert in der Wiener Stadthalle war innerhalb nur weniger Minuten restlos ausverkauft. Der Hype um das Quintett aus Florida ist heute so hoch wie seit knapp zwei Dekaden nicht mehr. Doch was macht sie so zeitlos erfolgreich?

(Bild: kmm)

Wer Mitte bis Ende der 90er-Jahre Kind oder Heranwachsender war, für den gab es grob umfasst drei musikalische Welten. Die wirklich Coolen huldigten dem Vermächtnis des Grunge und ließen sich vom aufkommenden Nu-Metal mitreißen, andere, nicht weniger Coole, ließen sich von Eurodance-Beats und Gigi D’Agostinos Erfolgssingles durchschütteln und die Allermutigsten unter Gottes Sonne gaben sogar freimütig zu, dass sie Take That gar nicht übel finden und die neue Single der Backstreet Boys „so richtig rockt“. War man dereinst männlichen Geschlechts, konnte es schon passieren, dass es dafür Hiebe setzte, denn Boybands hören war weiland nur der Damenwelt erlaubt. So stand es zumindest in den ungeschriebenen Gesetzen der adoleszenten Musikkonsumation. Heute, freilich, hat sich das Blatt gewendet. In der Nostalgieschleife hängende Mittdreißiger dürfen all das bedenkenlos lässig finden, was man damals in der Werkstunde mit dem Hammer bearbeitete.

Letzte Überlebende
2019, mehr als 25 Jahre nach der Bandgründung, wird das vorläufig üppigste Jahr der Backstreet Boys seit ewig. Auf ihrer großen Europa- und US-Tour schauen sie am 28. Mai auch in Wien vorbei. Die rund 15.000 Tickets für die Stadthalle waren innerhalb weniger Minuten ausverkauft - einen ähnlichen Hype gab es diese Saison nur um die Stadion-Karten für Rammstein. Dass das Quintett seine derzeitige Omnipräsenz als Comeback tituliert, ist nur teilweise richtig. Spätestens nach der Rückkehr des verlorenen Sohns Kevin Richardson im Jahr 2012 waren die Backstreet Boys relativ regelmäßig auf der Bühne, 2013 gab es zudem das gefeierte Album „In A World Like This“. Von der großen Welle der 90er-Boybands sind die Backstreet Boys die letzten in Würde Überlebenden. Take That sind eher in überschaubaren Arenen aktiv und beobachten von außen, wie Ex-Mitglied Robbie Williams Europas Stadien füllt. Von *NSYNC lebt im Prinzip nur Pop-Crooner Justin Timberlake und auch bei den New Kids On The Block (Schauspieler Donnie Wahlberg) und Caught In The Act (Schlagerstar Eloy de Jong) sind Einzelmitglieder längst in anderen Gefilden erfolgreich.

Das Glück der Backstreet Boys ist also dem Pech der Mitglieder geschuldet, denn Nick, Kevin, AJ und Co. schafften es allesamt nicht, sich nach Ende des großen Hypes rund ums Millennium eine eigene Top-Karriere aufzubauen. Zudem: Wenn man die mittlerweile auch in alle (Solo)Winde verstreuten One Direction rausnimmt, gab es in den letzten Jahren keine relevante Boygroup mehr. Das einst so erfolgsträchtige Genre lebt von der Nostalgie und Erinnerungen - und sichert zumindest den Backstreet Boys immer noch ein Leben im Wohlstand. Dieser Tage erscheint - passend zu den kommenden Touren - zudem ihr neuntes Studioalbum „DNA“. Die Nostalgie spielt dabei bei den Bandmitgliedern selbst eine große Rolle. In einem Pressestatement gaben sie zur Orientierungshilfe bekannt, dass sie für das Album die individuelle DNA jedes Bandmitglieds erforscht hätten, um herauszufinden, was die DNA der Band so besonders und einzigartig macht. Andererseits steht DNA aber auch für „Digital And Analogue“, was wiederum den musikalischen Weg der Band über die letzten 25 Jahre widerspiegelt.

Späte Gerechtigkeit
Musikalisch darf man sich keine großen Sensationen erwarten. Die vorab ausgekoppelte Single „Don’t Go Breaking My Heart“ orientiert sich an den großen Erfolgen der Frühzeit, andere Songs kokettieren stärker mit Country- und R&B-Elementen, was eindeutig dem derzeitigen US-Trend geschuldet ist. Die Balladendichte ist erwartungsgemäß hoch, die Stimmen winden sich in galaktische Sphären und das Thementriumvirat Liebe, Beziehung und Leidenschaft zieht sich als roter Faden durch die zwölf Kompositionen, bei denen auch Shawn Mendes oder OneRepublic-Frontmann Ryan Tedder Hand angelegt haben. Überraschungsarm, aber stilsicher. Es ist eine skurrile Fußnote im verrückten Musikbusiness, dass die Backstreet Boys gerade jetzt weit mehr Millionen scheffeln als je zuvor. In ihrer Hochphase öffnete nämlich der mittlerweile verstorbene Ex-Manager Lou Pearlman sein Säckel und streifte kompromisslos ein, was möglich war. Die späte Gerechtigkeit lautet heute also: 25 Jahre Haft für den einen, Welterfolge und ungebrochene Beliebtheit bei den anderen.

Auch im Alter von Ende 30 bis Ende 40 sitzen die Choreografien auf der Bühne, die Fitness passt und als gealterte Schönlinge verdrehen die Backstreet Boys mittlerweile einer gediegeneren Generation den Kopf. Und auch wenn auf „DNA“ der eine oder andere potenzielle Hit drauf wäre, es wird - wie schon bei den letzten Studioalben - kein Hahn danach krähen. „Everybody“, „I Want It That Way“, „As Long As You Love Me“ oder „Quit Playin‘ Games“ sind die Lieder, die man heute immer noch liebt, oder zumindest ohne Androhung von Schlägen gefürchteter Schulrüpel genießen kann. Ein neues Studioalbum ist eine schöne Rechtfertigung, um zu touren und kompositorische Relevanz vorzutäuschen, doch nur die alten Hadern sorgen gut zwei Dekaden nach ihrer Entstehung für Knistern und Gänsehaut. Mit dem Begriff „Boyband“ haben sich die Backstreet Boys nach all den Jahren längst ausgesöhnt - und die Verkäufe beweisen eindrucksvoll, dass sie „Larger Than Life“ sind. Heute vielleicht gar nicht einmal so viel weniger wie vor 20 Jahren.

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