"Aber genau prüfen"

ESM, Fiskalpakt: Fischer gewährt vorsichtigen Segen

Österreich
08.07.2012 14:22
Bundespräsident Heinz Fischer hat am Sonntag zu brisanten Themen Stellung bezogen. Unter anderem sprach er sich für einen Rücktritt des FPK-Politikers Uwe Scheuch aus, mahnte zur Vorsicht bei der Demokratiereform und erklärte, dass er es sich offen gelassen habe, Fiskalpakt und Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu unterzeichnen - auch wenn die Zeichen eher auf eine Unterschrift hindeuten. Denn nur so könne der Verfassungsgerichtshof die Materie genau überprüfen.

Fischer wolle alles in Ruhe prüfen und sich auch noch mit Juristen beraten, erklärte er Sonntagmittag im Studio der ORF-"Pressestunde". "Ich bin nicht unter Zeitdruck." Es werde am Ende "eine Entscheidung geben, die hieb- und stichfest ist und mit höchster Sorgfalt gefällt wurde". Einen offensichtlichen Verfassungsbruch sehe er bei den Gesetzen zu Fiskalpakt und ESM nicht, er wolle aber in dieser Sache seinen "Entscheidungsraster strenger machen als bei einem offensichtlichen Verfassungsbruch". Deswegen wolle er seine Handlungen hier genau überdenken.

Dass der ESM mit Verfassungsmehrheit beschlossen wurde, für den Fiskalpakt aber nur eine einfache Mehrheit reichte, ist für Fischer kein Widerspruch. Es handle sich um unterschiedliche Materien. Der Fiskalpakt sei eine Sondervereinbarung nur unter 25 von 27 EU-Ländern - Großbritannien und Tschechien sind nicht dabei.

VfGH kann erst nach Unterzeichnung prüfen
Außerdem machte das Staatsoberhaupt darauf aufmerksam, dass eine Prüfung von Fiskalpakt und ESM durch den Verfassungsgerichtshof in Österreich im Gegensatz zu Deutschland erst dann möglich ist, wenn die Gesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurden. Diese Äußerung lässt durchaus darauf schließen, dass - beide Gesetze betreffend - eine Unterschrift Fischers sehr wahrscheinlich ist.

Anschließend zählte der Bundespräsident die Möglichkeiten auf, die er habe: Wenn die Gesetze offensichtlich verfassungswidrig zustande gekommen wären, müsste er seine Unterschrift verweigern. Wenn er hingegen eindeutig überzeugt wäre, dass die Verfassungskonformität gegeben sei, es aber "sehr seriöse Pro- und Kontra-Argumente" gebe, sollte die letzte Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof liegen. Und das gehe eben nur, wenn er vorher unterschreibe. Er sei jedenfalls noch zu "keinem endgültigen Ergebnis gekommen", betonte Fischer.

Aufklärungsbedarf in der europäischen Politik
Weiters sah Fischer Aufklärungsbedarf in der europäischen Politik und zeigte sich froh darüber, dass die Regierung eine entsprechende Kampagne im Herbst plane. Die politischen Entscheidungen auf EU-Ebene seien nämlich aufgrund der schwierigen Konstruktion zwischen Nationalstaaten, EU-Verfassung und Staatsverträgen kompliziert.

Ob das Volk über ESM und Fiskalpakt abstimmen solle, wollte das Staatsoberhaupt nicht "generell" beurteilen. Es sei richtig gewesen, über den EU-Beitritt abzustimmen. Er könne sich auch weitere Themen für Volksabstimmungen vorstellen. Bei ESM und Fiskalpakt habe er sich persönlich nicht für eine Volksabstimmung ausgesprochen. Er schließe Volksabstimmungen in einzelnen Fällen aber nicht aus. Aber: "Bei komplexen Problemen muss ich diese in ihrer Komplexität darstellen und darf sie nicht boulevardisieren."

Warnung vor Schnellschüssen bei direkter Demokratie
Grundsätzlich meinte das Staatsoberhaupt, dass er Volksbegehren, -abstimmungen und -befragungen für sinnvolle demokratische Instrumente halte, er warnte aber vor Schnellschüssen bei der Ausweitung der direkten Demokratie. "Macht keinen Automatismus vom Volksbegehren zur Volksabstimmung, sondern gebt dem Nationalrat ein echtes Mitbestimmungsrecht", appellierte der Präsident.

Bei einem Automatismus würden nämlich zwei Arten der Gesetzgebung entstehen - und "die Qualität der Gesetze würde entscheidend abnehmen". Wenn das Parlament bei der Entstehung von Gesetzen nicht mehr mitbestimmen könne, wäre der Bundesgesetzgeber damit "ausgeschaltet". "Das ist nicht durchdacht", sagte Fischer zu dem von der ÖVP favorisierten Modell.

Für Scheuch-Rücktritt gäbe es "Applaus"
In der Causa Uwe Scheuch legte Fischer dem FPK-Chef den Rücktritt nahe. Wenn das jemandem in einer anderen Partei passiert wäre, "hätte die Freiheitliche Partei eine ganz klare Rücktrittsforderung formuliert - und ich glaube, dass die Freiheitliche Partei recht gehabt hätte mit einer solche Rücktrittsaufforderung", so Fischer.

Er betonte einmal mehr, dass für Politiker strengere Grenzen herrschen müssten, als sie das Strafrecht vorsehe. Scheuch würde mit einem Rücktritt jedenfalls "Applaus verdienen".

"Parteienförderung ist eine gute Sache"
Der Bundespräsident verteidigte zudem die Erhöhung der Parteienförderung im Zuge des Transparenzpaketes. Eine ausreichende Dotierung für politische Parteien unter strenger Kontrolle und Transparenz sei "eine gute Sache". Parteien müssten gut ausgestattet werden, damit sie nicht über "dubiose" Wege zu Geld kommen. Er hoffe, dass mit dem Transparenzpaket, das ein "großer Schritt" sei, die dubiosen Finanzierungskanäle gestoppt und eine transparente Finanzierung gesichert sei. Das Thema werde in "polemischer und unfairer Weise zugespitzt", so das Staatsoberhaupt.

Wehrpflicht ein "sehr taugliches System"
Fischer bekannte sich auch erneut zur Wehrpflicht. "Ich halte die Wehrpflicht für ein gutes, für Österreich sehr taugliches System." Ein Berufsheer müsste man sich auch unter finanziellen Gesichtspunkten gut überlegen. Er freue sich jedenfalls, dass in dieser Debatte zwei Dinge erreicht wurden: Dass keine überstürzte Entscheidung getroffen wurde und Generalstabschef Edmund Entacher von Verteidigungsminister Norbert Darabos nicht abgesetzt werden konnte. "Entacher ist im Amt, und die Wehrpflicht gibt es noch."

Kein Einsatz Österreichs in Syrien
Nach Syrien möchte Fischer das Bundesheer allerdings nicht schicken. "Ich glaube nicht, dass sich Österreich an einem Einsatz beteiligen würde." Dieser würde sich wohl im Rahmen eines NATO-Einsatzes abspielen, in der Österreich mit seiner Neutralität nicht Mitglied ist.

Der Einsatz Österreichs im Rahmen der "Battle Groups" der EU sei aber dennoch möglich. Der europäische Einsatz sei nämlich vom Parlament bewilligt. "Aber wir beteiligen uns an keinem Krieg und an keinem Militärpakt."

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