"Krone"-Interview

Ist das jetzt Ihre Rache, Herr Pilz?

Österreich
29.06.2017 17:03

Der grüne Aufdecker lehrt seine Partei das Fürchten. Nach seiner Abwahl beim Bundeskongress der Grünen am vergangenen Sonntag will Peter Pilz (63) mit einer eigenen Liste in den Wahlkampf ziehen. Mit Conny Bischofberger spricht er über Motive, Ziele und Tausende Unterstützer.

Fast vergnügt steigt Peter Pilz vor dem "Krone"-Hochhaus aus dem Taxi, schwingt sich durch die Drehtür und begrüßt krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt sowie jenen Kolumnisten, der ihm besonders gerne Briefe schreibt: Michael Jeannée.

Beim Live-Talk im Newsroom (Video oben) beantwortet er seelenruhig und sehr sattelfest Fragen zur größten Überraschung dieses Wahlkampfs, der "Liste Pilz", die sowohl Politik als auch Parteienlandschaft in Österreich verändern könnte.

"Das ist erst vier Tage her, und mir kommt es so vor, als hätte sich in dieser Zeit die ganze Welt verändert", sagt er später und holt tief Luft. Wird die Bewegung kommen? "Die Bewegung ist schon da", stellt Pilz klar, "wir müssen sie nur noch auf den Boden bringen."

"Krone": Herr Pilz, Sie wirken euphorisiert und voller Tatendrang. Ist die Enttäuschung schon gewichen?
Peter Pilz: Ja, denn mein Abschied war auch eine Befreiung. Ich habe mir diese Befreiung nicht gewünscht. Ich hätte diese Trennung auch nicht vollzogen, ich wollte Ulrike Lunacek unterstützen und alle meine Kraft und Ideen in diesen Wahlkampf stecken. Jetzt hat meine Partei, vielleicht ohne es zu wollen, für mich die Entscheidung getroffen, und diese Entscheidung respektiere ich.

Sie sind dabei, eine "Liste Pilz" aufzustellen. Ist das ist jetzt Ihre Rache?
Nicht ich habe den Grünen geschadet, sondern meine Grünen haben sich selbst geschadet und müssen jetzt auch die Verantwortung dafür tragen. Auch ich trage nach wie vor eine konkrete, sachliche Verantwortung, nämlich dass wir in der letzten Runde die Auseinandersetzung mit Eurofighter gewinnen. Ich trage diese Verantwortung auch gegenüber Hunderttausenden Wählerinnen und Wählern in der Republik, was zu ändern. Ich weiß, dass viele Menschen und jetzt erstaunlicherweise noch deutlich mehr als früher in mich Hoffnungen setzen. Viel mehr, als ich das je für möglich gehalten hätte. Meine Mailboxen sind voll, ich bekomme 200 Mails in der Stunde. "Auf meine Freunde und mich kannst du zählen!" "Endlich weiß ich, wen ich wählen soll!" Aus dieser Verantwortung heraus mache ich das alles. Mit Rache hat das nichts zu tun. Und ich werde natürlich darauf achten, die Grünen nicht mutwillig zu beschädigen.

Das haben Sie bereits getan: Ihre Liste wird der Partei massiv schaden.
Schau'n Sie, die Grünen sind unersetzbar was Umwelt und Bildung betrifft. Aber heute geht es um mehr. Für Gerechtigkeit und Sicherheit einzustehen und - auch wenn die Diskussion manchmal schmerzhaft ist - den politischen Islam in Österreich zu bekämpfen. Denn wenn es dem politischen Islam in Österreich gelingt, Brückenköpfe zu bilden, dann wird unsere freie Gesellschaft in ihren Fundamenten angegriffen. Das Ziel des politischen Islam ist die Zerstörung unserer Freiheit und unserer offenen Gesellschaft, das Isolieren der Eingewanderten. Dann sind das nicht mehr "unsere Türken", sondern Erdogans Türken, die gegen uns aufgehetzt werden.

Verstehen Sie, warum sich Ihre Partei damit nicht auseinandersetzen möchte?
Nein, das verstehe ich nicht. Da habe ich wirklich jahrelang versucht, Überzeugungsarbeit zu leisen. Wie in anderen Parteien ist auch bei den Grünen das Problem der Parteispitze, nur nach innen zu schauen. Sie hat den Blick nach außen, zu den Menschen, verlernt.

Johannes Voggenhuber hat das schön ausgedrückt: "Jetzt haben sie auch den Pilz erlegt, jetzt sind sie endlich ganz unter sich. Haben es sich die Grünen in einer Bobo-Ecke gemütlich gemacht?
Es findet eine Abkapselung statt. Wir haben gemeinsam viel erreicht und große Erfolge zustande gebracht. Aber es gibt immer mehr, die sagen: Sichern wir diese Erfolge lieber ab, als etwas Neues zu probieren. Das kann zur Einmauerung führen. Ich habe das lang intern diskutiert, dann habe ich öffentlich Vorschläge gemacht und ich bin noch nie auf so viel Ablehnung von oben gestoßen wie in diesen letzten eineinhalb Jahren. Der Bundeskongress in Linz war nur ein logischer Endpunkt. Da haben sie mir ausgerichtet: Der Pilz will ständig was Neues, der stört unsere Ruhe, wir wollen das nicht.

Wo stehen die Grünen heute?
Die Partei ist älter geworden, auch etwas enger. Sie ist nicht mehr die Partei der Unbequemen und sie ist nicht mehr die Partei des großen politischen und persönlichen Risikos und sie ist nicht mehr die Partei der großen Neuerungen und der großen Versuche und der großen Öffnungen, sondern sie ist eine Partei der Absicherung des Erreichten, der Erfolge der Vergangenheit, sie ist jetzt mehr eine Partei der Fehlervermeidung.

Kann es sein, dass Sie das vergangenen Sonntag schon geahnt und deswegen so vehement auf diesen vierten Listenplatz beharrt haben?
Nein, ich war wirklich sehr überrascht! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mir meine Partei am Höhepunkt des Eurofighter-Untersuchungsausschusses, wo ich Allianzen geschmiedet habe, um für Österreich zu gewinnen, kein starkes Mandat geben will. Der vierte Platz wäre auch ein Signal an Airbus und Eurofighter gewesen, dass die Partei diesen Kampf voll unterstützt. Ich habe fest mit dieser Unterstützung gerechnet ...

Und dann wählten die Delegierten den 28-jährigen Julian Schmid.
Was da in den Köpfen mancher Delegierter vorgegangen ist, verstehe ich bis heute nicht. Früher war es ja so, dass wir gemeinsam Wahlen gewinnen wollten. Diesen Willen habe ich in Linz vermisst. Das war eine ganz eigenartige Atmosphäre, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann.

Julian Schmid ist 28, Sie sind 63. War das auch ein Match Jung gegen Alt?
Ich war immer dagegen, dass man Frauen gegen Männer, Jüngere gegen Ältere ausspielt. Jünger zu sein ist kein Verdienst, genauso wie älter zu sein kein Verdienst ist. Meiner Meinung nach sollte die Qualität der politischen Arbeit ausschlaggebend sein. Bist du gut? Bist du der Beste? Kannst du etwas für diese Republik leisten? Hast du etwas geleistet? Die Bilanz zählt.

Man wolle keine Uga-Uga-Männer mehr, sagte die grüne Abgeordnete Alev Korun. Fühlen Sie sich da angesprochen?
Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht genau, was ein "Uga-Uga-Mann" ist. Ich bin mir aber sicher, dass nicht die Gorilla-Pose gemeint ist. (Klopft sich mit beiden Fäusten auf die Brust.) Ich glaube, das ist die Abkürzung für unglaublich grün alternativ. Bei uns gibt es nämlich nur eine sehr wertschätzende Sprache.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie seien eine One-Man-Show und im Herzen eh kein richtiger Grüner mehr gewesen?
Das verstehe ich schlicht und einfach nicht. Ich weiß schon, dass es manche Kolleginnen und Kollegen gibt, die sagen, warum steht er dauernd in der Zeitung und ich nicht? Jeder muss sich selbst bewähren. Die Politik ist auch eine große Bühne, wo die Wählerinnen und Wähler letzten Endes mit ihrem Applaus darüber entscheiden, ob sie etwas gut finden oder nicht. Und da kann man nicht einfach hergehen und sagen: "Okay, alle Hauptdarsteller raus! Bühnentechniker rauf und weiterspielen!"

Verstehen Sie jene Grünen, die mit der "Krone" nicht zusammenarbeiten wollen?
Das hat mich immer etwas ratlos gemacht. Weil mein Zugang zur Kronen Zeitung und auch zu anderen auflagenstarken Zeitungen ist ganz einfach. Dort arbeiten, wie bei anderen Zeitungen auch, gute Journalistinnen und Journalisten. Wenn ich mit einer guten Geschichte zur Kronen Zeitung oder zur "Zeit im Bild" komme, dann gelten die gleichen Maßstäbe wie überall: Ist die Story gut oder nicht? Und wenn mir etwas an der Linie der "Krone" nicht passt, na dann diskutiere ich das! Ich habe das seinerzeit schon mit Hans Dichand sehr vehement getan.

Wann war der Moment in den letzten Tagen, wo Sie wussten: Da geht sich was Neues aus, ich trete mit eigener Liste an?
Nach meinem Rücktritt ist eine Lawine losgegangejetzt nicht der neue große politische Führer, aber ich glaube, dass ich ein Katalysator sein kann für große politische Hoffnungen, die derzeit niemand erfüllt. Auch nicht Politiker, die sich als neu verkaufen. Diese Hoffnungen will ich jetzt genau kennenlernen. Jeder, der mir eine Mail schreibt, wird auch eine persönliche Antwort bekommen.

Ist die Bewegung offen für alle?
Selbstverständlich. Ich bin auch nicht der Chef dieser Bewegung, sondern ich möchte ein Teil dieser Bewegung sein.

Wäre Irmgard Griss willkommen?
Irmgard Griss hat sehr lange Nachdenkzeiten, ich glaube, wenn ich sie heute einlade, dann kann ich in etwa 2024 mit einer Antwort rechnen. (Lacht.)

Gibt es schon einen Namen?
Ich denke natürlich darüber nach, aber mir ist noch nichts Gescheites eingefallen, ich sage es ganz ehrlich.

Farbentechnisch haben Sie auch ein kleines Problem. Grün ist besetzt, Orange war das BZÖ, Rot und Pink sind vergeben, Blau und Mitteltürkis auch.
Die Farbe unserer neuen Bewegung ist ja vollkommen klar. Unsere Farbe ist Transparent.

In einem Satz: Wofür steht Ihre Bewegung?
Gerechtigkeit, Sicherheit und der Schutz unserer Heimat, Europa und Österreich, vor denen, die sie zerstören wollen.

Wie wird die Wahl im Oktober ausgehen?
Ich glaube, das ist heute sehr schwer zu beantworten, weil eine neue Bürgerinnen- und Bürgerbewegung eine Riesenkonkurrenz insbesondere für Strache und Kurz sein wird. Wenn diese neue Bewegung wirklich antritt, dann schaut Sebastian Kurz das erste Mal in seinem Leben alt aus. Was es für die SPÖ heißt, weiß ich nicht. Ich weiß nur eines: Es gibt derzeit niemanden in Österreich, der 30 Prozent Nichtwähler und Nichtwählerinnen mobilisieren kann. Keine der Altparteien schafft das. Schon gar nicht, indem man den Leuten sagt: Ihr braucht keine Angst zu haben, es ist eh alles in Ordnung! Diese Menschen, die den Glauben an die Politik und an die Gestaltbarkeit und Reformierbarkeit verloren haben, will ich mobilisieren. Wenn uns das gelingt, dann können sich Mehrheiten verändern, dann können völlig neue Regierungen entstehen.

Wie viel Prozent wäre ein Erfolg für Sie?
Wenn wir reinkommen, ist es ein Erfolg. Wenn wir sehr stark werden, ist es ein Erfolg, und ein besonders großer Erfolg ist es, wenn wir zu einer wirklich bestimmenden Kraft in dem Land werden. Ich weiß nicht, ob wir gut genug sind, ich weiß heute nicht einmal, ob wir das überhaupt zusammenbringen, ich weiß nur, dass unser Land sowas braucht.

Gehen Sie geschwächt in die kommenden Eurofighter-Verhandlungen?
Nein, sicher nicht. Weil meine Stärke war nie die eigene Partei. Meine Stärke waren immer die Menschen in der Republik, die mich unterstützt haben. Sie sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Die Herrschaften bei Eurofighter werden die nächsten 14 Tage noch ihr blaues Wunder erleben. Danach ziehe ich mich mit Freunden zurück und dann gehen wir das alles noch einmal durch. Ich werde sehr schnell nach dem Untersuchungsausschuss einen Stichtag bekannt gegeben und an diesem Stichtag werden wir dann entscheiden.

Seine Karriere
Geboren am 22. Jänner 1954 in Kapfenberg. Pilz studiert Volkswissenschaft und arbeitet nach dem Zivildienst als Autor und Sozialwissenschafter. 1986 geht er in die Politik und war seither Grün-Abgeordneter im Parlament (unter anderem bei den Untersuchungsausschüssen Lucona, Noricum und Eurofighter). Am 25. Juni gibt er nach einer Wahlschlappe seinen Abschied von den Grünen bekannt. Privat ist Pilz seit 33 Jahren mit Gudrun verheiratet und spielt in der Band "Prinz Pezi und die Staatssekretäre".

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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