EU verhandelt weiter

Türkei-Beitritt: Österreicher klar dagegen

Österreich
08.11.2016 13:08

Die EU-Staaten wollen an den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorerst festhalten, obwohl sie die Entwicklung dort als "äußerst besorgniserregend" bezeichnen. Man sei bereit, den politischen Dialog "auf allen Ebenen und innerhalb des bestehenden Rahmens" fortzuführen, hieß es in einer am Dienstag in Brüssel veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme. Unterdessen lehnen in einer aktuellen Umfrage 80 Prozent der Österreicher einen EU-Beitritt der Türkei ab, nur zehn Prozent befürworten einen solchen.

Die EU rufe die Türkei auf, "zu einem glaubwürdigen politischen Prozess" zurückzukehren, die Demokratie zu wahren und Menschenrechte zu respektieren, teilte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Namen der 28 Mitgliedsstaaten mit. Die Situation werde weiter sehr aufmerksam verfolgt und bewertet, fügte sie hinzu.

Türkei: Verhaftungswelle gegen regierungskritische Bürger
Wegen der sich nun auch verstärkt gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Medien richtenden Verhaftungswelle in der Türkei sind innerhalb der EU Rufe nach einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen laut geworden. Auch die neuerliche Diskussion über eine Wiedereinführung der Todesstrafe und anhaltende Einschränkungen der Meinungsfreiheit in der Türkei werden als extrem beunruhigend bezeichnet.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn verglich die aktuellen Entwicklungen in der Türkei sogar mit denen in der NS-Zeit. Auch Österreichische Spitzenpolitiker bekräftigten ihre Forderung nach einem Ende der Beitrittsgespräche mit der Türkei, darunter Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz. Da es bereits seit geraumer Zeit eindeutige Signale aus der Türkei gebe, die auf ein Platzen des im März geschlossenen Flüchtlingsabkommens hindeuteten, müsse sich Europa "auf die nächsten Schritte in der Politik gegenüber der Türkei vorbereiten", meinte der Kanzler am Wochenende gegenüber der "Krone".

EU-Milliarden an Türkei fließen munter weiter
Trotz Massenverhaftungen und brutaler Willkür fließen die Milliarden der EU aber munter weiter, wie die Salzburger ÖVP-Abgeordnete Claudia Schmidt am Dienstag aufzeigte. Heranführungshilfe nennt die EU die Milliardenspritze für Länder, die aufgenommen werden wollen, bis 2013 flossen dafür allein an die Türkei 4,8 Milliarden Euro, bis 2020 werden es noch einmal 4,5 Milliarden sein.

Gedacht sind die Summen für mehr Demokratie und die Verbesserung des Justizsystems, aber genau das läuft in der Türkei derzeit gewaltig aus dem Ruder. Und das Geld fließt an ein Land, das für den Flüchtlingsdeal noch einmal drei Milliarden bekommt und in Lagern teilweise nur 800 Kalorien pro Person und Tag an Nahrung bereitstellen kann. Schmidt: "Die Türkei tut offensichtlich alles gegen einen Beitritt und überlegt gar die Todesstrafe. Das passt nicht mehr zusammen." Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) beschwichtigte am Dienstag: "Bei der Todesstrafe sind alle Betrittsverhandlungen sofort abzubrechen."

Große Mehrheit der Österreicher gegen EU-Beitritt der Türkei
Unterdessen ergab eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) bezüglich eines möglichen EU-Beitritts der Türkei ein klares Votum: 80 Prozent sprachen sich dagegen, nur zehn Prozent dafür aus. "Mit dem unverhältnismäßigen Vorgehen gegen Kritiker verabschiedet sich die Türkei selbst aus dem Beitrittsprozess", analysierte ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt. Es gebe klare Beitrittskriterien der EU, die für alle Kandidatenländer gelten würden. Dazu zählten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte - Voraussetzungen, von denen sich die heutige Türkei entferne, so Schmidt. Die EU sei gefordert, "die Rückschritte klar zu benennen, ihre roten Linien zu kommunizieren und den Druck auf Ankara zu erhöhen", forderte er.

Die geringsten Vorbehalte, was eine zukünftige EU-Mitgliedschaft betrifft, brächten die Österreicher aktuell Bosnien-Herzegowina entgegen. 26 Prozent wären für den EU-Beitritt des Landes, ebenfalls 26 Prozent äußerten sich indifferent, 46 Prozent ablehnend. Etwa gleichauf liegt Serbien, gefolgt von Montenegro, Mazedonien, dem Kosovo und Albanien. In der aktuellen ÖGfE-Umfrage hielten insgesamt 24 Prozent der Befragten die "Erweiterung der EU um weitere Mitgliedsstaaten" für "wichtig", 72 Prozent betrachteten sie als "weniger wichtig". Dagegen wird eine "Vertiefung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten" von insgesamt 85 Prozent als "wichtig" empfunden.

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