"Liste der Schande"

Regierung in Athen stellt Steuersünder an den Pranger

Ausland
23.01.2012 10:56
Es war lange angekündigt worden, jetzt hat die Regierung in Athen ihre Drohung wahrgemacht: Seit Sonntagabend werden Griechenlands Steuersünder im Internet öffentlich an den Pranger gestellt. Auf einer 170 Seiten langen Liste, die Finanzminister Evangelos Venizelos (Bild) als "Liste der Schande" bezeichnet hatte, können die Griechen die Namen jener 4.152 Landsleute nachlesen, die dem griechischen Staat insgesamt knapp 15 Milliarden Euro schulden.

Unter den nun auf der Liste (die Auflistung, die einige Minuten zum Laden brauchen kann, gibt es derzeit nur auf Griechisch, am besten mit dem Translator übersetzen) veröffentlichten Steuersündern seien auch Sänger, Unternehmer und Händler, berichtete das Staatsfernsehen. Viele der Schuldner seien aber bereits im Gefängnis oder ihre Betriebe seien pleitegegangen. 

Die Schulden von Schlagersänger Tolis Voskopoulos hatten sogar dazu geführt, dass dessen Frau vor wenigen Monaten als stellvertretende Tourismusministerin zurücktreten musste. Bezahlt hat der säumige Sänger trotzdem noch nicht. Auch der frühere Besitzer des Fußballclubs PAOK Saloniki, Giorgos Batatoudis, und der ehemalige Basketballstar Michail Misunow stehen auf der Liste.

"Schuldenschreck" prellte Staat um eine Milliarde Euro
Trauriger Spitzenreiter ist aber ein Mann, der nur noch der "Schuldenschreck" genannt wird und den Staat um fast eine Milliarde Euro prellte. Als Steuerberater kannte Nikolaos Kasimatis vermutlich alle Tricks und Kniffe und schleuste exakt 952.087.781 Euro am griechischen Fiskus vorbei. Im Gefängnis sitze der kleingewachsene Mann schon - das Geld habe der Staat aber noch nicht kassiert, berichtete die griechische Presse. 

Die Top Ten der Steuersünder findest du in der Infobox.

Fraglich ist nun, ob die Regierung überhaupt an das Geld herankommt. Experten, die die Nachrichtenagentur dpa befragte, gingen davon aus, dass der Staat "im besten Fall ein Fünftel dieser Schulden kassieren könnte". Denn in vielen Fällen gehören die Namen nur 80 bis 90 Jahre alten Strohmännern, hinter denen sich die wahren Sünder verbergen. Viele Schuldner seien zudem ins Ausland verschwunden. Allein in der Schweiz sollen Griechen demnach Geldeinlagen in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro haben.

Regierung gibt Schuldnern letzte Chance
Die Regierung hatte den Schuldnern am 14. November 2011 eine zehntägige Frist gesetzt, ihre Steuerschulden zu begleichen. Die Veröffentlichung der Namen zog sich dann aber hin, weil die Datenschutzbehörde nicht sofort grünes Licht gegeben hatte. 

Die Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos zeigt sich aber entschlossen, hart gegen Steuersünder vorzugehen. In den vergangenen zwei Monaten nahmen Steuerfahnder und die Polizei rund 90 Unternehmer fest, die dem Staat große Summen schulden. Darunter sind einer der bekanntesten griechischen Industriellen und der Besitzer einer Fitnessstudio-Kette.

Athen gibt den Schuldnern eine letzte Chance: Ein neues Gesetz, das vergangene Woche vom Parlament gebilligt wurde, gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Schulden in 60 Monatsraten abzubezahlen.

Schuldenschnitt bleibt Hängepartie
Indes bleiben die Verhandlungen über einen griechischen Schuldenschnitt, der das Land um 100 Milliarden Euro entlasten soll, trotz des enormen Zeitdrucks eine Hängepartie. Nach erneuten Gesprächen zwischen Regierung und internationalem Bankenverband IIF (siehe Infobox) wächst in Athen zwar der Optimismus, konkrete Ergebnisse gibt es aber bisher nicht. Zuletzt hieß es, dass bis Mitte Februar eine Einigung stehen soll.

Griechischen Medienberichten zufolge hatte die griechische Seite bereits eine Vereinbarung mit dem Bankenverband erreicht. Die neuen Staatsanleihen sollten demnach einen Zinssatz von im Durchschnitt vier Prozent haben. Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben. Dabei hätten sie darauf bestanden, dass der Zinssatz auf weniger als drei Prozent fällt - was nach Ansicht der Banken wiederum niemanden locken würde, am Schuldenschnitt teilzunehmen.

Engagement der Privatgläubiger entscheidend
Das Land sitzt derzeit auf einem Schuldenberg von rund 352 Milliarden Euro. Das entspricht 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich allenfalls 60 Prozent. 206 Milliarden Euro an Forderungen befinden sich in den Händen von Privatleuten, Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland.

Sollte der Schuldenschnitt wie erhofft gelingen, können die Schulden nach Schätzungen der EU und des IWF zunächst auf 152 Prozent fallen. Bis 2020 sollen sie auf 120 Prozent sinken - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft nach mehrjähriger Rezession ab 2013 wieder deutlich wächst. Dies ist bisher jedoch nicht in Sicht.

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