Viele unter Trümmern

Neuseeland-Beben: Polizei befürchtet Hunderte Tote

Ausland
25.02.2011 07:24
Bei dem verheerenden Erdbeben am Dienstag in Neuseeland sind vermutlich rund 300 Menschen ums Leben gekommen. 113 Leichen seien bisher geborgen worden, so die Polizei in Christchurch, über 200 Menschen werden noch vermisst. Man gehe davon aus, dass allein unter dem eingestürzten Canterbury-Television-Gebäude bis zu 120 Opfer begraben liegen. Dort habe niemand eine Überlebenschance gehabt, sagte Polizeichef Dave Cliff am Donnerstag in der zweitgrößten Stadt des Landes.

"Wir haben heute große Sorge, dass die Zahl der Todesopfer viel höher wird, als wir je befürchtet haben", sagte Regierungschef John Key am Donnerstagabend (Ortszeit). Offiziell wurden zwei Tage nach dem Beben der Stärke 6,3 noch 226 Menschen vermisst. Es könnten aber einige, die die 390.000-Einwohner-Stadt verlassen hatten, von Freunden als vermisst gemeldet worden sein, so die Hoffnung. Zudem könnten einige Menschen auf der Liste zu den bereits geborgenen Toten zählen. Insgesamt konnten bisher 120 Menschen gerettet werden. Bei einigen mussten die Helfer Gliedmaßen amputieren, um sie aus den Trümmern zu befreien.

Unter den vermuteten 300 Toten sind auch zwei fünf und neun Monate alte Babys. Über 2.000 Menschen wurden verletzt, als die Erde am Dienstag zu beben begann und Gebäude einstürzten. Die Regierung hat den nationalen Notstand ausgerufen.

"Das ist eine internationale Tragödie"
Nach Angaben von Außenminister Murray McCully dürften unter den Opfern auch zahlreiche Ausländer sein. "Dies ist nicht nur eine neuseeländische, sondern eine internationale Tragödie", sagte er. Im Canterbury-Gebäude befand sich eine Sprachschule mit Dutzenden Schülern aus der ganzen Welt. Nach Angaben der Schule werden mehr als 80 Schüler und Studenten vermisst, unter ihnen Chinesen, Japaner, Südkoreaner und Philippiner. In dem Haus war auch ein Fernsehsender untergebracht, der 15 Mitarbeiter vermisst. Unter den Trümmern des Turms der Kathedrale werden bis zu 22 Tote vermutet. Österreicher sollen sich nicht unter den Opfern befinden.

Hoffnung auf ein weiteres Wunder schwindet
Ununterbrochen suchen die Rettungskräfte in Neuseeland derzeit nach weiteren Opfern des Bebens. Neben Neuseeländern und Australiern sind auch Teams mit 400 Helfern und Spezialausrüstung aus Taiwan, Singapur, Japan, Großbritannien und den USA im Einsatz. Auch mehr als 1.000 Soldaten helfen. "Wir haben Hunde im Einsatz, Mikrofone und Kameras, um nach Anzeichen von Leben zu suchen", sagte Polizeichef Cliff.

Doch ein kleines Wunder wie am Mittwoch wird es wohl nicht mehr geben: Mehr als 24 Stunden nach dem Beben ist eine Büroangestellte nahezu unverletzt aus den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes in Christchurch gerettet worden (siehe Video in der Infobox). Sie hatte sich rechtzeitig unter ihren Schreibtisch geflüchtet. Doch die Büroangestellte Anne könnte die letzte Person sein, die lebend aus den Trümmern gezogen wurde.

Folgenschwerste Katastrophe seit 80 Jahren
Das Beben am Dienstag war die vermutlich folgenschwerste Naturkatastrophe des Landes seit 80 Jahren und bereits die zweite Erschütterung Christchurchs innerhalb von fünf Monaten. Und es ist auch noch nicht vorbei: Immer wieder werden die Rettungsarbeiten von Nachbeben behindert. An vielen eingestürzten Gebäuden sei die Lage für die Helfer lebensgefährlich, sagte Polizeiministerin Judith Collins. "Wenn das Hotel Grand Chancellor einstürzt, wird das im Zentrum einen Dominoeffekt auslösen", sagte Polizeichef Cliff. "Das wäre eine große Katastrophe." Experten warnten, dass das Gebäude mit mehr als zwei Dutzend Stockwerken stark einsturzgefährdet sei.

Völliges Chaos nach dem Beben
Das Beben der Stärke 6,3 hatte sich zur Mittagszeit ereignet. Anders als beim stärkeren Erdbeben im vergangenen September, das sich in den frühen Morgenstunden zugetragen hatte, waren zu diesem Zeitpunkt viele Menschen auf den Straßen und in den Geschäften unterwegs oder arbeiteten in ihren Büros. Augenzeugen berichteten, dass Menschen schreiend auf die Straßen rannten, als die Erde zu beben begann. Die Rettungsdienste waren völlig überlastet, viele Verletzte mussten am Straßenrand von Sanitätern versorgt werden, da die Krankenhäuser überfüllt waren. Manche Menschen warteten in höheren Stockwerken auf Balkonen auf Rettung.

Noch immer sind 80 Prozent von Christchurch ohne Wasser. Die Strom- und Gasversorgung ist ebenfalls weitgehend unterbrochen. Ministerpräsident John Key betonte am Mittwoch, das Land könne sich einen Wiederaufbau von Christchurch - der zweitgrößten Stadt Neuseelands - leisten. Bisher sei aber noch niemand in der Lage, die Schäden zu beziffern. In der Finanz- und Versicherungsbranche reichten die Schätzungen von 3,5 bis zwölf Milliarden Dollar.

14.000 Beben pro Jahr in Neuseeland
Neuseeland liegt in einem Gebiet, in dem zwei Erdplatten zusammenstoßen. Deshalb kommt es hier zu mehr als 14.000 Beben pro Jahr, von denen rund 150 zu spüren sind. Bei weniger als zehn im Jahr kommt es zu Schäden. Das letzte große Beben erreichte sogar eine Stärke von 7,8. Es ereignete sich am 16. Juli 2009 in der Region Fiordland auf der Südinsel. Das Beben führte dazu, dass die Südspitze Neuseelands 30 Zentimeter näher an Australien herangeschoben wurde. Die bisher schwerste Naturkatastrophe erlebte Neuseeland 1931, als bei einem Erdbeben 256 Menschen starben.

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