"Nötige Ruhe"

Ebner und Kloiber aus Heeresspital entlassen

Österreich
04.11.2008 11:03
Die beiden ehemaligen Sahara-Geiseln Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner sind am Montag aus dem Wiener Heeresspital entlassen und mit einer Polizeieskorte zu ihren Familien nach Salzburg gebracht worden. Bei den Untersuchungen im Spital wurde ihnen ein "sehr guter Gesundheitszustand" bescheinigt, zumindest körperlich ist alles in Ordnung. Bis die beiden Salzburger, die acht Monate als Geiseln in der Gewalt der "Al Kaida im Islamischen Maghreb" in der Sahara ums Überleben kämpften, selbst an die Öffentlichkeit gehen, werde noch einige Zeit vergehen, hieß es.

Kloiber und Ebner sind am Montag um 12.30 Uhr aus dem Heeresspital in Wien Stammersdorf entlassen worden. Ein Privat-Pkw und eine Zivilstreife der Polizei begleite die beiden im Februar in der Sahara entführten Touristen. Sie waren am Samstag unmittelbar nach ihrer Ankunft am Flughafen Wien-Schwechat in die Klinik gebracht worden, um sich einem umfassenden Gesundheits-Check zu unterziehen. Nach Abschluss aller Untersuchungen sei es der Wunsch von Kloiber und Ebner gewesen, das Krankenhaus zu verlassen. Von Seiten des Heeresspitals hieß es, dass der Gesundheitszustand der beiden ein sehr guter sei und keinerlei medizinische Bedenken gegen ihre Entlassung bestünden. Den beiden Salzburgern wurden sämtliche Befunde für allfällig weiterbehandelnde Ärzte ausgehändigt.

An welchen Ort sich die beiden ehemaligen Sahara-Geiseln genau hinbegeben werden, soll nicht bekannt werden. "Auch ich weiß nicht, wo sie hingebracht werden. Aus Sicherheitsgründen bleibt der Ort geheim", sagte Angehörigen-Sprecher Mike M. Vogl am Montag. "Der Kreis derer, die es wissen, wird sehr klein gehalten - um den beiden die nötige Ruhe zu geben. Sie bleiben im Inland." Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner sollen weiterhin abgeschirmt werden. Ob, wann und wo es eine Pressekonferenz mit Kloiber und Ebner stattfindet, werde noch besprochen, hieß es.

Am Samstag hatten die beiden im Heerespital von ihren Angehörigen Besuch bekommen. "Es geht ihnen körperlich sehr gut. Es ist irgendwie unglaublich, damit hat keiner gerechnet. Sie schauen für diese Umstände wirklich gut aus." Bernhard Ebners (siehe Bilder in der Infobox) Augen strahlten, als er Journalisten am Sonntag in Salzburg das Wiedersehen mit seinem 51-jährigen Vater Wolfgang schilderte. Auch erste Details über die Freilassung sind am Wochenende bekannt geworden. Ebner und Kloiber wurden von Tuareg auf dem gefährlichen Weg in Freiheit begleitet.

"Gut, dass sie zu zweit waren"
Andrea Kloiber konnte im Spital am Samstag ihre Mutter Christine Lenz (Bilder in der Infobox) in die Arme schließen. In einem Telefonat an ihren Mann berichtete Lenz, ihre Tochter sei "schwer getroffen", dass eine Frau in arabischen Ländern nichts wert sei. Kloiber habe sich als Frau sehr allein gefühlt. "Gut, dass sie zu zweit waren, da konnte der eine den anderen wieder aufbauen", sagte der Vater von Kloiber, Reinhard Lenz. Er bedankte sich wie Bernhard Ebner und der Bruder des entführten Halleiners, Walter Antosch, der ebenfalls an dem Mediengespräch teilgenommen hat, bei allen Akteuren, die zur Freilassung der Salzburger Geiseln beigetragen haben.

Ebner und Kloiber dachten auch an Flucht
Die Ernährung sei sehr eingeschränkt gewesen, "eine Zeitlang hat es nur Brot und Wasser gegeben", schilderte Bernhard Ebner die Erzählungen seines Vaters. Sie hätten auch an Flucht gedacht, aber ohne Erfolg. In dem Gebiet, wo sich die Gruppe aufgehalten habe, seien die Erfolgschancen bei Null gelegen, gab der 26-jährige Halleiner zu bedenken. "Die Informationen, die sie bekommen haben, waren sehr unterschiedlich. Es war auch ein ständiges, psychisches Auf und Ab, wie bei uns. Im Hintergrund stand die Hoffnung auf Befreiung. Aber Gewissheit hatten sei keine." Das Alltagsleben sei für die Geiseln und ihre Entführer gleich abgelaufen. Aus den Schilderungen schließe er, dass die beiden Geiseln von den Entführern anständig behandelt worden seien - das verlange auch der Koran, so Bernhard Ebner. Ob das Verhältnis zueinander ein freundschaftliches gewesen ist, wisse er nicht.

Die Halleiner hätten sich zwar optisch verändert – "mein Vater ist braun gebrannt, etwas ergraut und abgemagert, sonst bin ich aber positiv überrascht", sagte Ebner. Geändert hätten sich aber die Wertvorstellungen der Freigelassenen: "Sie haben auf brutalem Weg erfahren, was es bedeutet, unter solchen Umständen zu leben, und gesehen, mit wie wenig Dingen sie überleben können." Sein Vater habe jetzt keinen besonderen Wunsch geäußert, er und Andrea Kloiber seien "sehr froh, wieder zu Hause zu sein, dass sie ein gutes Essen bekommen und wieder in einem richtigen Bett schlafen können". Größere Ansprüche stellten sie nicht. "Mein Vater möchte so schnell wie möglich wieder in die Kanzlei." Ebner führt eine Steuerberatungskanzlei in Hallein. Nach acht Monaten im Sand sitzen, nach dieser totalen Umstellung, verspüre Wolfgang Ebner nun Tatendrang, "es zieht ihn zur Arbeit".

"Anfangs unterhielten sie sich mit Händen und Füßen"
Über die Befreiung und den Ort sowie den Zeitpunkt der Geiselnahme hätten sie noch nicht gesprochen, so Ebner. Auch wie die beiden Schäferhunde, die das Pärchen auf dem Wüstentrip begleiteten, ums Leben gekommen sind, wisse er nicht. "Am besten Sie warten, bis die beiden Ihnen gegenübertreten", bat der Sohn der Ex-Geisel die Journalisten um Geduld. Über den Tagesablauf der Gefangenen wisse er nur so viel, dass sie ständig unterwegs gewesen seien und das Lager deshalb immer wieder ab- und aufgebaut werden musste. Der Alltag drehte sich auch um die Nahrungsmittel- und Trinkwasserbeschaffung. Ob die Entführer den Salzburgern Medikamente verabreicht haben, könne er nicht sagen, so Ebner. Es habe auch einen religiösen Hintergrund gegeben, und mit der Zeit sei das "passive Arabisch" seines Vaters, der ja nicht französisch sprechen konnte, immer besser geworden. "Anfangs unterhielten sie sich mit Händen und Füßen."

Auf die Frage, ob sich sein Vater nun Vorwürfe über die Gefährlichkeit der Reise mache, meinte Ebner: "Schauen Sie sich die Statistiken an, wie viele Leute in dieses Gebiet reisen. Ich glaube, es wird noch viel Zeit für uns bleiben, herauszufiltern, wie viel Eigenverschulden da ist." Der Bruder des entführten Halleiners, Walter Antosch, meinte, man müsse froh sein, Österreicher zu sein. Der Staat setze alles daran, einen Bürger, der im Ausland in Gefahr sei, wieder zurückzubekommen. "Es ist auf informellem Weg viel mehr geschehen, als man glaubt." Was die Kosten betreffe, gebe es bei Selbstverschuldung ja ein gewisses Rückforderungsrecht.

Bernhard Ebner: "Es bleibt so viel zu verdauen übrig"
Den Moment, als er seinen Vater im Heeresspital wiedersah, wird Bernhard Ebner nie vergessen. "Es war ein eigenartiges Gefühl. Monatelang sehnt man sich, den Vater in die Arme zu schließen, und dann, als ich ihn am Gang das erste Mal traf, wusste ich nicht, was ich denken und fühlen soll." Das Treffen habe er sehr irreal empfunden, "es bleibt so viel zu verdauen übrig". Der Vater von Wolfgang Ebner, der in Australien lebt, freute sich ebenfalls sehr über den positiven Ausgang: "Ich hab immer geglaubt, dass sie freigelassen werden. Aber ich habe mich gewundert, dass es so lange gedauert hat. Wenn sie es ruhig haben wollen, sollen sie zu uns rüber kommen", sagte der 72-jährige Baumanager Michael W., der übers Telefon an der Pressekonferenz beteiligt war.

Besuch in der Heereskapelle am Sonntag
Ihr erster Weg am Sonntag führte das Paar übrigens in die Heereskapelle. Um gemeinsam mit Soldaten am Gottesdienst teilzunehmen, "und dem Herrgott zu danken". Danach unternahmen die Salzburger einen Allerheiligenspaziergang im weitläufigen Gelände. Wie lange die ehemaligen Sahara-Geiseln noch im Spital in Stammersdorf bleiben werden, hängt von den Ärzten ab. Nach kargen Tagen bei Brot und Wasser haben die beiden Österreicher jedenfalls ein knuspriges Backhenderl mit Reis genossen.

Von Tuareg aus Geiselhaft befreit
Auch Details über die Freilassung sind der "Krone" mittlerweile bekannt geworden. Ursprünglich war sogar eine militärische Befreiungsaktion erwägt worden, den Aufenthaltsort des Salzburger Paares hatten die österreichischen Ermittler vor Ort sogar mit Satellitenunterstützung aufstöbern können. Doch es war zu gefährlich. Sonderbotschafter Anton Prohaska präsentierte dann vor wenigen Tagen die "humanitäre Lösung". Nach 252 Tagen holten Tuareg die beiden Geiseln mit einem Jeep-Konvoi in der Wüste ab. Doch für die Geiseln war der Horror damit noch nicht ganz zu Ende. Denn um vom Norden in die Hauptstadt zu gelangen, hieß es, hunderte Kilometer durch dieden. In überlangen Etappen - 400 Kilometer am Tag durch die Wüste von Mali - gelangten die beiden Österreicher Richtung Freiheit. Während dieses Höllentrips hatte man Kloiber und Ebner sogar voneinander getrennt. Für den Fall, dass etwas passiert, wollte man zumindest eine lebende Geisel haben.

Am Samstagvormittag in Mali übergeben
Ebner und Kloiber wurden am Samstagvormittag in der malischen Hauptstadt Bamako in einem offiziellen Akt an die österreichische Delegation, angeführt von Außenministerin Plassnik, übergeben. Auf diesen Akt habe der malische Präsident Amadou Toumani Toure bestanden, hieß es. Schon am Freitag war das Flugzeug aus Österreich gestartet, um Ebner und Kloiber sicher nach Hause zu bringen. Um zirka 18 Uhr am Samstag waren die beiden Salzburger dann nach acht Monaten in Gefangenschaft wieder zurück in ihrer Heimat. Die Landung in Wien - bis zum Abend war über den Ort spekuliert worden - dürfte vor allem medizinische Gründe gehabt haben. Die Abenteuerurlauber wurden nach ihrer Ankunft von den wartenden Reportern abgeschirmt und von Verteidigungsminister Darabos begrüßt. Dann wurden sie per Hubschrauber ins Heeresspital nach Stammersdorf gebracht, wo sie jetzt untersucht und medizinisch betreut werden.

Plassnik: "Wir haben gelacht, sie sind guter Dinge"
"Ihre Gefasstheit hat mich beeindruckt", sagte Plassnik nach der Landung in Wien. "Wir haben gelacht, sie sind guter Dinge." Schritt für Schritt gelte es jetzt für die beiden, wieder in die Freiheit zurückzukommen. Ebner und Kloiber seien angespannt und erschöpft wie Sportler nach einer großen Leistung. Die Geiseln brauchen jetzt laut der Ministerin Ruhe, "um wieder festen Boden unter den Füßen" zu bekommen. Sie sei mit dem Präsidenten von Mali zusammengetroffen und habe sich bei ihm bedankt, erklärte Plassnik. Die Befreiung der Geiseln sei ein "Werk der Beharrlichkeit, Teamarbeit und Diplomatie" gewesen, wobei Mali nach ihren Worten der wichtigste Partner war. "In Mali handelt Mali", sagte die Außenministerin. Das afrikanische Land habe Wort gehalten, die Freilassung "mit breitgefächerten Kontakten" durchzusetzen. Über die Gefangennahme der beiden habe sie keine Gespräche geführt, sagte Plassnik. Es werde noch Zeit geben, die Hintergründe aufzuklären.

Informant: "Es wurde Lösegeld bezahlt"
Über die genauen Umstände der Freilassung von Ebner und Kloiber ist bis dato nur wenig bekannt geworden. Es sich viel um die brennende Frage, ob die Republik Lösegeld gezahlt hat oder die Entführer andere Forderungen durchbrachten. Die Terroristen hatten ja auch die Freilassung von inhaftierten Islamisten gefordert und den Ausbau von Infrastruktur. Ein Informant der renommierten Nachrichtenagentur AFP ließ am Samstag aufhorchen: "Ich weiß, dass Lösegeld bezahlt worden ist. Aber die Entführer haben viel weniger bekommen, als sie wollten", sagte die anonym bleiben wollende, über die Verhandlungen informierte Quelle. Von österreichischer Seite wird eine Lösegeldzahlung dementiert. Außenministerin Plassnik etwa hatte zu dem Thema am Freitag nur gesagt: "Österreich hat immer klar gemacht, was unsere Meinung ist. Wir haben immer eine humanitäre Lösung angestrebt, daher hat es auch sehr lange gebraucht."

Der mit der Geiselaffäre befasste österreichische Sondergesandte Anton Prohaska betonte gegenüber der AFP in Reaktion auf den Informanten, dass kein Lösegeld bezahlt wurde. "Wir haben das internationale Recht respektiert", so Prohaska. Laut dem früheren österreichischen Botschafter spielten bei der Geiselfreilassung wichtige Persönlichkeiten aus dem Norden von Mali eine "essenzielle Rolle". Sie hätten Druck auf die Entführer ausgeübt.

Im Urlaub in Tunesien entführt
Das österreichische Paar wurde während eines Urlaubs in der Wüste von Tunesien von der "Al Kaida im Islamischen Maghreb" entführt und dann bis nach Mali verschleppt. Die Entführer hatten unter anderem die Freilassung von Gefolgsleuten gefordert. Später stellten Forderungen "regionaler Natur" wie den Zugang zu Wasser, die Nutzung von Bodenschätzen und Wegerechte. Sie verlangten dann auch Lösegeld. Ob und was genau sie bekamen, bleibt ein Rätsel.

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