Wilde Gerüchte

Wirbel ums Budget: Tohuwabohu auf unterstem Niveau

Österreich
09.11.2013 15:19
Mit Indiskretionen, wilden Gerüchten und Horrorzahlen über das Budget haben die Koalitionsverhandler von SPÖ und ÖVP die Republik ohne Not in eine gefährliche Situation gebracht.

"Bist du schon ein Finanz-Vifzack?" Diese Frage wird seit wenigen Wochen auf einer Homepage des Finanzministeriums gestellt. Ein Kapitel dieses Lernspiels für Jugendliche lautet "Auch der Staat plant Einnahmen und Ausgaben". Angesichts der aktuellen Diskussion über ein angebliches oder tatsächliches Milliardenloch im Staatshaushalt liest sich diese Lektion aus dem Hause Fekter wie ein Witz.

Chaotische Regierungsverhandlungen
"Jetzt habe ich schon einige Regierungsverhandlungen erlebt, aber noch keine war so chaotisch wie diese", berichtet ein anonym bleiben wollender, aber hochrangiger Teilnehmer der Koalitionsgespräche. Tatsächlich laufen die Konferenzen, Sitzungen und Besprechungen mit den diversen Lenkungsgruppen, Expertenkreisen und Beratungsausschüssen kreuz und quer. Selbst Teilnehmer der zahllosen Verhandlungsrunden wissen oft nicht, welches Thema gerade wo besprochen wird. Nicht einmal die vereinbarte, strikte Geheimhaltung funktioniert noch.

Originellerweise sollte nach Ansicht führender Funktionäre in SPÖ und ÖVP die "schlechte Kommunikation" mitschuldig an dem – für die Koalition – wenig erfreulichen Wahlergebnis gewesen sein. Die Konsequenz, die Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger daraus zogen, war, die Kommunikation gänzlich einzustellen, also überhaupt nicht mehr zu reden. Zumindest in diesem Punkt sind sich die beiden Herren einig.

Mauer des Schweigens bröckelt zunehmend
Allerdings geht die Strategie, wenn es überhaupt eine gibt, von Kanzler und Vizekanzler nicht auf. Die Mauer des Schweigens bröckelt zunehmend. Sei es, weil einige Interessensvertreter mit gezielten Indiskretionen die Verhandlungen zu torpedieren zu versuchen, oder weil die zahllosen Unterhändler mit wilden Gerüchten die jeweils anderen Lager in die Defensive bringen möchten.

Das Ergebnis ist ein Tohuwabohu auf unterstem Niveau. So hat es die Regierung in den sieben Wochen seit den Nationalratswahlen geschafft, aus einem "Land, das gut dasteht", eine Pleitenation mit einem nicht konkret bezifferbaren Milliardenloch zu machen. Es mag zwar ernsthafte Zweifel geben, ob die kolportierten Horrorzahlen stimmen, aber international wird man auf Österreich bereits aufmerksam. In diesen finanzpolitisch nach wie vor unsicheren Zeiten haben die Koalitionsverhandler die Republik damit ohne Not in eine äußerst gefährliche Situation manövriert.

Das dämmert manchen (aber keineswegs allen) in der Regierung schön langsam. Freitagabend berieten ÖVP-Chef Michael Spindelegger und seine Parteiobleute aus den Bundesländern, wie man aus dieser Sackgasse wieder herauskommen könnte. Doch Spindelegger wird auf seiner Fahrt durch den Nebel weitgehend alleine gelassen. Dazu kommt, dass mit dem honorigen oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer ausgerechnet ein Vertreter der Länderinteressen die Finanzen verhandelt. Ein Konstruktionsfehler, der schon jetzt zu heftigen Kontroversen mit der SPÖ und auch innerhalb der ÖVP führt.

Bei der SPÖ musste unterdessen der neue Klubobmann Andreas Schieder mit dem Feuerlöscher ausrücken und allerorts erklären, dass die Spekulationen über ein riesiges Budgetloch eine "unnötige Verunsicherung" wären und es sich um ein "bewältigbares Problem" handle.

Die Zeit des Versteckens ist nun vorbei
Die Verunsicherung ist damit allerdings noch lange nicht beseitigt, das Vertrauen in die Regierung nicht gestärkt. Unabhängig davon, ob die Schockprognosen über das Budget nun stimmen oder nicht. Noch bleiben Bundeskanzler und Vizekanzler in Deckung. Aber die Zeit des Versteckens ist nun vorbei.

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