„Krone“-Interview

Herr Kogler, wie arbeiten die Grünen am Comeback?

Österreich
29.07.2018 06:00

Werner Kogler muss als interimistischer - und vermutlich bald auch als fixer - Chef der Grünen die Trümmer der Partei aufsammeln und die Wiederbelebung schaffen. Im „Krone“-Interview spricht der 57-jährige Steirer über die Fehler, die passiert sind, über Spaßbremsen, Peter Pilz, sein Wahlziel und warum er nicht das Handtuch wirft. 

Werner Kogler redet und redet und redet. Wirft man ihm ein Stichwort zu, sprudelt es nur so aus ihm heraus, er kommt vom Hundertsten ins Tausendste, um dann schließlich doch eine knackige Formulierung zu finden. Da verwundert es auch nicht, dass er nach wie vor den Rekord für die längste Rede im Nationalrat hält - zwölf Stunden und 42 Minuten. 

„Krone“: Herr Kogler, die Grünen arbeiten am Comeback, an der Wiederauferstehung? Ist die Vergangenheitsbewältigung bereits abgeschlossen?
Werner Kogler: Ja, diese Phase haben wir hinter uns. Wir haben Fehltritte mit Anlauf hingelegt, das war mehr als nur ein Betriebsunfall. Wir waren wie ein Unternehmen, das nicht rechtzeitig auf Innovationen schaut. Aber deshalb muss man ja nicht gleich die ganze Karawane austauschen.

Muss man nicht nach solch einem Desaster?
Es gibt auch Dinge und Strukturen, die funktionieren, man muss nicht alles komplett neu erfinden. Aber natürlich muss sich etwas ändern. Wir brauchen Leute, die sich etwas trauen, die für etwas brennen, die näher bei den Menschen sind. Wir müssen attraktiver aussehen, wie eine neue blühende Wiese und nicht wie alte Schlapfen.

Grüßen Sie Peter Pilz eigentlich noch?
Ja natürlich, aber wir sehen uns sehr selten.

Empfinden Sie angesichts der öffentlichen Selbstdemontage und des rasanten Untergangs der Liste Pilz Schadenfreude?
Nein. Es wäre gut, wenn die Liste Pilz die Füße auf den Boden bekommen würde. Ich würde einigen dort schon etwas zutrauen.

Wie sehr schmerzt es Sie, wenn Sie auf das Parlament schauen? Auf eine schwächelnde bis kaum vorhandene Opposition?
Ich bin da schmerzbefreit. Aber es wäre schon gut, wenn die dort mehr zusammenbringen würden.

Dass die Grünen zurück ins Parlament wollen, ist ja kein Geheimnis. Geben Sie sich mit dem Erreichen der Vier-Prozent-Hürde für den Einzug zufrieden?
Nein. Unser Ziel lautet zweistellig! Uns ist klar, dass wir nicht die Hundert-Prozent-Truppe sind, aber es ist das Potenzial für 20 bis 30 Prozent vorhanden. Man muss halt für die Mehrheit der Menschen verständlich sein, und darauf haben wir zu wenig geachtet.

Die Grünen galten zuletzt mehr und mehr als Spaßbremse, als diejenigen, die alles verbieten wollen.
Das stimmt schon, dieses Image ist da gewesen, aber in der Sache teilweise unberechtigt. Andererseits: Wenn ich mir anschaue, was die anderen jeden Tag verbieten wollen ...
Aber man ist natürlich selbst für sein Image verantwortlich. Ich will mir generell kein Schild umhängen lassen. In manchen Überzeugungen und Lösungen sind wir natürlich links, müssen das aber nicht wie eine Monstranz vor uns hertragen.

Die Grünen wollen nicht mehr links sein?
Die Sache ist wichtiger als die Einordnerei - etwa eine gerechtere Familienpolitik. Denn für die jetzige Regierung gilt: Wo schon viel ist, kommt noch was dazu, wo wenig ist, kommt nichts dazu, und wo noch weniger ist, nimmt man noch etwas weg. In der Migrationsfrage ist die Zuschreibung, „dass wir alle reinlassen wollen“, ein völliger Holler. Es braucht Ordnung und Menschlichkeit.

Mit welchen Themen wollen Sie denn nun punkten?
Da gibt es vor allem unser Kernthema Umwelt. Mit allem, was dazugehört - Ernährung, Wasser, Landwirtschaft. Wir blicken jetzt nach vorn. Lange Zeit haben sich Grüne in anderen Ländern etwas von uns abgeschaut, jetzt schauen wir nach Belgien und den Niederlanden, wo die Grünen stark zugelegt haben. Wir haben eine Wiederaufbau-Tournee durch das ganze Land gestartet, auch in Gasthäusern.

Die Partei ist nach dem Wahldebakel auch in ein finanzielles Fiasko geschlittert. Der Schuldenberg beträgt fünf Millionen Euro. Wie wollen die Grünen überleben?
Für die alten Schulden gibt es einen Abbauplan, das läuft drei Jahre. Über die Neufinanzierung denken wir nach. Im Herbst starten wir mit einer guten alten Spendensammlung, aber auch Crowdfunding (Finanzierung durch eine Gruppe, die in irgendeiner Art an dem Projekt beteiligt ist, Anm.) ist eine Idee.

Beim Bundeskongress im November wird das neue Führungsgremium gewählt Mit Ihnen an der Spitze?
Das ist noch offen. Wir müssen auch Leute von außen dazuholen. Und ich habe bei allen bisherigen öffentlichen und internen Debatten seit der Nationalratswahl immer wieder klargestellt, dass ich nicht mehr dabei bin, wenn wir zu wenig weiterbringen.

Haben Sie persönlich nie daran gedacht, das Handtuch zu werfen. Nach dem Motto: Wir sind abgewählt, jetzt gehe ich.
Ich bin sehr lange verwoben mit den Grünen, das ist auch eine emotionale Bindung. Gleich nach der Wahl war es wichtig, dass Ingrid Felipe (kurzfristige, glücklose Parteichefin auf Bundesebene und seit 2013 Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol, Anm.) wieder nach Tirol ging - und ich war dann der letzte Stellverteter. Mir war immer klar, dass es eine grüne Bewegung geben wird in Österreich. Wenn es mit den alten Strukturen nicht geht, dann eben anders.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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