"Haarsträubend!"

Empörung wegen Hinweis auf “Mitwirkungspflicht”

Österreich
17.02.2009 19:00
Im Fall des am vergangenen Mittwoch von der Wiener Polizei mit einem Drogendealer verwechselten US-Lehrers Michael B., der nach eigenen Angaben in einer U-Bahn-Station von zwei Beamten gefasst und dabei verletzt wurde, gehen die Wogen nach wir vor hoch. Laut seinem Anwalt wartet er noch immer auf eine Entschuldigung durch die Polizei, die unterdessen durch ihren in diesem Zusammenhang geäußerten Hinweis auf "Mitwirkungspflichten" von Verwechslungsopfern an der Klärung von Sachverhalten für Empörung sorgte.

"Das ist ja haarsträubend!", meinte Anwalt Alexander Hofmann am Dienstag. "Wie hätte mein Mandant auf die Verwechslung hinweisen sollen, nachdem man sich auf ihn gestürzt und auf ihn eingeprügelt hatte, ohne dass er wusste, dass es sich um eine Amtshandlung der Polizei handelte?" Michael B. sei mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufgeschlagen, dann habe man ihn festgehalten. Erst nach drei Minuten habe einer der Beamten "Polizei, Polizei" gerufen.

Auf die Aufforderung der Lebensgefährtin des Lehrers, die Dienstmarken vorzuweisen, hätten die Polizisten zunächst nicht reagiert. Erst als die Frau nach mehreren Minuten gedroht habe, den Polizeinotruf zu wählen, hätten sich die Männer als Beamte zu erkennen gegeben, erläuterte Hofmann, der den beiden Beamten neben einer Verletzung interner Richtlinien Körperverletzung und Amtsmissbrauch vorwirft. Der Ermittlungsakt wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wien noch am Montag an die Oberstaatsanwaltschaft weitergeleitet.

Will Polizei dem Lehrer Teil der Schuld zuzuschieben?
Nach den Wiener Grünen hat auch der Anti-Rassismus-Verein ZARA die Äußerungen der Polizei bezüglich der Mitwirkungspflicht von Verwechslungsopfern an der Klärung des Sachverhalts kritisiert und diese "mehr als zynisch" genannt. Die Formulierung von Landespolizeikommandant Karl Mahrer, es müsse nun geklärt werden, "warum Gewalt eingesetzt wurde", stelle darüber hinaus einen Versuch dar, Michael B. einen Teil der Schuld zuzuschieben.

"Nicht die angebliche Verwechslung ist das Problem, sondern - so sich die Vorwürfe bestätigen - die Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes", kritisierte ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl am Dienstag in einer Aussendung. Es sei eine grobe Verletzung von Menschenrechtsstandards, sollten die Beamten sich tatsächlich nicht als Polizisten zu erkennen gegeben und Michael B. nicht über den Zweck der Amtshandlung informiert haben.

"Die Vorgangsweise der Polizeiführung zeigt, dass weiterhin großer Handlungsbedarf beim Umgang mit Misshandlungsvorwürfen besteht", erklärte der Verein. Dringend nötig sei daher die Entwicklung einer Kultur innerhalb der Polizei, in der ein produktiver Umgang mit Fehlern möglich ist. Zugleich zeige der Fall auf, welche Konsequenzen "racial profiling", also die Einordnung von Tatverdächtigen aufgrund ihrer Hautfarbe, haben kann, so ZARA.

"Ansehen des Amtes und des Dienstes nicht gefährdet"
Von der Bundespolizeidirektion bisher bestätigt ist die Verwechslung des US-Lehrers mit einem mutmaßlichen Drogendealer. "Die Polizisten sind nicht suspendiert, weil nach Dienstrechtsparagraf 112 das Ansehen des Amtes und des Dienstes dadurch nicht gefährdet sind", erklärte Sprecherin Iris Seper. Welche Konsequenzen eine derartige Verwechslung für die betreffenden Beamten haben kann, sei von Fall zu Fall verschieden. "Es gibt nichts Grundsätzliches, wir müssen da erst die Ermittlungsergebnisse abwarten", so die Sprecherin. "Sollte es Konsequenzen geben, kommt der Fall zu einer unabhängigen Disziplinarkommission. Es kann vom Verweis bis zu einer Entlassung gehen."

Die Freiheitlichen stellten sich nach dem Vorfall hinter die Polizei: "Dass der polizeiliche Zugriff bei Festnahmen - gerade bei Personen mit erhöhter Gewaltbereitschaft wie Drogendealern - nicht zuletzt aus Gründen der Eigensicherung mit einer gewissen Vehemenz und Zielstrebigkeit zu erfolgen hat, ist grundsätzlich nicht verwerflich, ebenso auch nicht das Fixieren von festgenommenen Personen auf dem Boden", erklärte der Nationalratsabgeordnete Werner Herbert, Vorsitzender der AUF/Exekutive. Dass daraus aber fast reflexartig ein Misshandlungsvorwurf erhoben und ein vermeintlicher Polizeiübergriff konstruiert werde, erscheine nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch höchst eigenartig. "Die Verwechslung eines unbescholtenen Menschen mit einem Drogendealer sollte natürlich nicht passieren", meinte Herbert.

Opfer hat Prellungen im Bereich der Lendenwirbelsäule
Michael B. befindet sich wegen Prellungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seit Samstag im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus und wird stationär behandelt, erklärte die ärztliche Leitung des Spitals. Der Lehrer sei wegen seinen Verletzungen bereits am Mittwoch dort untersucht worden und habe das Krankenhaus drei Tage später wegen Schmerzen erneut aufgesucht.

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