Beamte getäuscht

Justizanstalt in Wien entlässt den falschen Häftling

Österreich
19.07.2011 08:46
"Türen auf" für die Justizpanne des Jahres: Ein mutmaßlicher Serieneinbrecher marschiert seelenruhig aus der Justizanstalt Wien-Josefstadt, obwohl die Polizei monatelang hinter dem 31-Jährigen her war. Wie ihm das gelingen konnte: Der Serbe tauschte die Identität mit seinem Zellen-Kompagnon und stolzierte an seiner Stelle - mit viel Dreistigkeit und einer Portion Glück - in die Freiheit.

Die Polizei kocht vor Wut, die Justiz ist beschämt – und alle anderen lachen über die in Wahrheit unlustige Verwechslungskömodie aus der Josefstadt. Passiert ist sie schon am 30. Juni: In einer Zelle sitzen zwei Männer. Der eine als Serieneinbrecher verdächtig, 31 Jahre alt, mutmaßliches Mitglied einer organisierten Bande. Der andere ein verurteilter Hehler, 1968 geboren, er sollte an jenem Donnerstag offiziell entlassen werden.

Da dämmerte es dem jüngeren Nikola B. – wieso nicht den Namen des Kollegen annehmen und an seiner statt aus dem Häfen marschieren? Das klappt nie, sollte man meinen. Leider weit gefehlt. Den Justizbeamten fällt die Verwechslung nicht auf, nur mit dem Namen und dem Geburtsdatum des Kompagnons wird der 31-Jährige entlassen – und taucht sofort unter. Erst am Abend meldet sich der echte Hehler, und da fällt den Beamten auf: Wir haben den Falschen laufen lassen. Bizarr, auch den 43-Jährigen müssen sie enthaften. Für den Irrtum – auch wenn es offensichtlich eine Absprache gegeben haben dürfte – kann der Mann nichts.

Schon 2005 peinlicher Ausbruch
Es ist die zweite Panne in der Anstalt. 2005 spazierte ein als Anwalt verkleideter Geldfälscher-Boss unbemerkt an den Wachen vorbei. Und die jüngste Flucht wird noch eine Person nicht "freuen": Die Frau des 31-Jährigen muss sich am Dienstag vor Gericht für die Einbrüche verantworten. Ihr Mann hat sie sitzen gelassen.

Die Gefängnisleitung will derartige Fehler in Zukunft mit strengeren Sicherheitsvorkehrungen verhindern. Peter Prechtl von der Vollzugsdirektion: "Ab sofort werden Fingerprints genommen!" Nebenbei drohen den verantwortlichen Justizbeamten möglicherweise Konsequenzen. "Wir untersuchen das intern", erklärt die Sprecherin der Vollzugsdirektion, Cornelia Leitner. Es geht um mögliche Dienstpflichtsverletzungen, die mehrere Beamte betreffen, weil die Entlassung eines Häftlings eine "komplexe Handlungskette" sei.

Täuschungsmanöver begann in der Zelle
Entlassungen aus Justizanstalten laufen üblicherweise so ab, dass Häftlinge in der Früh zunächst von einem Wachebeamten in ihrem Haftraum aufgesucht und abgeholt werden. Dieser Beamte "sammelt" alle Insassen ein, für die sich an diesem Tag die Gefängnistore öffnen. Er übergibt diese Gruppe dann an Kollegen, die die formelle Entlassung durchführen, indem sie unter anderem die Papiere überprüfen und mit den bei der Aufnahme erfassten Daten abgleichen. Im konkreten Fall dürfte es bereits in der Zelle zu einem Täuschungsmanöver gekommen sein. Zusätzlich hatte B. offenbar auch noch eine gehörige Portion Glück.

Der 31-Jährige dürfte sich dem Wachebeamten gegenüber, der ihn offensichtlich nicht kannte - insofern wenig erstaunlich, als in der Justizanstalt Wien-Josefstadt jährlich 7.000 Häftlinge "einsitzen", die Abteilung, auf der sich Nikola B. befand, eine besonders hohe Fluktuation aufweist und der Beamte üblicherweise auf einer anderen Abteilung Dienst versieht -, fälschlicherweise als sein Zellenkumpan ausgegeben haben. Der Beamte schöpfte jedenfalls keinen Verdacht, als er den falschen Häftling aus der Zelle brachte.

Kein Fotovergleich beim Ausweis gemacht
Beim eigentlichen Entlassungsakt legte Nikola B. dann auch Depositen seines möglichen Komplizen vor. Neben amtlichen Papieren sollen sich darunter auch persönliche Gegenstände des 43-Jährigen befunden haben. Der Ausweis, den er präsentierte, wurde aber offenbar unzureichend kontrolliert. Sonst hätte auffallen müssen, dass das darin befindliche Foto nicht zu seinem Gesicht passte.

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