Tiermedizin im Stoff
Gestrecktes Koks in den USA: Süchtigen fallen die Ohren ab
Das Foto seines Patienten, das Dr. Noah Craft in der neuen Ausgabe des "Journal of the American Academy of Dermatology" präsentiert, sieht alles andere als appetitlich aus. Die schwarzen Rauen am Ohr des Mannes waren zu Beginn nur rote Flecken gewesen. Je länger er das mit dem seit 2000 nur mehr als Tier-Entwurmungsmittel zugelassenem Arzneistoff Levamisole gestreckte Koks schnupfte, desto dunkler wurden die Flecken.
Irgendwann spürte er Berührungen nicht mehr, das Gewebe am Ohr war tot. Auf dem Bild wurde der Mann bereits medizinisch behandelt, nachdem Dr. Craft durch Detektivarbeit dahinter gekommen war, dass sein Patient wohl durch gestrecktes Kokain vergiftet worden war. Wenn der Mann dem "Stoff" abschwört, hört das Zellensterben auf und er wird - bis auf ein paar mögliche Narben - vollständig wiederhergestellt sein.
Craft und seine Kollegen gehen seit Auftauchen der ersten Fälle im Jahr 2009 von mehreren Dutzend, vielleicht sogar Hunderten Betroffenen aus. Insgesamt könnten derzeit 70 Prozent des in den Vereinigten Staaten im Umlauf befindlichen Kokains mit Levamisole gestreckt sein, wobei allerdings nur ein kleiner Prozentsatz der Konsumenten derartige Reaktionen auf das Tiermedikament zeigt.
Giftiger "Stoff" kann sogar tödlich sein
In ihrem "Journal"-Bericht besprachen Craft und seine Co-Autoren insgesamt sechs Fälle, in denen Kokain-Süchtige unterschiedlich stark auf die Gift-Droge reagierten. Zwei Patienten wurden in Los Angeles behandelt, vier in New York. Die meisten Fälle verliefen ähnlich wie der des fotografierten Patienten. Bei einigen führte das gestreckte Koks jedoch zu Veränderungen im Knochenmark und machte sie hochanfällig für Infektionen, die in diesem Zustand sogar tödlich enden könnten.
Das Los Angeles Sheriff's Departement nimmt das Phänomen ernst - und instrumentalisiert es zugleich für Anti-Drogen-Arbeit. "Wenn die Leute schon nicht wegen der Bandenkriege und der Beschaffungskriminalität aufhören, vielleicht tun sie's, damit nicht eines ihrer Körperteile schwarz wird und abstirbt?", fragt Sheriff-Captain Mike Parker in einem Bericht der Associated Press. Denn nicht jeder Kokain-Süchtige sei noch dazu fähig bzw. befinde sich in einem geeigneten Umfeld, um medizinische Betreuung aufzusuchen.
Tier-Medikament wirkt wie die Droge
Dass das Gift-Koks auch in Europa bzw. Österreich auftauchen könnte, gilt hingegen als unwahrscheinlich. Laut dem aktuellen Drogenbericht des Innenministeriums wird in Österreich zwar fleißig Kokain konsumiert und geschmuggelt, dieses wird jedoch meist über die Niederlande oder Afrika direkt aus den Herkunftsländern in Südamerika importiert. Die Praxis, Koks mit Levimasole zu strecken, trat bisher nur in den USA auf, berichtet die US-Drogenpolizei.
Die Dealer würden auf das Tier-Medikament zurückgreifen, weil es billig zu kaufen sei und auf den Menschen annähernd dieselben Wirkungen habe wie echtes Kokain. Die Kundschaft merkt deswegen nicht, dass sie keinen "reinen Stoff" konsumiert. Jedenfalls so lange, bis die ersten Flecken an den Ohren auftauchen...
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