Fall Kampusch

Staat will offenbar Entschädigung zahlen

Österreich
15.02.2008 17:22
"Ja, es gibt bereits informelle Gespräche", bestätigt Gerald Ganzger, der Anwalt von Natascha Kampusch. In den Verhandlungen mit Vertretern der Republik Österreich geht es um eine Entschädigung für die Pannen bei der Fahndung und möglicherweise um einen Millionenbetrag.

Kurz zur Chronologie: Am 2. März 1998 wurde Natascha Kampusch gekidnappt. Mit einem weißen Kastenwagen, wie eine Zeugin sagt. Wolfgang Priklopil, Besitzer eines solchen Fahrzeugs, wird ergebnislos überprüft. Sechs Wochen später ist die Polizei wieder bei seinem Haus in Strasshof (Niederösterreich). Ein in der Nachbarschaft wohnhafter Polizist hat Anzeige erstattet. Und auch zwei Jahre später gibt ein Beamter, der ebenfalls in der Nähe Priklopils lebt, wieder einen Hinweis.

Den genauen Wortlaut des Aktes findest du in der Infobox.

Zu all diesen Fahndungspannen bemerkte Bundeskanzler Gusenbauer im "Krone"-Interview: "Man sollte mit den Anwälten von Natascha Kampusch über eine Art Vergleich reden." Und tatsächlich sind solche Gespräche bereits im Laufen. Anwalt Ganzger: "Es geht um zwei Problemkreise, einerseits um Entschädigung für die jahrelange Geiselnahme und um die Absicherung der Zukunft des Mädchens. Auch im Hinblick auf die Pension, wo ihr bei der Berechnung etliche Jahre fehlen werden."

Priklopil hatte kein Alibi
Vor einer Woche war bekannt geworden, dass Priklopil kein Alibi hatte, obwohl SOKO-Chef Nikolaus Koch im Jahr 2006 das Gegenteil behauptete. Zwei Beamte des Sicherheitsbüros suchten ihn laut Akt vom 6. April in dessen Haus in Strasshof auf, wobei sie ihn auch zum Tatzeitpunkt befragten: Wie aus dem Polizeiakt hervorgeht, gab er an, "am 2.3.1998 den ganzen Tag zu Hause gewesen zu sein. Er war alleine und kann daher kein bestätigtes Alibi anbieten." 2006, nach dem Auftauchen von Natascha Kampusch, verwehrten sich die inzwischen verstorbene Ministerin Liese Prokop und Koch gegen Schlamperei-Vorwürfe. Koch behauptete damals, Priklopil habe ein Alibi vorgewiesen.

BKA-Leiter sprach schon 2006 von "Vertuschung"
Der ehemalige Leiter des Bundeskriminalamtes (BKA), Herwig Haidinger, hatte bereits am 28. August 2006 in einem Mail an Bernhard Treibenreif, der im Innenministerium für die Bundespolizei zuständig ist, von einem "allfälligen Amtshaftungsanspruch des Opfers" Natascha Kampusch gesprochen. In einem weiteren Mail vom 31. August 2006 beklagt sich Haidinger, dass seine "auch schriftlich ergangene Weisung" an "Erich Zwettler und LPK GenMjr. Koch nicht befolgt" worden sei. Es habe sich für ihn der "Eindruck verstärkt, dass hier 'etwas vertuscht' werden sollte". Treibenreif schrieb in einer späteren Email, er versuche, "die Sache ohne größere Eklats abzuschließen".

Anonymem Hinweis nicht nachgegangen
Laut dem Akt, der vom Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz veröffentlicht wurde, handelt es sich bei dem Tipp auf den Aufenthaltsort des Entführers Wolfgang Priklopil um einen anonymen telefonischen Hinweis eines Hundeführers der Wiener Polizei am 14. April 1998, nur eineinhalb Monate nach dem Verschwinden der damals Zehnjährigen. Dabei wurde unter anderem geschildert, dass es sich bei dem Mann um einen möglicherweise bewaffneten "Eigenbrötler" mit Kontaktproblemen und einem Hang zu "Kindern" im Bezug auf seine Sexualität handle. Auch der weiße Kastenwagen mit dunklen Scheiben, das Entführungsauto, wurde erwähnt.

Kronen Zeitung und krone.at

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