Eine "Vertuschung" oder ein "Hinausschieben" der Bekanntgabe von Information hat die Kommission laut ihrem Bericht nicht nachgewiesen. Nicht ausgeschlossen werden könne dies allerdings bei dem Hinweis des Hundeführers. Ermittler sollen an den Beamten nach dem Wiederauftauchen Kampuschs appelliert haben "Bitte sag nichts". Der Mann hatte ja bereits kurz nach der Entführung auf Wolfgang Priklopil aufmerksam gemacht.
Einen Verdacht des Hundeführers, der Täter habe einen sexuellen Hang zu Kindern und eine Vorliebe für Waffen gehabt, soll es damals allerdings nicht gegeben haben. Weiters heißt es: "Es besteht kein Grund für die Annahme, dass in rechtswidriger Weise Fehler bei der Polizeiarbeit unterdrückt werden sollten."
"Ermittlungsansätze bisher nicht vollständig ausgeschöpft"
Im Bericht, den Innenminister Günther Platter Anfang Februar mit der Einrichtung der Kommission unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes und nunmehrigen rechtlichen Beraters des Bundespräsidenten, Ludwig Adamovich, beauftragt hatte, geht es vor allem Empfehlungen für die Arbeit bei außergewöhnlichen Kriminalfällen. So sollen interdisziplinäre Teams, unter anderem auch mit Medienbetreuern, eingesetzt werden. Weiters sei das Informationsmanagement zu verbessern sowie eine systematischere Aufarbeitung von Ermittlungsansätzen notwendig.
Die Kommission ist beim Fall Kampusch aber zu der Einschätzung gekommen, "dass die sachdienlichen Ermittlungsansätze bisher nicht vollständig ausgeschöpft wurden". In Anknüpfung an den Evaluierungsauftrag sei unmittelbarer Kontakt zur Oberstaatsanwaltschaft Wien hergestellt worden. Mit einer Wiederaufnahme der Ermittlungen beschäftigt sich der Bericht inhaltlich nicht direkt, obwohl das "bisher nicht ausgeschöpft" sehr wohl eine Wiederaufnahme der Ermittlungen impliziert.
Hinweis auf zweiten Täter "von Anfang an"
Eingegangen wird in dem Bericht auch auf den "von Anfang an fassbaren Hinweis in Richtung Mehrtäterschaft". Auch Angaben von Natascha Kampusch vom 22. September 2006 "über das Verhalten Wolfgang Priklopils während des Aufenthalts in einem Waldstück bei Strasshof" hätten in diese Richtung gewiesen. Mehr dazu wurde aber vom Innenministerium nicht bekannt gegeben.
"Langfristiger sexueller Kindesmissbrauch"
Zum ersten Mal ist in dem Evaluierungsbericht im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch aber offiziell von Missbrauch die Rede: Bei der Gefangenschaft des heute 20-jährigen Opfers handle es sich demnach um einen Verdachtskontext, der "schwerwiegende Verbrechen zum Nachteil eines im Entführungszeitpunkt zehnjährigen Kindes und mit langfristigen sexuellem Kindesmissbrauch" zum Gegenstand gehabt habe, so der Kommissionsbericht.
"Unzulässig" gewesen sei es, die Niederschriften der Aussagen Natascha Kampuschs im Original bei der Justiz zu verwahren, ohne eine Kopie bei der Sicherheitsbehörde zu lassen. Kritisiert wird außerdem die Herausgabe von Beweisen aus dem Verlies - wie Videokassetten oder ein Tagebuch - an das Opfer, ohne vorher den Beweiswert zu sichern. Möglicherweise seien so wertvolle Beweise aus den Händen der Ermittler genommen worden.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.