Würde man Liebe und Freundschaft auf zwei Waagschalen verteilen, was wöge schwerer? Hätte die Kraft der Liebe oder jene der Freundschaft mehr Gewicht? Und was, wenn die Grenzen verschwimmen, wenn Emotionen unbestimmte Herzenskoordinaten abstecken, wenn sich Nähe und Seelenverwandtschaft wie ein vielstimmig zurückkommendes Echo ausnehmen, wenn sich die Passion an der Sorge um die geliebte Person entzündet und vage Sehnsucht doch alles zu zerstören vermag?
Jugendlieben haben bisweilen eine lange "Halbwertszeit". Da gibt es Augenblicke schemenhafter Erinnerung, die noch nach Jahrzehnten aktuelles Begehren überstrahlen, Bilder, die der Seelenprojektor an leere Daseinsstellen wirft...
Eine Freundschaft in Kriegszeiten
Das hochemotionale Leinwandepos "Edge of Love", Regie: John Maybury, folgt den Spuren des walisischen Dichters Dylan Thomas und versteigt sich in ein literarisch-amourös inspiriertes Labyrinth der Gefühle mit prominenter Besetzung, brillieren doch die Aktricen Keira Knightley und Sienna Miller in dieser Geschichte einer tiefen Freundschaft in Kriegszeiten, die auch die Rivalität zweier Frauen und ihr Buhlen um denselben Mann thematisiert. Die fesselnde Nahaufnahme einer Epoche, in der Fliegeralarm die Menschen in Luftschutzkeller trieb - und die Euphorie, wieder einmal überlebt zu haben, vieles möglich machte.
Dylan Thomas also. Wer ihn als walisischen Trinker bezeichnet, mag nicht ganz unrecht haben, verstanden hat er den 1914 in Swansea geborenen Poeten, dessen sprachlich-ungestüme Ästhetik jener eines Verlaine, Rimbaud oder Baudelaire ähnelt, aber nicht.
Dylan, der mit verträumt-melancholischen Worten die Hyroglyphen der Natur zu übersetzen suchte, um sich mehr und mehr in einem Gestrüpp aus Weltschmerz und Lebenswut zu verheddern, er, der erschöpft gegen die Weltmüdigkeit anschrieb und nur 39-jährig starb, arbeitete während des Zweiten Weltkrieges als Reporter und Autor für Propagandadrehbücher im Dienste des britischen Ministry of Information. Hier setzt der Film "Edge of Love" an, und er orientiert sich an authentischen Figuren, erzählt von den Facetten gelebter Loyalität und von den Schattierungen der Liebe.
Gefährliche Dreiecksbeziehung
Da treffen einander im Londoner Kriegsalltag des Jahres 1944 die junge Sängerin Vera Phillips - Keira Knightley - und der charismatische Dichter Dylan Thomas in einem Pub wieder. Eine Jugendliebelei in dörflich-walisischer Abgeschiedenheit hatte sie einst zusammengeschmiedet. Dylan - Matthew Rhys - spielt erneut mit dem Feuer, ist jedoch mit der extravaganten Caitlin - Sienna Miller - verheiratet, die sein Bohemiendasein nach Kräften unterstützt. Als das Ehepaar aus Wohnungsnot mit Vera zusammenzieht, entspinnt sich ein spannungsgeladenes Näheverhältnis, das die beiden Frauen ihre tiefe Seelenverwandtschaft entdecken lässt.
Caitlin und Vera werden Freundinnen zwischen Verlangen nach demselben Mann und Vertrauen. Daran ändert auch Veras zögerliche Heirat mit einem jungen Offizier nichts. Während dieser einberufen wird, zieht Dylan mit seinen beiden Musen aufs Land. Als Veras Mann schwer traumatisiert aus dem Krieg heimkehrt, birst das fragile Beziehungsgeflecht.
Keira Knightley, die zuletzt in "The Herzogin" und "Abbitte" mit ihrer großartigen Performance überzeugte: "Diese Dreharbeiten waren trotz der schwierigen Paarkonstellationen mit viel positiver Energie aufgeladen. Abends saßen wird zusammen, lasen Dylan Thomas' Gedichte und tranken ziemlich viel Rotwein. Ich glaube, die Poesie ist eine anspruchsvolle Geliebte. Und dass Poeten oder Schriftsteller verdammt schwierige Liebhaber sind. Die Literaturgeschichte ist voll von eigenwillig-amourösen Beispielen."
von Christina Krisch, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.