"Krone"-Gespräch

Anschober über Burn-out-Pause und seine Energiewende

Österreich
13.01.2013 08:36
Der grüne Landesrat Rudi Anschober (52, im Bild bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Rahmen einer Sitzung der oberösterreichischen Landesregierung) schildert nach seiner dreimonatigen Burn-out-Pause im Gespräch mit der "Krone", wie es ihm in der Auszeit ergangen ist und wie sein persönliches Energiespar-Konzept künftig aussehen wird.

Es war im Sommer: Plötzlich fürchterliche Schmerzen im Nackenbereich. Ein Brennen, ein Ziepen, ein Zerren. Rudi Anschober, 52, erfolgreiches grünes Regierungsmitglied in Oberösterreich, geht zur Hausärztin. Doch die stellt - sehr zu seiner Überraschung - nicht den erwarteten Bandscheibenvorfall fest, sondern ein akutes Erschöpfungssyndrom: Burn-out.

Eigentlich kein Wunder. "Wenn ich ehrlich bin, hab' ich die letzten Jahre meist 80 bis 100 Stunden die Woche gearbeitet. Die Begeisterung für meinen Beruf war mit mir durchgegangen. Ausbrennen kann nur, wer davor für etwas gebrannt hat."

Vor Notbremsung bereits mehere Stop-Tafeln überfahren
Als er nachdenkt, fällt ihm auf, dass er vor der unfreiwilligen Notbremsung bereits mehrere Stop-Tafeln überfahren hatte: 2006 ein Bandscheibenvorfall, vor zwei Jahren erhöhter Blutdruck, vor einem Jahr erhöhter Blutzucker. Anschober tut in dieser Phase das, was er am besten kann: Er kämpft gegen Missstände an. Diszipliniert stellt er die Ernährung um und trainiert sich 18 Kilogramm herunter. Dass all die körperlichen Leiden und Wehwehchen eigentlich auch Stress-Symptome sein konnten, daran hätte er im Leben nicht gedacht.

Hausärztin schlug Alarm
Im März dann plötzlich Schlafstörungen: Jede Nacht liegt er nach drei bis vier Stunden Schlaf hellwach im Bett. Die zwangsläufige Erschöpfung schiebt er auf die Schlaflosigkeit, nicht auf deren eigentliche Ursache. Bis die Hausärztin im August Alarm schlägt, ihn ziemlich humorlos an einen Burn-out-Spezialisten überweist und damit die private Energiewende beim grünen Umweltlandesrat einleitet. Zusätzlich lässt er sich noch im Spital checken.

"Durchlavieren wäre nicht gegangen"
"Mir war schnell klar, dass ich mich nicht mehr durchmogeln kann, indem ich nur mein Arbeitspensum reduziere. Durchlavieren wäre nicht gegangen. Das ist auch nicht meine Art. Burn-out ist eine Krankheit, keine Schwäche. Ich wollte mich der Diagnose stellen, obwohl mir das Risiko klar war, dass mir aufgrund hämischer öffentlicher Reaktionen der Weg zurück abgeschnitten hätte werden können."

Am 20. September erreicht eine Presseaussendung die Redaktionen des Landes: "Offensichtlich habe ich meine Kräfte überstrapaziert Mein Erschöpfungszustand ist so massiv, dass die einzig zielführende Therapie eine absolute Schonung nötig macht. Nur so kann ich wieder ganz gesund werden und ab Jahresbeginn 2013 wieder mit voller Kraft und Einsatz für unser Land da sein."

Negative Polit-Reaktionen blieben aus
Die negativen Reaktionen des politischen Gegners blieben zur angenehmen Überraschung aller aus. "Im Gegenteil! Ich habe Hunderte Briefe von Menschen bekommen, denen es ähnlich ging oder die mir Mut zugesprochen haben. Meine Regierungskollegen hatten Verständnis und waren höchst loyal, was nicht selbstverständlich ist. Ich habe unglaublich viel Unterstützung erfahren. Das war enorm hilfreich. Dafür kann ich mich nicht oft genug bedanken!"

Absoluter Rückzug als Therapie
Absoluter Rückzug hieß die Therapie: Handy aus, kein Internet, kein Facebook, keine Nachrichten, keine Zeitung, strikt kein Kontakt mit dem Büro. Nicht einmal schnell mal zwischendurch und eh nur ausnahmsweise. Sehr zu seinem Erstaunen bekam er dennoch die wesentlichen Dinge mit. Die Burn-out-Therapie schafft er ambulant mit einem Betreuer. In seinem Fall ging es ohne Medikamente: "Aber es gibt Menschen, die welche brauchen."

Auszeit war alles andere als große Ferien
Die folgenden drei Monate waren dann alles andere als große Ferien, eher eine beschwerliche Berg-und-Tal-Fahrt. Es gab bleischwere Tage mit ganz wenig Energie und bessere. Nur langsam kann er Ruhe finden, er wandert mit Retriever "Agur", reaktiviert seine Liebe für die asiatische Meditationsart Qigong und führt lange Gespräche mit seiner Lebensgefährtin, der bekannten Außenpolitik-Journalistin Petra Ramsauer (43) mit der er seit fast sieben Jahren liiert ist: "Sie war enorm wichtig für mich, weil sie einfach da war."

"Politischen Ziele haben sich nicht verändert"
Anfang Dezember kann er erstmals wieder durchschlafen, seine Blutwerte haben sich normalisiert, und er spürt "wieder enorme Freude zurückzukehren. "Meine großen politischen Ziele haben sich nicht verändert." Seinen Alltag wird er künftig aber anders angehen: Handypausen, keine nächtlichen E-Mails mehr, lockerlassen. Gelernt hat er, "dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht". Es braucht nämlich nicht nur Arbeit, Dünger, Wasser und Pflege, sondern auch Sonne, Ruhe und Geduld.

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