Biografie erscheint

Amanda Knox: “Ich habe vor Merediths Leiche getanzt”

Ausland
26.04.2013 17:00
Drogen, Sex, Alkohol: Amanda Knox spricht in ihrer am 30. April in den USA erscheinenden Biografie "Waiting to Be Heard – Darauf warten, gehört zu werden" über jene Nacht, in der ihre Mitbewohnerin, die 21-jährige britische Studentin Meredith Kercher, grausam getötet wurde. Dabei offenbart sie unter anderem, dass sie vor der Leiche umhertanzte und sang. Auch sexuelle Übergriffe während ihrer Haftzeit thematisiert Amanda.

"Ich war bei mir zu Hause und habe mit Raffaele Marihuana geraucht, was für uns so alltäglich war wie Pasta essen. Fast eine Stunde lang habe ich auf der Gitarre Beatles-Lieder gespielt, bis wir beschlossen, in Raffaeles Wohnung zu wechseln. Dort haben wir den Film 'Die zauberhafte Welt der Amelie' gesehen und noch mehr Marihuana geraucht. Dann habe ich laut aus einem Harry-Potter-Buch auf Deutsch vorgelesen."

In dieser Zeit, während Amanda Knox und Raffaele Sollecito im Drogenrausch ihre junge Liebschaft feierten, soll die britische Studentin Meredith Kercher von einem Abendessen in die gemeinsame - vom Paar bereits verlassene - Wohnung heimgekehrt, vergewaltigt, stranguliert und massakriert worden sein. So schildert es zumindest Amanda Knox in ihrer am 30. April in den USA erscheinenden Biografie "Waiting to Be Heard – Darauf warten, gehört zu werden". 3,5 Millionen Euro Vorschuss-Honorar war dem Verlag der programmierte Bestseller wert.

Sexuelle Übergriffe und Misshandlungen
Die Rechnung geht auf. Erste Auszüge aus dem laut "New York Times" literarisch wertvoll verfassten Werk lassen die Wogen hochgehen. In den USA werden vorwiegend jene Passagen zitiert, die ein denkbar schlechtes Licht auf den italienischen Justizapparat werfen. Unmittelbar nach der Verhaftung am 6. November 2007 sei es zu Übergriffen vonseiten des untersuchenden Arztes und Misshandlungen beim Verhör gekommen: "Ich musste mich nackt ausziehen und er vermaß meine Genitalien mit der Hand. Meine intimsten Stellen wurden fotografiert. Eine Polizistin schlug mir während der Einvernahme wiederholt auf den Hinterkopf. Meine Bitte nach einem Anwalt löste ein Erstaunen aus, als hätte ich sie nach Kaviar und Prosecco gefragt."

Später im Gefängnis, wegen Mordes zu 26 Jahren Haft verurteilt, soll sie den Annäherungsversuchen des Vize-Direktors Raffaele Agiro ausgeliefert gewesen sein: "Er war besessen vom Thema Sex – mit wem ich es tat, wie ich es am liebsten tat, ob ich es mit ihm tun würde, oder ob er mir zu alt sei." Als die Ärzte Knox eine falsche HIV-Diagnose stellten, habe er sie angebettelt: "Ich will immer noch Sex mit dir. Versprich mir, dass du mit mir Sex haben wirst" - (siehe auch Video in der Infobox).

"Begann zu singen und die Hände wie im Musical zu bewegen"
In Italien und England, der Heimat des Mordopfers, schockieren hingegen die Passagen, in denen der "Engel mit den Eisaugen" seine Eindrücke des 2. November 2007 schildert. Laut ihren Schilderungen habe sie gemeinsam mit Sollecito in den Morgenstunden den Leichnam von Meredith Kercher nach der Rückkehr in die Wohnung aufgefunden und die Polizei alarmiert. Schnell machte sie sich durch ihr perverses Verhalten am Tatort, an dem die Leiche noch in ihrem Blut lag, verdächtig: "Ich trug Schutzhandschuhe und Plastiksocken, um die Spurensicherung nicht zu behindern. Plötzlich begann ich zu singen, dazu habe ich die Hände wie in einem Musical bewegt. Es war ein Versuch, die Spannung zu lösen, weil mir die Situation so unwirklich und beängstigend vorkam."

In den Ohren von Kerchers Familie müssen diese Worte wie blanker Hohn klingen. Sie setzen alle ihre Hoffnungen auf das neuerliche Gerichtsverfahren gegen Knox und Sollecito, nachdem das Kassationsgericht in Rom den Freispruch am 26. März aufgehoben hatte. Doch wird man jemals wissen, was tatsächlich in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen 2007 in der perugianischen Studentenwohnung geschah?

Die Biografie kann sich jedenfalls als wichtiger Schutzmantel für die Amerikanerin erweisen: US-Bürger werden nur dann ausgeliefert, wenn keine Zweifel an einem fairen Prozess bestehen. Sollte Knox in Italien rechtskräftig verurteilt werden, verliert sie auch ihre soeben gewonnenen Buch-Millionen: In den Staaten ist es per Gesetz verboten, dass Täter aus ihren Delikten durch Vermarktung Profit schlagen können.

Der ungelöste Mordfall Meredith Kercher
Die 21-jährige britische Studentin Meredith Kercher wurde am 2. November 2007 in ihrer Wohngemeinschaft im italienischen Perugia mit aufgeschlitzter Kehle von ihrer Mitbewohnerin Amanda und deren Freund Raffaele, damals 20 und 24 Jahre alt, aufgefunden. Am Tatort wurde die DNA des Paares und des 20-jährigen Ivorers Rudy Guede sichergestellt. Die Polizei ging aufgrund des Zustandes der Leiche von einem Sexualmord aus.

Guede gestand die Tat, beschuldigte jedoch Knox und Sollecito als Haupttäter - in der Folge wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt und die zwei Studenten in einem gesonderten Verfahren zu 25 und 26 Jahren. Es handelte sich um ein reines Indizienverfahren.

Ein Berufungsgericht hob die Urteile (nicht jenes des geständigen Guede) am 3. Oktober 2011 wieder auf, worauf Knox in die USA ausreiste. Am 26. März 2013 annullierte wiederum das Kassationsgericht in Rom das Urteil, der Fall wird komplett neu aufgerollt (siehe Infobox). Mit einem Verhandlungsbeginn wird bis Ende des Jahres gerechnet.

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