Arbeitsunfähig

Atomkonzern-Boss seit zwei Wochen auf Tauchstation

Ausland
01.04.2011 07:53
Zwei Wochen lang war Masataka Shimizu wie vom Erdboden verschluckt. Nun wurde verlautbart, dass der Präsident des japanischen Energieriesen Tepco (Tokyo Electric Power Company) wegen einer Erkrankung "arbeitsunfähig" ist.

Tepco betreibt das Unglückskraftwerk Fukushima 1, in dem nach wie vor gegen einen drohenden Super-GAU gekämpft wird. In Japan machten schon Gerüchte die Runde, dass Shimizu wegen der Atomkatastrophe ins Ausland geflohen sei - oder sich gar das Leben genommen habe. 

Der Top-Manager musste nach Angaben eines Firmensprechers vom Mittwoch in ein Krankenhaus gebracht werden - demnach leide der 66-Jährige an Bluthochdruck und Schwindelgefühlen. Auf Nachfragen von Journalisten, im welchen Spital sich Shimizu behandeln lasse, verweigerte der etwas ratlos wirkende Sprecher jegliche Aussage.

Meistgehasster Firmenchef Japans
Seit dem 13. März wurde der Tepco-Boss nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Damals nahm er an einer Pressekonferenz zur Lage im Krisenmeiler Fukushima 1 teil. Die "Washington Post" berichtete, dass Japans wohl meistgehasster Firmenchef seit Wochen nicht in seiner Luxuswohnung in Tokio gesehen wurde.

Der Manager arbeitete in den vergangenen zwei Wochen laut Tepco-Sprechern in der Firmenzentrale an "Lösungen für die Atomkrise". Anderen Berichten zufolge erkrankte Shimizu bereits am 16. März und nahm "wegen Überarbeitung" einige Tage frei. Die Krise habe er vom Krankenbett aus verfolgt.

"Ich muss das einmal nachchecken", meinte ein Tepco-Sprecher kryptisch zur "Washington Post" auf die Frage, ob er seinen Chef in letzter Zeit gesehen habe. Japanische Top-Manager tauchen in Krisensituationen regelmäßig ab. Unangenehme Nachrichten müssen dann zumeist Untergebene überbringen.

Eigentlich sollte alles ganz anders laufen: Viele hofften, dass Shimizu, der seit seinem 23. Lebensjahr für den Stromkonzern arbeitet, die Bunkermentalität bei Tepco ändern würde. Der jetzt aus der Öffentlichkeit verschwundene frühere Chef der PR-Abteiling war nämlich bis vor kurzem Vorsitzender der japanischen Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit und schien deswegen bestens dafür geeignet.

"Unverständlich und unentschuldbar"
Tepco muss von der Regierung und der Öffentlichkeit herbe Kritik einstecken. Ministerpräsident Naoto Kan sagte, der Konzern sei auf Vorfälle wie das Mega-Erdbeben vom 11. März und den darauffolgenden Tsunami nur ungenügend vorbereitet gewesen. Shimizus Verschwinden sei "unverständlich und unentschuldbar", meinte der Vorsitzende des japanischen Oberhauses, Takeo Nishioka.

Das Krisenmanagement soll nun bis zu Shimizus "baldiger" Rückkehr der Vorstandsvorsitzende Tsunehisa Katsumata übernehmen. Katsumata (71) musste übrigens im Jahr 2008 nach einem Unfall im Kernkraftwerk Kashiwazaki Kariwa zurücktreten. Auch damals hatte ein Erdbeben Schäden und ein Strahlenleck verursacht.

Fukushima-AKWs - bereits öfter Störfälle
Zum Zeitpunkt des Erdbebens am 11. März waren von den sechs Fukushima-1-Blöcken die Meiler 1, 2, 3, 5 und 6 in Betrieb. Zwei weitere Blöcke, 7 und 8, sind für den kommerziellen Betrieb ab 2014 und 2015 geplant. Das AKW Fukushima-Daiichi (Fukushima 1) ist 1971 ans Netz gegangen, Fukushima-Daini (Fukushima 2) liegt rund zwölf Kilometer entfernt und ging 1982 in Betrieb. 

Störfälle prägen die Geschichte beider Atomanlagen in Fukushima. Nach einem Erdbeben im Juni 2008 schwappte radioaktives Wasser aus einem Becken, in dem verbrauchte Brennstäbe lagerten. 2006 trat radioaktiver Dampf aus einem Rohr, 2002 wurden Risse in Wasserrohren entdeckt. Im Jahr 2000 musste ein Reaktor wegen eines Lochs in einem Brennstab abgeschaltet werden. 1997 und 1994 gab es ähnliche Vorfälle, bei denen etwas Radioaktivität freigesetzt wurde. Im September 2002 musste Tepco in einem Vertuschungsskandal einräumen, Berichte über Schäden jahrelang gefälscht zu haben - mehrere Manager traten daraufhin zurück.

Regierung erwägt Verstaatlichung von Tepco
Indes erwägt die japanische Regierung Medienberichten zufolge eine vorübergehende Verstaatlichung des Unternehmens. Die Regierung könnte die Mehrheit übernehmen und in das Management des Stromkonzerns eingreifen, berichtete die Zeitung "Yomiuri" am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise. Nach einer Flut von Verkaufsordern wurden Tepco-Aktien an der Börse in Tokio vom Handel ausgesetzt.

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