Nichts für jedermann!

Herdenschutzhunde: Hüte mich vor dem „bösen“ Wolf!

Tierecke
26.06.2018 11:16

Einmal gebellt oder die Zähne gefletscht - schon zieht so ein Wolf den Schwanz ein! Herdenschutzhunde gelten als letzte Hoffnung für Almbauern, denen der Räuber immer mehr Schäfchen reißt.

Wie mächtiges Donnergrollen werfen die Felsen das Bellen der Maremmano Abruzzesen des Bergbauern Georg Höllbacher aus Vigaun im Salzburgischen zurück. Das Echo hallt endlos dort oben auf den Hochalmen. So laut ist es, dass es sogar alte und schon taube Bären hören müssen. Und Wölfe sowieso. „Raubtier möchte ich ja keines sein, wenn meine Herdenhunde bei den Schafen sind. Denn da kennen sie keinen Spaß“, schildert Höllbacher. Seit fünf Jahren lässt er seine Almtiere von bellenden Leibwächtern beschützen. Und die grauen Räuber hatten bisher immer das Nachsehen. Denn Canis Lupus – so sein lateinisch-zoologischer Name – wagt sich erst gar nicht in die Nähe der weißen Wollknäuel.

Wölfe halten sich fern
Das liegt wahrscheinlich auch an der imposanten Größe seiner Schützlinge „Jenny“, „Aris“ und „Oreon“, die bei mehr als 75 Zentimetern ein Gewicht von 45 Kilo auf die Waage bringen und damit grimmig jedem Meister Isegrim Ehrfurcht einjagen. Gewittert wird der anschleichende Räuber schon lange bevor er sich aus der Deckung wagt. Meist genügt ein tiefes Grollen oder heftiges Bellen von Weitem, um – wenn es so weit ist – den Zähne fletschenden Angreifer in die Flucht zu schlagen. Erst wenn sich der graue Räuber – von Hunger und Fresslust getrieben – dennoch unbeirrbar anschleicht, stürmen die Hunde im Schafspelz los.

„Notfalls gilt bei der Konfrontation da oben eben das Recht des Stärkeren – und der ist so gut wie immer der Herdenschutzhund. Ist der Angriff abgewehrt, kehren die vierbeinigen Leibwächter seelenruhig zu ihren Wollis zurück, und es herrscht wieder bergidyllische Ruhe“, bestätigt Österreichs Wolfsexperte Jürgen Arno Auer. Gnadenlos von der Weide verjagt werden aber auch fürwitzige Füchse, wühlende Wildschweine und auch aggressive Krähen, die – wie jüngst ein Fall bei einem Biobauern in der Nähe von Wien beweist – sogar schutzlosen Hirschkälbchen und Waldschafen die Augen auszuhacken vermögen.

Hund und seine Schützlinge zur Familie machen
Doch bis die Symbiose zwischen bellenden und blökenden Vierbeinern funktioniert und der Hund wirklich Schafes Bruder wird, braucht es Fingerspitzengefühl. Das ist schon beim ersten Atemzug der von Natur aus doch grundverschiedenen Tiere gefragt! Zur Familie wachsen die ungleichen Gesellen nämlich gleich beim ersten Lebenslichtblick im Stall zusammen. Welpe und Lämmchen tollen dort wie Geschwister im Stroh. Im Idealfall kommen die Hunde in einer Box mit den anderen Tierbabys auf die Welt und fühlen sich dann gleich als Zicklein oder Schäfchen. Blöken und meckern aber exklusive. Bisweilen leben die Herdenschützer sogar mitten unter Kühen, je nachdem ob sie später genau diese Bauernhoftiere vor blutigen Wolfsübergriffen bewahren sollen.

Doch so einfach ist die Haltung von Maremmanos, Kangals oder Komondors, den putzig anmutenden Zotteln unter den Almbodyguards, nicht. Denn mit normalen Hunden sind sie vom Verhalten nicht vergleichbar. „Anders als Border Collies, die ihre Herde auf Zuruf oder Handzeichen des Schäfers zusammentreiben, treffen diese speziellen Vierbeiner ihre Entscheidungen selbstständig und nach Instinkt“, so Höllbacher, der mit seiner speziellen Beratungsstelle wertvolle Aufklärungsarbeit leistet. Nicht jede Rasse eignet sich also als Lupus-Schreck! Kräftige Burschen wie Rottweiler oder Bernhardiner kommen fürs Wolfsvertreiben nicht infrage, weil sie doch treu aufs jeweilige Frauerl oder Herrl fokussiert sind. Anders ist das beim Almbauern – denn der wird von seinen Hütehunden wie ein zweibeiniges Schaf und Teil des Rudels anerkannt!

Viele Hürden zu überwinden
Dennoch ist dieses segensreiche Zusammenleben voller Hürden, da es noch nicht gesetzlich klar geregelt ist. Denn frei herumlaufen - wie die Begleiter von Jägern - dürften die Wächter eigentlich nicht. Und so viele Hunde wie es Tiere aufgetrieben werden, müssen erst entsprechend teuer gezüchtet werden. Das aber wirft neue Probleme auf. Denn erst nach einem Jahr stellt sich die Tauglichkeit eines Welpen heraus. Manche sind zu aggressiv. Einer habe sogar schon ein Schaf getötet, weiß Höllbacher. Auch das Tierschutzgesetz hat Tücken: Denn vorgeschrieben sind Schlechtwetter-Unterstände, in die sich der Hund aber nur ja nicht verkriechen darf. Denn die Räuber lauern genau auf diesen Moment, um sich die Schafe zu holen. Also wachsam bleiben, ihr Kangals und Kuvasz!

Mark Perry, Kronen Zeitung

Das richtige Verhalten bei der Begegnung mit Herdenschutzhunden

  • Wanderer: Sofort stehen bleiben und keinen Mucks von sich geben. Erst wenn der Schutzhund aufhört zu bellen - wenn der Zweibeiner also nicht mehr als Bedrohung für die Herde angesehen wird - darf weitergewandert werden. Das Weidegebiet sollte dann weitläufig umgangen werden. Im Zweifelsfall umkehren!
  • Radfahrer: Absteigen und das Rad keinesfalls bedrohlich als Schutzschild oder zur Abwehr verwenden.
  •  Mit Hund: Bei einem Angriff unbedingt von der Leine lassen.
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