Wütende Proteste

Lampedusa-Flüchtlinge zünden Aufnahmelager an

Ausland
11.04.2011 20:42
Nach den ersten Abschiebungen tunesischer Einwanderer haben Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa nach Medienberichten einen Teil des Aufnahmelagers in Brand gesteckt. Auf der Basis eines bilateralen Abkommens mit Tunis hatte Rom am Montag insgesamt 50 Tunesier in ihr Heimatland zurückgeschickt. Unterdessen lehnte die EU Hilfen für Italien wegen der Flüchtlingsschwemme ab.

Aus Protest gegen die drohende Rückführung seien zunächst zahlreiche der etwa 1.000 Immigranten auf das Dach eines der Gebäude des Hauptauffanglagers "Contrada d'Imbriacola" geklettert. Viele hätten lautstark "Liberta, liberta" (Freiheit, Freiheit) gerufen. Trotz der Versuche von Polizei und Lagerpersonal, die Lage zu beruhigen, sei der Protest eskaliert.

Einige Immigranten steckten das zentrale Wohngebäude in Brand, berichteten italienische Medien. Die Feuerwehr konnte den Brand relativ schnell löschen. Wie groß die Schäden sind, ist noch unklar.

50 Tunesiern gelingt die Flucht
Etwa 50 Tunesiern gelang in dem Durcheinander die Flucht aus dem Zentrum. Einige seien bereits wieder aufgegriffen worden. Andere würden noch von der Polizei gesucht, hieß es.

In dem Lager der südlich Siziliens gelegenen Insel sind derzeit nur Tunesier untergebracht. Flüchtlinge aus Libyen, die einen Antrag auf Asyl stellen können, werden im Moment in der ehemaligen NATO-Basis "Loran" versorgt.

Nach einer am vergangenen Dienstag unterzeichneten tunesisch-italienischen Vereinbarung werden alle neu in Italien eingetroffenen Migranten aus Tunesien direkt zurückgeschickt. Bis dahin waren seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali im Jänner mehr als 22.000 Tunesier allein auf Lampedusa angekommen.

EU verweigert Italien Hilfe in Flüchtlingsfrage
Die EU-Staaten verweigern Italien unterdessen direkte Hilfe bei der Versorgung der Flüchtlinge aus Nordafrika. Die EU-Innenminister einigten sich am Montag nicht auf eine gemeinsame Unterstützungsaktion, wie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Luxemburg sagte. Italiens Innenminister Roberto Maroni zeigte sich enttäuscht.

Die EU-Staaten wollen mit Tunesien darüber verhandeln, dass das Land mehr als die bisher 60 seiner Staatsbürger am Tag zurücknimmt. Zudem sollen Gespräche über einen Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex direkt vor der tunesischen Küste geführt werden, um Flüchtlinge bereits dort von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. Während das kleine Malta mit der Hilfe von Deutschland und einigen anderen Ländern bei der Aufnahme politischer Flüchtlinge rechnen kann, bleibt die von Italien geforderte solidarische Verteilung der Flüchtlinge aus.

Innenminister sauer: "Frage mich, ob EU für uns sinnvoll ist"
Italiens Innenminister Maroni kritisierte die Haltung der EU-Länder scharf. "Wir haben um Solidarität gebeten und uns wurde gesagt, helft euch selbst. Ich frage mich, ob es noch Sinn hat, in der Europäischen Union zu sein", sagte er. Der Italiener fügte hinzu: "Es ist besser, allein zu sein, als in schlechter Gesellschaft."

Der ungarische Innenminister Sandor Pinter hob dagegen hervor, dass auch Italien den Schlussfolgerungen vom Montag zugestimmt habe. Zudem werde es am 12. Mai ein Sondertreffen der EU-Innenminister zu dem Flüchtlingsproblem geben.

Fekter: "Italien mit Flüchtlingen nicht überfordert"
Innenministerin Maria Fekter und ihr deutscher Kollege Hans-Peter Friedrich stellten klar, dass sie Italien mit der Anzahl der Flüchtlinge nicht überfordert sehen. Auf heftige Ablehnung stieß zudem Italiens Ankündigung, Tunesier mit befristeten Visa auszustatten, mit denen diese im Schengen-Raum reisen könnten. "Der Vorschlag der Italiener wäre ein neuer Weg der illegalen Migration im europäischen Raum, indem man mit einem Dreimonatsvisum einreist und dann illegal untertaucht", sagte Fekter (siehe auch Infobox). Jedenfalls habe Österreich bereits seine Kontrollen wegen der Italien-Visa verstärkt.

Dieser Schritt Italiens verstoße gegen "den Geist von Schengen", sagte Friedrich. Die Visa-Vergabe an die Flüchtlinge geschehe "offensichtlich nicht mit dem Ziel, dass sie in Italien bleiben können, sondern offensichtlich mit dem Ziel, dass sie Italien verlassen können". Noch sehe er das Schengen-System aber nicht in Gefahr.

Betroffen von der Visa-Vergabe an die französischsprachigen Tunesier in Italien könnte vor allem Frankreich sein. Dessen Innenminister Claude Guéant gab an, dass in seinem Land im vergangenen Monat bereits rund 2.800 Tunesier festgenommen wurden, die aus Italien gekommen waren. Frankreich hat nach der Ankündigung Italiens seine Grenzkontrollen verschärft. Deutsche Grenzbeamte haben Friedrich zufolge bisher keine verstärkte Einreise von Tunesiern registriert. Man werde reagieren, wenn sich die Lage ändern sollte.

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